EU der Konzerne?

Die Union werde von Konzernen geführt, lautet ein beliebter Vorwurf. Stimmt das?

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EU-Wahl - EU der Konzerne?

Fakt ist: Die Europäische Kommission, die das alleinige Recht auf die Ausarbeitung von Gesetzesinitiativen („Initiativrecht“) hat, verfügt im Vergleich zu nationalen Regierungen über eine relativ geringe Anzahl hauseigener Experten. Aus diesem Grund muss sie auf externe Berater zurückgreifen, die in sogenannten „Expertengruppen“ organisiert sind – insgesamt etwa 800 an der Zahl. Die Bandbreite der Aufgaben reicht hier von Fischfangquoten über Verkehrsplanung bis hin zur Bankenaufsicht – eben alles, was auf EU-Ebene geregelt wird.

Theoretisch setzen sich die Gruppen aus Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und der Zivilgesellschaft zusammen – praktisch dominieren aber die Vertreter aus Wirtschaft und Industrie. Und das deutlich. Erst im vergangenen November veröffentlichte die NGO „Alter-EU“ eine Studie, wonach etwa die Generaldirektion Besteuerung und Zollunion die Expertengruppen in ihrer Zuständigkeit zu 79 Prozent mit Lobbyisten multinationaler Konzerne und Wirtschaftsprüfungsfirmen besetzt hat. Vertreter der Wissenschaft stellen gerade drei Prozent der Berater, Gewerkschafter überhaupt nur ein Prozent.

"Geld regiert die Welt"

EU-Experte Schmidt relativiert dennoch. „Geld regiert natürlich die Welt und die Lobbyisten, die mehr Geld haben, sind besser aufgestellt“, resümiert er. Doch die EU sei bemüht, dieses Verhältnis zu verbessern. So gebe es etwa Förderungen, um zivilgesellschaftliche Interessensvertretungen zu stärken. Es existiert auch ein Transparenzregister für Lobbyisten in Brüssel – jedoch nur auf freiwilliger Basis. Das EU-Parlament trat zwar für eine verbindliche Teilnahme an dem Register ein, scheiterte damit aber an der Kommission.

Trotz allem sieht Schmidt das Problem „nicht so massiv und akut, wie es oft dargestellt wird“. Über die Annahme eines Rechtsaktes würden schließlich das Parlament und der zuständige Ministerrat entscheiden. Und die müssten sich am Ende des Tages auch vor den Wählern für ihre Entscheidungen rechtfertigen.

Staaten sind selbst auch Lobbyisten

Zusätzlich säßen auch in den nationalen Hauptstädten zahlreiche Lobbyisten, die - mangels nationaler Transparenzregister - häufig überhaupt nicht kontrolliert würden. Und schließlich wären die Mitgliedsstaaten häufig auch selbst Lobbyisten. Viele Gesetzesinitiativen würden auf Wünschen einzelner oder auch mehrerer Staaten basieren, die damit natürlich auch bestimmte Interessen verfolgen. Wie etwa der umstrittene und letztendlich wieder gekippte Vorschlag zum Verbot offener Olivenöl-Kännchen. Zwar veröffentlichte die Kommission nicht, welche Staaten sich diese Regelung wünschten, doch man kann davon ausgehen, dass große Olivenöl-Produzenten wie Griechenland, Spanien oder Italien hinter dem Vorschlag standen.

Schließlich gäbe es für Schmidt aber auch eine simple Lösung, um die derzeitige Situation zu verbessern, nämlich dem Europäischen Parlament das Initiativrecht zuzugestehen. Damit würde man sogar gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Nicht nur könnte dadurch dem Vorwurf der „Konzern-Union“ entgegengewirkt werden, gleichzeitig wäre es auch ein weiterer großer Schritt, um das Demokratiedefizit in der Union zu beenden.

Große Erwartungen

Der Lissabon-Vertrag habe in dieser Richtung schon vieles in die richtigen Bahnen gelenkt, so gebe es keine Entscheidung mehr, die die Parlamentarier nicht mitbeeinflussen würden. Das Recht zum Vorschlagen von Rechtsakten wäre ein weiterer wichtiger Puzzlestein auf dem Weg zu einer wirklich demokratischen Union.

Der Weg ist für Schmidt aber bereits jetzt der richtige. Doch man müsse auch realistisch bleiben. Einerseits werde erwartet, dass 28 Staaten mit teils stark unterschiedlichen Interessen rasch und effizient entscheiden. Andererseits rufe man nach viel mehr demokratischer Mitbestimmung. „Und das führt halt ziemlich an die Grenzen der Machbarkeit.“

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Kommentare

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Es werden sogar wissenschftliche Studien zugunsten der Wünsche von Konzernen verfälscht. Wissenschaft ist was die Konzerne diktieren.

http://auto.pege.org/2013/studie-frauenhofer.htm

christian95 melden

Wahltag ist Zahltag!
Nur wer Veränderung wählt bekommt auch Veränderungen!

Ein perfider Versuch die Wähler kurz vor dem großen Akt umzustimmen. "Hört doch auf kritisch zu sein, so schlimm ist es nicht" lautet die Botschaft dieses Artikels.

Doch immer mehr Leute wachen auf und erkennen wem die Politik wirklich dient.

The Brussels Business- Wer regiert die EU:
https://www.youtube.com/watch?v=-5DN7bBb1gU

Mario Monti spielte eine führende Rolle bei der Gründung der Spinelli-Gruppe einem Lobby-Verein, der das europäische Interesse über nationale stellt. Mitglieder bzw. Unterstützer sind folgende österr. EU-Abgeordnete:

Othmar Karas (ÖVP)
Josef Weidenholzer (SPÖ), Hannes Swoboda (SPÖ)
Ulrike Lunacek (GRÜNE)
Angelika Wertheim (BZÖ)

Die EU im Griff der Goldman-Sachs-Lobbyisten.

ich sage nur glühbirne, welche beiden herren sind denn da in der kommision gesessen? die vorstände der beiden grössten leuchmittelhersteller. ihr teuren sparlampen und ledbirnen kauften ihnen kein mensch ab und was mach ma dagegen? wir machen es zum gesetz, eine sauerei allererster güte

Bei allem Respekt vor Herrn Schmidt, aber ich sehe das Problem sehr wohl massiv und akut, denn überall setzt in der EU die Industrie Ihre Interessen gegen die der Bürger durch, Konzernmächte denen das Staatliche hilflos gegenübersteht. Und anstatt, dass die verantwortlichen Manager wegen Mogelpackungen, geplanter Obsoleszenz, wegen hohen Herbizidwerten in Nahrungsmitteln u.ä. sich vor dem Kadi wiederfinden wirds zum state of the art. Aber den Bürger beglückt man mit schlechtem Licht (da verdient wer) und einem eigenen Tröpferlbad ( da verdient auch wer), denn frei darf nur die Gier sein und das Privatleben wird durchreguliert.
Und mit dem geplanten Freihandelabkommen gehts weiter in dieselbe Richtung, aber Priorisierung vom Konzerninteressen hamma schon genug durch die trottelige Übernahme amerikanischer Patent- und Copyrightvorstellungen, wenn man allein an die irre Situation denkt, dass beim Saatgut die alten Sorten vor dem Aus standen, weil biologische Trotteln ihren Dreck anbringen wollten, Lobbyisten verdienten und Amtsträger ihre Sitzgelegenheit im Dunkeln nicht finden konnten, möchte man mit einem nassen Fetzen nach Brüssel reisen. Das größte Übel in der EU ist, dass man jede Idiotie durchbringt für die lokale Politiker mit Fackeln und Mistgabeln Bekanntschaft machen und es deshalb unterlassen würden. Fest steht für mich weiter, dass dieses Gebilde nicht in der Lage ist, Konzernen die nötige Kandare ins Maul zu legen sondern im Gegenteil den rechtlichen Maulkorb immer weiter lockert.
Ein Europa der Konzerne? Ein Europa der Konzerne.

Oliver-Berg

Die Konzerne, die die EU am meisten regieren sind laut Insidern und Medienleuten:

- Finanzbranche (vor allem Banken und der Lobbys)
- Agrarbranche (anders ist das wahnwitzige Fördersystem ja nicht zu
erklären)
- Health Care (Pharmafirmen)

Das die Politik uns die Bankenrettungspakete als EURO-Rettungsschirm verkauft hat, sagt eigentlich alles.

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