EU-Gipfel nimmt Abstand von verpflichtenden Flüchtlingsquoten

Frage der Flüchtlingsverteilung "Elefant im Raum"

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Das pikante dabei ist: Tusk selbst hat sich bereits im Vorfeld des Gipfels in einer Note an die EU-Mitgliedstaaten von Flüchtlingsquoten distanziert. Diese seien ineffizient und hätten nur zu einer Spaltung unter den EU-Staaten geführt, hieß es am Dienstag aus dem Umfeld Tusks. Gerade einmal 32.000 Flüchtlinge wurden bisher aus Italien und Griechenland auf andere EU-Länder umverteilt. Das sind weit weniger als die ursprünglich geplanten 160.000.

Der ehemalige polnische Regierungschef Tusk spricht aus, was gerade die Osteuropäer - und dabei vor allem die Visegrad-Staaten - schon länger fordern, nämlich ein Ende der verpflichtenden Flüchtlingsquoten. Im September hatte der EU-Gerichtshof (EuGH) die Entscheidung zur EU-Umverteilung von Flüchtlingen per Quoten bestätigt. 2015 waren dabei Tschechien, die Slowakei, Ungarn und Rumänien mit Mehrheitsbeschluss überstimmt worden, Finnland hatte sich enthalten. Mittlerweile hat die EU-Kommission die Slowakei, Tschechien und Polen vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) geklagt, weil diese Länder keine Flüchtlinge im Rahmen des Umverteilungsprogrammes ("Relocation") aufgenommen haben.

Tusks Absage an verpflichtende Flüchtlingsquoten verärgert die EU-Kommission, hatte doch deren Präsident Jean-Claude Juncker gemeinsam mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel vehement auf eine solche Lösung im Sinne der Solidarität gedrängt. In ungewöhnlich scharfer Form wies EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos Tusks Papier am Dienstag zurück. "Das Papier, das Tusk vorbereitet hat, ist nicht akzeptabel. Es ist antieuropäisch und ignoriert und leugnet alle Arbeiten, die wir in den letzten Jahren geleistet haben", empörte sich der EU-Kommissar. Aus Sicht der EU-Kommission ist die bisherige Umverteilung trotz der bescheidenen Zahlen ein Erfolg. "Mehr als 32.000 Menschen sind umgesiedelt worden, mehr als 90 Prozent aller, die einen Anspruch hatten", sagte Avramopoulos.

Die EU-Kommission betrachte sich selbst als "politische Kommission", sagte ein osteuropäischer Diplomat in Brüssel. Daher seien einige ihrer Vorschläge auch politisch motiviert. In so einem Kontext könne man nicht von Tusk erwarten, dass er "politisch neutral, ein politischer Hermaphrodit" sei. Es gebe keine Rechtfertigung dafür, ihn deshalb als antieuropäisch abzustempeln.

Die Frage der Flüchtlingsverteilung sei "der Elefant im Raum", sagte ein ranghoher EU-Diplomat am Mittwoch in Brüssel. Beim Gipfel sei eine "sehr lebhafte Diskussion" zu erwarten. Tusk will eine Einigung über die Reform des Dublin-Asylsystems in der EU bis Juni 2018 erzielen. Wie das klappen soll, ist auch erfahrenen Diplomaten nicht klar. Nach dem Gipfel werde es vor allem zwei Herausforderungen geben, erstens eine positive Stimmung unter den EU-Staaten beizubehalten, zweitens konkrete weitere Schritte für die Reform des EU-Asylsystems vorzubereiten.

"Wenn wir nichts tun, wird der Elefant im Raum noch größer", sagte ein EU-Diplomat. Die EU brauche trotz bestehender Differenzen unter den Mitgliedstaaten auf lange Sicht eine gemeinsame Migrationsstrategie. "Ansonsten wird das zu noch mehr Spaltungen führen."

Kommentare

Peter Lüdin

Die Visegrad-Staaten werden sich zu recht hüten wie Westeuropa massenweise kriminelle muslimische Flüchtlinge zu importieren.

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