Österreich will
"Europa, das schützt"

Österreich übernimmt am heutigen Sonntag den EU-Vorsitz für ein halbes Jahr. Es ist das dritte Mal nach 1998 und 2006.

von EU-Ratsvorsitz - Österreich will
"Europa, das schützt" © Bild: Geert Vanden Wijngaert / POOL / AFP

Der Vorsitz steht unter dem Motto "Europa, das schützt". Die Schwerpunkte sind Migration, die Budgetverhandlungen und der Brexit. In der EU scheint die Uneinigkeit derzeit groß. EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani warnte bereits vor einem "Auseinanderbrechen" der Gemeinschaft.

Länder wie Deutschland, Frankreich, Luxemburg und die neue spanische Regierung sind für einen stärkeren Zusammenhalt der EU-Länder und europäische Lösungen. Sie setzen in der Flüchtlingspolitik auf Solidarität mit jenen Ländern, die besonders betroffen sind. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron haben außerdem unlängst ein gemeinsames Eurozonen-Budget vorgeschlagen.

Migration, Brexit, EU-Budget die großen Themen

Auf der anderen Seite befinden sich Länder wie Österreich, das eine "schlankere und fokussiertere" EU will, wie Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) es formuliert. Die Europäische Union soll sich auf die großen Fragen wie Grenzschutz und Außenpolitik fokussieren und kleine Fragen den Mitgliedstaaten überlassen (Subsidiaritätsprinzip). Ins EU-Budget will Österreich nicht mehr einzahlen und stattdessen lieber in der Brüsseler Verwaltung sparen.

"Grundsätzlich wird erwartet, dass das Vorsitzland in diesen sechs Monaten als neutraler Vermittler auftritt und seine eigenen Positionen zurückstellt", sagte Paul Schmidt, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik, gegenüber der APA. Nun wird es eine Herausforderung für Österreich, einen Ausgleich zu finden zwischen jenen Ländern, die ein Mehr an Europa wollen und dafür auch mehr Geld in die Hand nehmen würden und den Nettozahlern wie Dänemark und Niederlande, die dazu nicht bereit sind.

Die Verhandlungen zum mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027 werden - so meinen Beobachter - so schwierig wie noch nie in der Geschichte der Gemeinschaft, weil mit dem Wegfall des Milliarden-Nettobeitrags der Briten vieles anders wird. Auch die Brexit-Verhandlungen selbst werden ein harter Brocken. Um den Ratifizierungsprozess für den EU-Austrittsvertrag bis zum 29. März 2019 abzuschließen, sollte es bis Oktober eine Vereinbarung geben. Dass diese bis dahin nicht gelingt, gilt mittlerweile als nicht unwahrscheinlich. EU-Chefverhandler Michel Barnier tat unlängst in Wien seine Ungeduld mit London kund. "Wir haben keine Zeit", sagte er.

Schutz der EU-Außengrenzen

Österreich will darüber hinaus eigene Schwerpunkte setzen. Das Hauptziel ist: Der Schutz der EU-Außengrenzen und Vereinbarungen gegen die illegale Migration mit Drittstaaten. In Diskussion ist auch die Einrichtung von Asylzentren außerhalb der EU. Nationale Alleingänge und Maßnahmen werden nicht ausgeschlossen. Kurz weiß die neue italienische Regierung, die Visegrad-Staaten, aber auch Dänemark oder die Niederlande hinter sich. Konkrete Ergebnisse erwartet er bei einem EU-Gipfel am 20. September in Salzburg, der sich dem Thema Sicherheit widmen soll.

Ganz oben auf der Agenda der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft stehen laut Kurz außerdem die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit Europas und die Stärkung des Binnenmarktes. Eine Digitalsteuer für Internet-Konzerne wie Google, Facebook oder Amazon ist das Ziel. Weiteres erklärtes Ziel ist die Heranführung der Westbalkan-Staaten an die Union. Mit der Lösung des Namensstreits zwischen Mazedonien und Griechenland könnte es hier wieder Bewegung geben. Österreich strebt außerdem die Verbesserung der Beziehungen zwischen der EU zu Ländern wie Russland und Israel an. Doch auch hier gehen die Meinungen in der EU auseinander.

Krisen gab es allerdings auch schon bei früheren österreichischen EU-Ratspräsidentschaften. 1998 war vor allem vom Kosovo-Konflikt überschattet, bei dem der österreichische Diplomat Wolfgang Petritsch im Namen der EU zwischen dem serbischen Machthaber Slobodan Milosevic und den albanischen Rebellen vermittelte. Der Ratsvorsitz 2006 stand im Zeichen der EU-Verfassungskrise, nachdem die Franzosen und Niederländer den EU-Verfassungsvertrag abgelehnt hatten.

Der Vertrag von Lissabon hat 2009 den Gestaltungsspielraum eines EU-Vorsitzlandes verändert. Die Schaffung des EU-Ratspräsidenten (derzeit Donald Tusk), und der Hohen Vertreterin für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (Federica Mogherini), die Stärkung der Euro-Gruppe und auch die Kompetenzerweiterung des EU-Parlaments haben den Einfluss des Vorsitzes reduziert. Die oftmals prestigeträchtigen EU-Gipfel, EU-Außen- und Verteidigungsministerräte und Eurogruppen-Sitzungen werden nicht von der EU-Ratspräsidentschaft geleitet.

"Servus Europa"

Trotzdem bleibt Wien eine Vielzahl von Aufgaben. Es wird an die 300 Vorsitz-Veranstaltungen in Österreich geben. Das Vorsitzland richtet die Mehrheit der Ratsformationen aus. Geplant sind 33 Fachministerräte - die offiziellen Tagungen finden in Brüssel oder Luxemburg statt, 13 informelle Treffen gehen in Österreich über die Bühne. Zu den wichtigen Aufgaben des EU-Vorsitzes zählt außerdem die Zusammenarbeit mit dem Europaparlament. Die Bundesregierung und Beamtenschaft sind gefordert, die Beratungen des Rates über rund 190 EU-Rechtsvorschriften voranzubringen. Die Kosten des österreichischen Vorsitzes sollen sich offiziell auf rund 43 Mio. Euro belaufen, laut Medienangaben könnten sie tatsächlich aber das Doppelte betragen.

Ein Aufruf zum Boykott des österreichischen EU-Ratsvorsitzes und der FPÖ-Minister von Persönlichkeiten aus verschiedenen Ländern hatte im Vorfeld für Aufsehen gesorgt. Die Unterzeichner - u.a. der französische Ex-Außenminister Bernard Kouchner, der frühere Präsident von Osttimor und Friedensnobelpreisträger Jose Ramos-Horta und die Nazi-Jäger Serge und Beate Klarsfeld - bezeichneten die FPÖ als "radikal rassistische, antisemitische, homophobe, sexistische, fremdenfeindliche und antidemokratische Partei".

Auftakt des Vorsitzes bildet eine Staffelübergabe unter dem Titel "Servus Europa" in Schladming. Am Samstag übergibt der Ministerpräsident des aktuellen EU-Vorsitzlandes Bulgarien, Bojko Borissow, an Bundeskanzler Kurz. Auf der Planai ist ein Gipfel-Picknick geplant, im Tal findet ein Konzert mit u.a. den Seern, Opus und Cesár Sampson statt. Nach Österreich übernimmt Rumänien am 1. Jänner 2019 die Ratspräsidentschaft.

Kommentare

Das sind alles keine Lösungen!! Nur Gerede!

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