Was die Reform des
EU-Urheberrechts bedeutet

Die EU bekommt ein neues Urheberrecht. Monatelang wurde heftig darum gestritten - heute stimmte das EU-Parlament nun über die Reform ab. Doch was bedeutet diese Einigung, die fast jeden Internetnutzer betrifft? Und warum ist sie so umstritten?

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Warum ist das Thema so brisant?

Im Zentrum der Diskussion standen vor allem zwei Dinge: das Leistungsschutzrecht für Presseverleger und die Einführung sogenannter Upload-Filter. Es ging nach Einschätzung der Kritiker um nichts weniger als die Zukunft des Internets in seiner heutigen Form. Die Einigung berge die Gefahr, "das Internet, wie wir es kennen, ausschließlich in die Hände der Technologie- und Medienriesen zu legen", sagte die Piraten-Europapolitikerin Julia Reda. Rund fünf Millionen Menschen unterschrieben eine Petition, die sich gegen Teile der Reform richtet. Von allen Seiten wurde versucht, Einfluss auf das Vorhaben zu nehmen. Google, aber auch Wikipedia und Digitalverbände stemmten sich dagegen, Presseverlage, Medienunternehmen und Start-ups sprachen sich vehement dafür aus.

Was soll die Reform überhaupt bringen?

Als die EU-Kommission 2016 den Vorschlag für neue Regeln machte, wollte sie das Urheberrecht ans digitale Zeitalter anpassen. "Ich möchte, dass Journalisten, Verleger und sonstige Urheber eine faire Vergütung für ihre Arbeit erhalten", sagte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Denn Zeitungsverlage, Autoren, Plattenfirmen und andere Rechte-Inhaber erstellen unter teils großem Aufwand Inhalte, die online verbreitet werden - verdienen daran mitunter aber wenig.

Wie sieht die Einigung nun aus?

Zum einen sollen Zeitungsverlage und Autoren mehr für ihre Inhalte bekommen. Suchmaschinen wie Google dürfen nicht mehr ohne weiteres kleine Artikel-Ausschnitte in ihren Suchergebnissen oder bei Google News anzeigen. Vielmehr sollen sie die Verlage um Erlaubnis bitten und gegebenenfalls dafür zahlen.

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Zum anderen werden Plattformen wie YouTube stärker in die Pflicht genommen. Geschützte Werke müssen lizenziert werden, bevor sie auf den Plattformen landen - oder dürfen nicht hochgeladen werden. Startups sind ausgenommen. Dies gilt für Firmen, die jünger als drei Jahre alt sind, einen Jahresumsatz von unter zehn Millionen Euro und weniger als fünf Millionen Besucher pro Monat haben.

Wer ist gegen die Reform?

Zehntausende Menschen sind am Samstag in zahlreichen europäischen Ländern auf die Straße gegangen, um gegen die Reform zu protestieren. Die Allianz der Gegner ist bemerkenswert, sitzt doch die Piratenpartei in einem Boot mit großen US-Onlinekonzernen wie Google, die handfeste geschäftliche Interessen haben. Befürworter der Reform strichen vor diesem Hintergrund die Lobbyarbeit der US-Konzerne hervor. Für Empörung sorgten die deutschen Unionsparteien, die von "gekauften Demonstranten" sprachen. Eine Petition, die sich gegen Teile der Reform richtet, wurde von fünf Millionen Menschen unterzeichnet.

Was sagen die Kritiker?

Die Hauptkritik entzündet sich am früheren "Artikel 13" der Richtlinie, dessen Bestimmungen sich inzwischen allerdings in Artikel 17 finden. Demnach müssen die Plattformbetreiber verhindern, dass urheberrechtlich geschützte Werke auf ihren Seiten zugänglich sind, und sind bei Verstößen haftbar. Die umstrittenen Uploadfilter sollen urheberrechtlich geschützte Texte, Bilder oder Audiodateien schon beim Hochladen blockieren. Einige Plattformen nutzen schon jetzt Filter, müssten diese aber deutlich ausweiten.

Axel Voss, der die Verhandlungen für das Parlament führte, betonte, die Einigung habe "nichts mit 'Filtern' zu tun, wie das von manchen Unterstützern rechtsfreier Räume im Internet propagiert wird".

Gegner des Leistungsschutzrechts sehen Nachteile für Verlage. Diese seien darauf angewiesen, von Suchmaschinen gelistet zu werden, und hätten daher eine schwache Verhandlungsposition gegenüber Google & Co. Zudem verweisen sie auf Deutschland: Hier gibt es schon seit 2013 ein Leistungsschutzrecht - doch es führt nicht zu nennenswerten Geldzahlungen an die Verlage.

Was ist mit Memes und GIFs?

Ein satirischer und kreativer Umgang mit Texten, Bildern und Audiodateien würde Kritikern zufolge behindert - etwa bei so genannten Internet-Memes, bei denen Netzinhalte satirisch verändert und verbreitet werden. Dem Europaparlament zufolge wären Mitgliedstaaten durch die Reform verpflichtet, das kostenlose Hochladen "von Teilen von Werken zum Zitieren, zur Äußerung von Kritik, für Rezensionen, für Karikaturen, Parodien oder Persiflagen" zu schützen. Dies umfasse auch Memes und bewegte Bilder im GIF-Format.

Warum wird die Reform von vielen Medien unterstützt?

Die Befürworter verweisen auf Artikel 11 der Reform. Es sieht ein sogenanntes "Leistungsschutzrecht" für Presseverlage vor. Danach müssen Nachrichtensuchmaschinen wie Google News für das Anzeigen von Artikel-Ausschnitten künftig Geld an Verlage zahlen. Mehr als 260 Verlage, Zeitungen, Nachrichtenagenturen, Rundfunk-Anbieter, Produktionsfirmen und Medienschaffende, darunter auch die APA - Austria Presse Agentur, haben im Vorfeld der EU-Abstimmung zur Unterstützung der Reform aufgerufen. Kritiker weisen darauf hin, dass das Leistungsschutzrecht die Freiheit des Internets einschränke, weil künftig für Zitate Lizenzgebühren gezahlt werden müssen.

Muss künftig jeder Copyright-Zahlungen leisten?

Befürworter der Reform weisen darauf hin, dass es beim Leistungsschutzrecht Ausnahmen für Privatpersonen gibt. Somit dürfen Private weiterhin Medienartikel im Internet teilen. Dies gilt auch für Blogger. Erst wenn sie Einnahmen generieren, gilt für sie die Lizenzpflicht. Gemeinnützige Projekte wie Wikipedia dürfen somit auch aus Medienartikeln zitieren, ohne Lizenzgebühren zahlen zu müssen. Ausnahmen gibt es auch für Illustrationen sowie Unterrichtszwecke. Zudem sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, das kostenlose Hochladen "von Teilen von Werken zum Zitieren, zur Äußerung von Kritik, für Rezensionen, für Karikaturen, Parodien oder Persiflagen" zu schützen. Dies umfasse auch Memes und bewegte Bilder im GIF-Format.

Welche Position hat Österreich?

Die Bundesregierung unterstützt die Reform, für die sie sich auch während des österreichischen EU-Ratsvorsitzes im zweiten Halbjahr 2018 stark eingesetzt hat. Sie leistete wesentliche Vorarbeiten dafür, dass im Februar ein Kompromiss zwischen Unterhändlern der EU-Staaten und des Europaparlaments erzielt werden konnte. Entsprechend begrüßte Medienminister Gernot Blümel (ÖVP) den Beschluss, weil damit "ein wichtiger Schritt in Richtung Gerechtigkeit gesetzt" werde. Die FPÖ enthielt sich, die Oppositionsparteien SPÖ, Grüne, NEOS votierten dagegen. Sie bedauerten ebenso wie die Liste JETZT das Votum und sehen die Freiheit des Internets in Gefahr.

Wie geht es nach der Abstimmung weiter?

Nach der Zustimmung des EU-Parlaments ist noch ein abschließendes Votum des Rates erforderlich, das als Formsache gilt. Die Richtlinie muss dann noch von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Dafür sind zwei Jahre vorgesehen, bis 2021. Blümel kündigte bereits am Dienstag an: "An der nationalen Umsetzung wird unmittelbar gearbeitet werden."

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