"EU ist nicht der eingebildete Kranke": EU-Botschafter Woschnagg geht in Pension

Österreicher auf Erweiterung "nicht völlig eingestellt" Will nach Dienstende auf Yaks durch Himalaya ziehen

"Ich hätte gerne persönlich den Verfassungsvertrag, weil dann hätten wir zum Beispiel bei den Energiefragen eine gute Rechtsbasis, die wir jetzt nicht haben", sagte Woschnagg. Es wäre aber "falsch", von der "größten Krise" zu sprechen, in welche die EU seit den gescheiterten Verfassungsreferenden in Frankreich und den Niederlanden geraten sei. Bei der EU-Verfassung müsse man die französischen Präsidentschaftswahlen abwarten, so der langjährigen österreichische Spitzendiplomat, der mit Monatsende seinen Dienst in Brüssel beendet. Dann gebe es mehrere Möglichkeiten: ein zweites Verfassungsreferendum oder die Einberufung einer Regierungskonferenz im Herbst. "Es wird sich meiner Meinung nach herausstellen, dass vom derzeitigen Verfassungsvertrag nicht Grundsätzliches geändert werden muss. Es kann sein, dass der Name geändert wird."

Woschnagg räumte aber ein, dass die "Gefahr" eines "Kerneuropa" - bei dem einzelne EU-Staaten vorangehen - "ständig wie ein Damoklesschwert über uns schwebt". "Sollte eine Stagnation in der Europäischen Union - auch in der Frage des Verfassungsvertrages - eintreten, dann kann es durchaus sein, dass diese Konzepte wieder aus der Schublade geholt werden." Zum Beginn seiner Arbeit als EU-Botschafter "habe ich gedacht, wenn wir einmal den Euro bekommen, dann haben wir den 'point of no return' der europäischen Integration überschritten. Ich muss jetzt gestehen nach siebeneinhalb Jahren, dass ich mich geirrt habe", sagte der heute 67-Jährige. Die EU müsse nun vor allem der jungen Generation, die keine Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg habe, neue Werte geben, sagte der Diplomat. Diese könnten zum einen Umwelt- und Klimaschutz sein, zum anderen Konzepte, "damit Europa den Wettkampf in der Globalisierung bestehen kann".

In Österreich sei es nicht gelungen, die Erweiterung positiv zu besetzen, obwohl die Beitritte die Sicherheitslage des Landes "dramatisch erhöht" hätten und heimische Firmen mittlerweile 20 bis 30 Prozent ihres Jahresgewinne in den neuen EU-Staaten lukrierten, beklagte Woschnagg. "Was mich stört ist, dass wir Österreicher uns noch nicht auf diese völlig neue Lage eingestellt haben, dass die jungen Österreicher nicht mehr die Sprachen der (mittel- und osteuropäischen) Nachbarn lernen, und dass wir uns mit diesem Raum nicht mehr beschäftigen."

Die EU-Erweiterung um zwölf Staaten und die Einigung der Union auf ein Mehrjahresbudget bis 2013 wertet Woschnagg als "größtes Ergebnis" seiner Zeit als Botschafter. Die größte Fehlentscheidung habe die EU getroffen, "als über Nacht die anderen Regierungen beschlossen haben, Sanktionen gegen Österreich einzuführen. Hier hat man aber gesehen, dass die EU-Mitgliedstaaten doch lernfähig sind." Die nach Bildung der schwarz-blauen Regierung im Jahr 2000 verhängten Sanktionen sieht er als die Ursache der starken EU-Skepsis in Österreich. Darüber hinaus habe Österreich "seine Hausaufgaben nicht gemacht". So sei ein Austauschprogramm für tausende heimische Lehrer, die sich in Brüssel ein Bild von der EU machen sollten, aus Spargründen eingestellt worden, kritisierte der Botschafter.

Als seinen größten persönlichen Sieg sieht Woschnagg die österreichische EU-Ratspräsidentschaft im Vorjahr, "die von allen auch heute noch überaus positiv bewertet wird". In 20 Jahren werde die EU einen gemeinsamen auswärtigen Dienst und eine europäische Armee haben, wagt der Spitzendiplomat noch einen Ausblick. Seinem Nachfolger Hans Dietmar Schweisgut, der im April den Posten übernimmt, rät er, aufzupassen, "dass Österreich sich weiter im Zentrum der europäischen Integration aufhält". Persönlich hat sich Woschnagg für die Pension eine Himalaya-Gebirgstour in Bhutan ("am Ende muss man mit Yaks gehen - aber ohne Handy") und einen Motorradausflug über die Schweizer Pässe vorgenommen. Vorher müsse er aber erst wieder einen Fahrkurs besuchen, gesteht er. "Ich habe mir eine etwas zu große Maschine gekauft."

(APA/red)