Eurovision Song Contest:
So wird das zweite Halbfinale

Der News.at-Check: Geringe Anzahl an Tops unter einer Masse an Flops

Heute Abend geht das zweite Halbfinale des Eurovision Song Contests 2015 über die Bühne, um die restlichen zehn Finalisten für Samstag zu fixieren. Mit Schweden ist der große Favorit und mögliche ESC-2015-Sieger unter den 17 Teilnehmern der heutigen Show. Dennoch kann kein Beitrag voll und ganz überzeugen. Was dennoch sehenswert bzw. zumindest sehenswerter als der Rest ist, lesen Sie hier.

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    Die ESC-Moderatorinnen Arabella Kiesbauer, Mirjam Weichselbraun und Alice Tumler.

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    Conchita Wurst während des zweiten Halbfinales.

Wer es heute Abend nicht rechtzeitig zum Public Viewing oder nach Hause vor das TV-Gerät schafft, sollte sich davon nicht stressen lassen. Das zweite Halbfinale des Song Contest 2015 ist fernab jeglicher fulminanter Eröffnung. Im Gegensatz zum ersten Halbfinale, wo es bereits mit Startnummern drei und fünf (Belgien und Finnland) zwei Highlights zu sehen gab, dauert es heute Abend bis Startnummer sechs, mit der ein erster Lichtblick Grund zur Hoffnung gibt.

© Video: APA

Ein gähnend langer Start

Davor wird mit Zuckerpop aus Litauen eröffnet. Das Duo Monika Linkyte und Vaidas Baumila bieten mit „This Time“ eine Teenie-Show à la Katy Perry inklusive Zuckerlfarben-Lichteffekte, die allerdings mit dem letzten Ton auch schon wieder in Vergessenheit geraten ist. Im letzten Punkt ähnlich folgt mit Startnummer zwei, Irland. Molly Sterling zeigt in ihrer ruhigen Klaviernummer, dass sie zwar keine Allerweltsstimme hat, aber dennoch fehlt dem Song „Playing Numbers“ jeglicher Catch oder Höhepunkt. Die Hoffnung auf eine eingängige Popnummer steigt bei dem dritten Beitrag des Abends, San Marino. Hier saß Eurovisions-Altmeister Ralph Siegel am Komponistenstuhl. Doch die Hoffnungen schwinden schnell. Die jüngsten Teilnehmer der Veranstaltung bieten eine gefühlsduselige Nummer dar, die zwischen Popsong und Ballade changiert und ebenfalls nicht hängen bleiben mag. Hinsehen werden hier die Zuschauer allerdings, weil die projizierte Weltkugel im Hintergrund fälschlicherweise suggeriert, man wäre bei der „Zeit im Bild“ gelandet.

Flankiert wird San Marino von einer schwülstigen (Montenegro) und einer beliebigen (Malta) Ballade, die beide nicht weiter erwähnenswert sind.

Erster Lichtblick...

Erst Norwegen schafft es als sechster Starter ein wenig Licht ins musikalische Dunkel zu bringen, wenn auch nicht mit voller Watt-Stärke. Dennoch gleicht die Ballade von Mörland und Debrah Scarlett, die an eine Arie jeglicher bösen Figur aus einem beliebigen Disney-Film erinnert, einem Ohrenschmaus im Gegensatz zu allem bislang Dargebotenen.

...gefolgt von musikalischer Dunkelheit

Nach dem norwegischen Beitrag lässt sich wieder gut eine Pause einschieben, um das erste Bier aus dem Kühlschrank oder von der Bar zu holen, denn Portugals schwarzer Engel der futuristischen Cyberstadt präsentiert einen miesen Popschlager seiner wenig klingenden Muttersprache, bevor auch die tschechischen Teilnehmer jede Hoffnung zunichte machen, dass Rockmusiker bei dieser Veranstaltung mit wahrhaftiger Musik auftrumpfen würden. Schade, denn von der Die Happy-Sängerin Marta Jandova und ihrem Partner Vaclav Noid Barta (mit hervorstechender Stimme) hätte man mehr erwarten dürfen. Die typische Song-Contest-Schnulze fällt so aber leider unter die Kategorie "verschenktes Potenzial".

Aufwachen!

Aufgeweckt wird das Publikum endlich mit Beitrag Nummer neun: Israel. Auch wenn „Golden Boy“ ein ESC-affines Balkan-Techno-Gehopse ist, so bietet es zumindest Abwechslung nach den gähnenden Balladen davor. Und die güldenen Schühchen bescheren Nadav Guadj auf jeden Fall ein paar Sympathiepunkte. Es ist auch gut, dass das Publikum nun wach geworden ist, denn Lettland ist es, das sich musikalisch an dem Abend erstmals wirklich aus der Masse an Beliebigkeiten hervortut. Wirkt der Auftritt von Aminata Savadogo im ersten Moment optisch wie auf Conchita Wurst getrimmt, so ist der musikalische Ansatz ein gänzlich anderer. Wie eine esotherische Björk bietet die große Stimme aus Lettland einen schön reduzierten Song, der auf den üblichen Pathos verzichtet – und damit punktet. Der vielleicht beste Auftritt des Abends.

Leider geht es in dieser Tonart aber nicht weiter: Aserbaidschan präsentiert eine Ballade - optisch untermalt mit Gollum-Tänzern -, die zwar ein richtiger Schmachtfetzen ist, aber immerhin besser funktioniert als manch andere an diesem Abend, bevor Island seine barfüßige Ballerina ins Rennen schickt, die visuell besser zum Kiddy Contest denn hierher gepasst hätte. Maria Olafsdottir trägt mit ihrer radiotauglichen Popnummer zwar auf, aber immerhin nicht allzu dick.

Was kann der große Favorit?

Mit Startnummer 13 geht der große Favorit dieses Abends und des gesamten Song Contests ins Rennen: Mans Zelmerlöw soll, geht es nach den Buchmachern, „diesen Schas“ heuer für Schweden gewinnen. Nett ist auf jeden Fall der Showeinfall, den realen Sänger mit fiktionalen Strichmännchen interagieren zu lassen. Der Song „Heroes“ ist eine eingängige wie beliebige Popnummer, die dieser Tage in sämtliche gängigen, belanglosen, Radioprogramme passen würde (und vielleicht wird). Es ist bestimmt nicht der beste Song des Bewerbs, aber diese führen in der Regel ohnehin nicht zum Sieg.


Hat man seine menschlichen Bedürfnisse aufgrund der Tatsache, mit Schweden einen möglichen Gesamtsieger zu verpassen, bislang zurückgehalten, ist die Schweiz ein guter Zeitpunkt, diesen nun nachzugeben. Fader Pop, mehr gibt es dazu leider nicht zu sagen.

Nettigkeiten zum Abschluss

Mit Zypern und Slowenien folgen dann dennoch zwei ganz nette Nummern, die an diesem Abend ohnehin rar gesät sind. Einen ruhigen Akustiksong gibt es von Giannis Karagiannis, der zwar ein wenig weihnachtliche Stimmung verbreitet, aber dennoch in der oberen Kategorie angesiedelt ist. Ebenso wie der darauffolgende slowenische Beitrag: eine mehr als passable, eingängige Popnummer, bei der gern das Tanzbein geschwungen würde. Schön ist daran auch die darbietende Stimme, die sich prägnant aus dem hohen Einheitsbrei-Geträller abhebt.

Wer es danach schon eilig hat, ins Bett oder nach Hause kommen, kann diesen Wünschen nun ohne schlechtes Gewissen nachgeben. Den Abschluss eines leider recht Höhepunkt-losen Abends bietet Polen das sich in diese Reihe brav eingliedert.

Die Startreihenfolge für das 2. Halbfinale:

  1. Litauen
  2. Irland
  3. San Marino
  4. Montenegro
  5. Malta
  6. Norwegen
  7. Portugal
  8. Tschechien
  9. Israel
  10. Lettland
  11. Aserbaidschan
  12. Island
  13. Schweden
  14. Schweiz
  15. Zypern
  16. Slowenien
  17. Polen

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