EU-Gipfelauftakt: Bislang keine
Bewegung bei Migrations-Thema

Debatte geht heute weiter - Juncker will Einigung zu Außengrenzschutz bis Jahresende

Ohne nennenswerte Annäherung ist der erste Tag des EU-Gipfels zu Ende gegangen. Das Migrations-Thema beschäftigt auch heute, am zweiten Tag, die europäischen Regierungschefs. So sagte etwa, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, er erwarte sich trotz fehlender Annäherungen gestern, dass sich die EU noch in diesem Jahr auf einen besseren Außengrenzschutz verständigt. Ungarns Regierungschef Orban legte einen eigenen Vorschlag zu Frontex vor und Sebastian Kurz sprach sich erneut gegen eine Diskussion um die Verteilung von Flüchtlingen aus.

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Salzburg Gipfel - EU-Gipfelauftakt: Bislang keine
Bewegung bei Migrations-Thema

Migration: Zusammenarbeit mit Ägypten ausbauen

Beim Thema Migration zeichnete sich beim Auftakt des informellen EU-Gipfels in Salzburg keine Annäherung der verhärteten Fronten ab. Beim Gipfel habe es zwar Einigkeit gegeben, dass die Zusammenarbeit der EU mit Drittstaaten wie Ägypten im Bereich Migration ausgebaut werden soll. Doch bezüglich der internen Dimension der Migration in der EU würden die Meinungsverschiedenheiten der EU-Staaten weiter bestehen, sagte ein EU-Diplomat in der Nacht. Das Thema soll deswegen am Donnerstag weiter behandelt werden.

Absage aus Ägypten

Indes erteilt Ägypten den EU-Flüchtlingszentren erneut eine Absage. Ein Flüchtlingszentrum für im Mittelmeer gerettete Flüchtlinge wird das nordafrikanische Land offiziell nicht beherbergen. Die ägyptische Regierung habe den Vorschlag, Asylzentren zu errichten, abgelehnt, erklärte eine ranghohe Mitarbeiterin des Außenministeriums in Kairo laut der Zeitung "Egypt Today" (Online).

Migranten in Ägypten werde Bewegungsfreiheit im Land garantiert, ebenso würden Gesundheitsversorgung und Bildungsangebote zur Verfügung gestellt, so Dina al-Sihi am Rande einer Konferenz internationaler Parlamentarier in der Tourismusstadt Sharm el-Sheikh. Menschenhandel und Schlepperei könne nur bekämpft werden, wenn auch mit "kompetenten Organisationen" kooperiert werde. Sihi rief alle Staaten, die Zielländer von Migranten sind, auf, Entwicklungsprojekte in den Herkunftsländern zu lancieren, um Jobmöglichkeiten zu kreieren.

Tusk kritisiert "politische Spiele"

Der EU-Ratspräsident Donald Tusk kritisierte bereits vor Beginn des Treffens jene Staaten, die das Migrationsthema für "politische Spiele" missbrauchen. Die Neuankünfte von Flüchtlingen seien von zwei Millionen im Jahr 2015 "auf weniger als 100.000 heuer" gesunken. "Das ist weniger als in den Jahren vor der Krise. Trotz der aggressiven Rhetorik bewegen sich die Dinge in die richtige Richtung", sagte er.

Angesprochen von der Kritik fühlte sich offensichtlich der italienische Premier Giuseppe Conte. Er konterte bei seinem Eintreffen in Salzburg in Richtung Tusk: "Die Migrationsproblematik ist kein Wahlkampfthema. Es stehen keine Wahltermine unmittelbar an. Die Wahrheit ist, dass Migration ein wichtiges Thema ist, für das die Politik Verantwortung übernehmen und Antworten geben muss", sagte Conte laut der italienischen Nachrichtenagentur ANSA.

Juncker fordert Solidarität

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker rief die EU-Staaten in Salzburg einmal mehr dazu auf, sich in Migrationsfragen solidarisch zu zeigen. "Man braucht Solidarität, das ist kein leeres Wort. Die einen nehmen Flüchtlinge auf. Die die das nicht können, die das nicht wollen, obwohl sie das müssen, die müssen sich in Sachen Solidarität bewegen."

Kurz hofft auf baldiges Frontex-Mandat

Bundeskanzler Kurz betonte vor Beginn des Gipfels, dass er sich auf Gemeinsamkeiten fokussieren wolle. Diese seien vor allem in punkto Außengrenzschutz gegeben, auch wenn es bei der Frage um den Ausbau der EU-Grenzschutzagentur Frontex "Bedenken" gebe, die man "noch ausräumen" müsse. Er hoffe, dass das Frontex-Mandat noch unter österreichischem Ratsvorsitz im Dezember beschlossen werden könne.

Ungarn will Grenzen selbst schützen

Vor allem die südeuropäischen Länder wollen das nationales Kommando über ihren Grenzschutz nicht abgeben. Ablehnung kam am Mittwoch aber auch von Ungarns Regierungschef Viktor Orban. Es sei zwar gut, dass sich die EU in der Flüchtlingsfrage nun auf den Grenzschutz konzentriere, sagte er beim Treffen der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) vor dem informellen EU-Gipfel in Salzburg. Ungarn sei aber in der Lage, seine Grenze selbst zu schützen. "Wir bestehen auf unser Recht, dass das unser Job ist".

Orban legte eigenen Vorschlag zu Frontex vor

Orban hat nach eigenen Angaben auch einen Vorschlag dazu. Orban sprach sich konkret gegen jenen Passus des EU-Kommissionsvorschlags aus, wonach in Zukunft die Agentur im Notfall auch von sich aus tätig werden kann.

Der Premier sagte am Donnerstag in Salzburg laut der staatlichen ungarischen Nachrichtenagentur MTI, dass er der österreichischen Ratspräsidentschaft einen Vorschlag unterbreitet habe, wonach "das Verteidigungsrecht bei den Mitgliedstaaten verbleibt". Laut Artikel 43 des Kommissionsvorschlags kann die EU-Kommission in einer Notsituation, die "das Funktionieren des Schengenraums in Gefahr bringt", ein selbstständiges Eingreifen von Frontex beschließen, falls ein Mitgliedstaat nicht willens oder in der Lage ist, seine Grenzen selbst zu schützen.

Juncker stellt sich hinter Avramopoulos

Juncker stellte sich unterdessen hinter EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos, der wegen seiner Weigerung, einen Vorschlag zu EU-Asylcamps in Afrika zu machen, vom amtierenden EU-Ratsvorsitzenden, Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) scharf kritisiert worden war. "Er ist mein Kommissar", sagte Juncker.

Auch EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini zeigte sich zurückhaltend zu Asylcamps in Afrika. "Mein Eindruck ist, dass es derzeit kein nordafrikanisches Land gibt, das bereit ist, ein solches Zentrum zu beherbergen. Und das ist begründet", so Mogherini. Die EU sei aber weiterhin im Gespräch mit Ägypten, Tunesien, Marokko und anderen Ländern. Zur Militäroperation "Sophia" sagte Mogherini, dass es Übereinstimmung gebe, die Mission im Mittelmeer zur Schlepperbekämpfung weiterzuführen. Keine Einigung gebe es jedoch zur Frage, wohin die im Rahmen der Mission geretteten Flüchtlinge gebracht werden sollen.

Gipfel mir Arabischer Liga vorgeschlagen

Tusk schlug einen Gipfel der EU mit der Arabischen Liga im Februar in Ägypten vor. Er werde diese Idee bereits am Sonntag mit Ägyptens Staatschef Abdel Fattah al-Sisi in New York besprechen, sagte ein EU-Diplomat.

Juncker stärkte auch seinem luxemburgischen Landsmann Jean Asselborn im Konflikt mit dem italienischen Innenminister Matteo Salvini den Rücken. "Das, was da gesagt wurde, hätte man auch öffentlich sagen können", sagte Juncker am Mittwochabend in einer ZiB-Spezial aus Salzburg zu dem Eklat am vergangenen Freitag bei einem EU-Afrika-Treffen in Wien. Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel hatte sich zum Auftakt des EU-Gipfels in Salzburg "enttäuscht" von der österreichischen Ratspräsidentschaft wegen des Eklats mit Salvini gezeigt. Er hätte sich erwartet, dass die österreichische Präsidentschaft sagt, "dass das nicht geht", sagte er mit Blick auf Kickl, der das Treffen am Freitag ausgerichtet hatte. Salvini hatte ein heimlich gefilmtes Video veröffentlicht, auf dem Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn nach einer Provokation durch den italienischen Minister in Rage geraten war.

Proteste

Parallel zum Gipfel-Auftakt fanden am Mittwoch Proteste gegen die Grenz- und Abschottungspolitik der EU in Salzburg statt. Rund 400 Demonstranten versammelten sich zum "Marsch der Verantwortung" in der Mozartstadt. Es sei zynisch, dass die Regierungschefs ihren Gipfel mit "Sicherheit" betiteln, dem Sterben im Mittelmeer aber zusehen würden, sagte Alina Kugler vom Bündnis "Solidarisches Salzburg". Bei dem Protestmarsch wurd mit Namensschildern auf jene 30.000 Flüchtlinge aufmerksam gemacht, die in den vergangenen 25 Jahren auf der Flucht nach Europa gestorben sind.

Conte: Debatte über finanziellen Beitrag für Migration

Laut dem italienischen Premier Giuseppe Conte wird zudem darüber diskutiert, ob EU-Mitgliedsstaaten, die keine Migranten aufnehmen wollen, einen finanziellen Beitrag leisten sollen. Dies berichtete Conte in der Nacht auf Donnerstag nach Ende des Abendessens der EU-Staats- und Regierungschefs.

"Einige Länder, die keine Migranten aufnehmen, haben sich bereits zur Zahlung des finanziellen Beitrags bereit erklärt", berichtete Italiens Regierungschef nach Angaben der italienischen Nachrichtenagentur ANSA. Das Abendessen sei ganz auf Migrationsthemen fokussiert gewesen.

Kurz bekräftigt: Flüchtlingsverteilung keine Lösung

Österreichs Kanzler Kurz hat sich indes erneut gegen eine Diskussion um die Verteilung von Flüchtlingen in Europa ausgesprochen. Damit könne die Migrationsfrage nicht gelöst werden, sagte Kurz vor Beginn des zweiten Tages.

Zwar wollten einige Staats- und Regierungschefs der EU weiterhin darüber zu diskutieren, deshalb "werden wir das weiterhin auf der Agenda haben", erklärte Kurz. Zum Abendessen gestern, sagte Kurz: Die Atmosphäre sei "eine bessere, als wir das manchmal bei anderen Sitzungen hatten". Jedoch hätten es "nicht allzu viel Bewegung" gegeben, die Fronten seien weiterhin verhärtet.

Die Debatte um die Verteilung von Flüchtlingen sei jedenfalls keine Lösung, betonte Kurz. Die Chance, über das Thema Verteilung zu einer Lösung zu kommen, halte er für "überschaubar". Vielmehr brauche es eine vertiefte Zusammenarbeit mit den nordafrikanischen Ländern, meinte der Kanzler mit Blick auf Ägypten. Der Vorschlag, mit "Ägypten und anderen" in Gespräche zu treten, sei von allen EU-Staats- und Regierungschefs unterstützt worden. Bereits im Vorfeld des Salzburger Gipfels hatten EU-Ratspräsident Donald Tusk und Kurz am vergangenen Sonntag mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi erste Gespräche über eine mögliche Kooperation und einen Gipfel in Ägypten geführt. Tusk will Al-Sisi erneut am Sonntag in New York darauf ansprechen.

Auf die Frage, ob jene Staaten, die sich bisher weigerten, Flüchtlinge aufzunehmen, stattdessen mehr finanzielle Beiträge leisten könnten, antwortete Kurz ausweichend. Er habe den Eindruck, dass mehr und mehr von seinen Kollegen bewusst geworden sei, dass die Migrationsfrage nicht über Verteilung, sondern an der Außengrenze und durch Kooperation mit Transitländern gelöst werden müsse.

Conte drängt auf gesamteuropäische Umverteilung

Conte hat die Forderung nach einem gesamteuropäischen System zur Flüchtlingsverteilung jedoch bekräftigt. "Wenn sich nur einige Staaten beteiligen, können wir nicht von einem europäischen System sprechen", betonte Conte zum Auftakt des zweiten Tages. "Wir arbeiten derzeit an einem Mechanismus, der wahrhaft europäisch ist."

Kommentare

Henry Knuddi

vergnügungreise EU

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