Brexit bis 31. Oktober verschoben

EU und May einig: Sechs Monate mehr Zeit für Suche nach Lösung

Die EU und Großbritannien haben sich beim Sondergipfel in Brüssel auf eine Verschiebung des Brexit um sechs Monate geeinigt. EU-Ratspräsident Donald Tusk teilte in der Nacht auf Donnerstag im Kurzbotschaftendienst Twitter mit, beide Seiten hätten sich "auf eine flexible Verlängerung bis zum 31. Oktober" verständigt.

von EU-Austritt - Brexit bis 31. Oktober verschoben © Bild: Tolga AKMEN / AFP

"Dies gibt dem Vereinigten Königreich sechs weitere Monate, um die bestmögliche Lösung zu finden." In einer anschließenden Pressekonferenz appellierte Tusk an die Briten. Die Frist sei "ausreichend, die bestmögliche Lösung zu finden. Bitte verschwenden Sie diese Zeit nicht".

May verteidigt Einigung

Auch die britische Premierministerin Theresa May verteidigte die Einigung. Großbritannien müsse die EU so schnell wie möglich mit einem Abkommen verlassen, sagte sie nach den Gipfelberatungen. Wenn die Vereinbarung vor dem 22. Mai ratifiziert werde, müsse das Königreich nicht mehr an den Europa-Wahlen teilnehmen. Die Wahl findet in Europa vom 23. bis zum 26. Mai statt.

May fügte hinzu, sie wolle sich weiter dafür einsetzen, eine Mehrheit für den Brexit-Vertrag in London zu organisieren. Sie wolle erneut im Unterhaus sprechen und auch die Beratungen mit der oppositionellen Labour Party fortsetzen. Sie wolle aber nicht so tun, als ob die kommenden Wochen einfach werden würden, ergänzte May.

Kurz: Kompromiss

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bezeichnete die Gipfeleinigung als Kompromiss. Er betonte, durch die Fristverlängerung bis Ende Oktober sei ein ungeordneter Austritt, der "wahrscheinlich enorme negative Auswirkungen für uns alle und vor allem für die Wirtschaft bedeutet hätte", verhindert worden. Die Kehrseite sei, dass Großbritannien nun "aller Voraussicht nach" an der EU-Wahl teilnehmen werde.

Ungeregelter Brexit hätte schwerwiegende Folgen für Bürger

Ohne die Einigung auf eine Verschiebung hätte am Freitag ein ungeregelter Brexit mit schwerwiegenden Folgen für Bürger und Wirtschaft gedroht. Die "flexible" Verschiebung bedeutet nun, dass die Briten auch früher austreten könnten - etwa wenn das britische Unterhaus das mit der EU ausgehandelte Austrittsabkommen doch noch annimmt.

Eigentlicher Austritt für 29. März geplant

Großbritannien hätte eigentlich schon am 29. März aus der EU austreten sollen. Doch das britische Parlament hat den mit der EU ausgehandelten Austrittsvertrag bereits drei Mal abgelehnt. Das Brexit-Datum wurde deshalb bereits einmal auf den 12. April verschoben. May hatte dann eine weitere Verschiebung auf den 30. Juni beantragt. Sie stimmte schließlich beim Gipfel in Brüssel dem Vorschlag der anderen EU-Staaten zu, den Brexit bis zum 31. Oktober zu verschieben. Beim EU-Gipfel im Juni soll dann über die Fortschritte beraten werden.

Einige Staaten hatten sich eine kurz Frist gewünscht, um mögliche Obstruktionen zu verhindern. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wandte sich dagegen, die Frage des Verhaltens von britischen EU-Abgeordneten nach der Teilnahme an den Europawahlen zu überschätzen. Man sollte "das Ganze etwas dedramatisieren". Viele Entscheidungen, wie die Ernennung des EU-Rats- und des EU-Kommissionspräsidenten, würden mit qualifizierter Mehrheit gefällt. "Also die britischen Möglichkeiten, unsere Entscheidungen zu blockieren, sind ohnehin sehr begrenzt", meinte Juncker.

Vor allem Frankreich hatte sich für eine kurze Verlängerung ausgesprochen. In Bezug auf die Fristverschiebung des EU-Austritts Großbritanniens habe es unterschiedliche Ansichten gegeben, sagte Präsident Emmanuel Macron. Aber ein Kompromiss sei erzielt worden. May glaubt nach Darstellung Macrons daran, dass sie im britischen Parlament eine überparteiliche Einigung erzielen kann. Dies habe die europäischen Staats- und Regierungschefs schließlich überzeugt, sagt er.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel begrüßte die Einigung. Ein geordneter Austritt könne am besten dadurch gesichert werden, dass Großbritannien mehr Zeit bekomme. "Um gerade auch den britischen Entscheidungsmöglichkeiten Raum zu geben, ist es eine gute Entscheidung, die wir heute getroffen haben."

Der irische Premierminister Leo Varadkar erklärte, Großbritannien müsse nun an den Europawahlen Ende Mai teilnehmen. Ansonsten müsse das Land die EU zum 1. Juni "ohne Deal" verlassen.

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