"Klein, große Brille - aber lustig"

Anfangs war er völlig verunsichert. Um Anerkennung zu bekommen, spielte er den Clown. Mit Erfolg. Denn plötzlich ist Peter L. Eppinger Politiker.

von Politik - "Klein, große Brille - aber lustig" © Bild: News/Herrgott
Peter L. Eppinger Der am 31. Jänner 1975 geborene Wiener gehörte zu den beliebtesten Stimmen von Ö3, moderierte den "Wecker", das Astro-Format "Sternstunden" und später im TV "Wien heute". im Jahr 2017 verließ er den ORF, um als Sprecher von Sebastian Kurz zu arbeiten. Eppinger war für den Dialog mit den Wählern und für die Auftritte des Kanzlers zuständig. Nun zieht er mit 1.428 Vorzugsstimmen als ÖVP-Gemeinderat ins Wiener Rathaus ein.

Herr Eppinger, erst waren Sie Ö3-Moderator, dann eine Art Einpeitscher und Stimmungsmacher für Sebastian Kurz
...und nun wissen Sie endlich, wofür das L in meinem Namen steht: für Landtagsabgeordneter. Innenminister Nehammer, wie ich ein g'standener Wiener, hat mich noch am Wahlabend angerufen und gesagt: "Petaaa, jetzt bist a Politikaaa." Dann haben wir uns beide gefreut.

Was interessiert Sie denn nun realpolitisch?
Ich fand zeit meines Lebens, dass der Verkehr in dieser Stadt schlecht geplant ist. Da möchte ich mich unbedingt einbringen.

Was fahren Sie denn für ein Auto?
Einen kleinen SUV - ich bin, obwohl ich wie viele andere auch gerne an der frischen Luft bin, immer schon gerne Auto gefahren. Es ist nun einmal nicht meine Lebensrealität, dass ich in Wien mit dem Fahrrad fahre, eher mit dem Roller. Aber ich erkenne an, dass das wichtig ist. Falsch ist hingegen, wie die Stadt die verschiedenen Verkehrsteilnehmer gegeneinander ausspielt: Wenn man sich dazu entscheidet, Radfahrer zu sein, muss man automatisch gegen die Autofahrer sein und umgekehrt. Zudem herrscht da ein Verdrängungswettbewerb, wegen völlig undurchsichtiger Parkpickerlverordnungen schieben die Bezirke einander die Autos und die Autofahrer hin und her. Man kennt sich nicht aus, wo man wie lange stehen kann, dann wiederum gibt es Einkaufsstraßen, wo du trotz Parkpickerl nur eingeschränkt stehen darfst -das ist für mich alles nicht richtig durchdacht. Ich behaupte ja nicht, dass ich sofort eine Lösung parat habe - aber die, die sich bisher darum gekümmert haben, betrieben viel zu viel Klientelpolitik.

Wie wurden Sie eigentlich politisch sozialisiert?
Ich habe genau zweimal gesehen, wie mein Vater vor dem Fernseher geschrien hat: Das war einmal, als der Gerhard Berger in Imola seinen Feuerunfall hatte. Und einmal, als SPÖ-Präsidentschaftskandidat Kurt Steyrer in einer Umfrage vor Waldheim lag. Da wusste ich zwar nicht genau, worum es ging, sah aber, wie extrem emotionalisierend Politik ist und was sie in Menschen auslöst.

Immerhin war Waldheim der letzte weltbekannte ÖVP-Politiker vor Kurz.
Und der war leider für die falschen Dinge berühmt.

Dennoch kommen Sie aus einem tiefschwarzen Elternhaus?
Mein Vater war klassischer ÖVP-Wähler, aber ich hatte in meiner Jugend wenig Möglichkeit, mit ihm darüber zu sprechen. Er war halt nicht da. Aber mein Großvater war lustigerweise Sozialist. Wenn der noch leben würde, wäre er -um es diplomatisch zu formulieren - überhaupt nicht begeistert von dem, was ich nun mache.

Umso begeisterter sind Sie selbst: Sie betonen immer wieder, dass Ihr Wechsel in die Politik in erster Linie "das Bekenntnis zu einem Menschen war, für den Sie sich bewusst entschieden hätten".
Ja, ich habe mich bewusst dafür entschieden, Sebastian zu unterstützen, mit ihm wollte ich, mit ihm will ich zusammenarbeiten.

»Ich liebe meine Frau, ich liebe meinen Sohn, ich liebe meine Familie - und ich mag den Sebastian«

Das ist aber schon sehr pathosschwer - wird da Ihre Frau nicht manchmal eifersüchtig?
Ich liebe meine Frau, ich liebe meinen Sohn, ich liebe meine Familie -und ich mag den Sebastian. Ich gehöre zu jener großen Gruppe von Menschen, die sich, wenn sie wählen, nicht zuallererst für eine Partei interessieren, sondern eher für die Menschen, die dahinterstehen. Wer ins Stadion geht, mag vielleicht Rapid oder Austria, findet aber den Kapitän auch ganz gut. Oder den Stürmer. Und mag den Verein vielleicht genau wegen dieser Menschen. So in etwa war es bei mir. Bis der Sebastian gekommen ist, war ich klassischer Wechselwähler.

Aber dieses Momentum der Bewunderung
...das wird mir vielleicht nachgesagt.

Ist das die Bewunderung eines Edelgroupies?
Das würden Sie so sagen?

Gibt es denn irgendetwas an Kurz, das Sie nicht bewundern oder wo Sie anderer Meinung sind?
Wir sind immer wieder mal anderer Meinung. Ich fand es nicht gut, in den Koalitionsverhandlungen mit der FPÖ beim Raucherthema nachzugeben - nein, das fand ich sogar ganz furchtbar. In einer Partnerschaft findest du dein Gegenüber auch nicht immer zu 100 Prozent super, aber zu einem Großteil hoffentlich schon. Und so ist das auch bei meinem Arbeitgeber.

Ein Alleinstellungsmerkmal des Politikers Eppinger scheint zu sein, dass er sich des Gefühlsmoments nicht geniert?
Ja, aber jede Freundschaft, jede Beziehung hat doch letztendlich mit Gefühlen zu tun. Entweder man hat ein gutes Gefühl oder ein schlechtes -Entscheidungen, auch politische, aus dem Bauch heraus finde ich nie schlecht. Ich bin mittlerweile alt genug, um zu wissen, wann ich meinem Bauch vertrauen kann und wann nicht.

Wäre Politik ohne Kurz für Sie denkbar, angenommen, wer anderer wäre der Chef?
Sagen wir so: Wenn immer mehr Menschen bereit wären, Politik anders zu machen als früher, so, wie es eben Sebastian Kurz macht - warum denn nicht? Ich sehe halt nur leider nicht so viele, die so respektvoll mit anderen umgehen wie Sebastian und sein Team.

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Sie waren als Teenager Gruppenleiter bei der Jungschar - waren auch Sie schon in jungen Jahren ein Leader?
Poahh, was ist ein Leader?

Jemand, der, wie jetzt Ihr Chef, den Weg vorgibt.
Nein, das war ich nicht. Es hat ganz lange gedauert, bis ich zu meinem Selbstbewusstsein gefunden habe. Ich war immer der Kleinste, sehr schmächtig, zudem ein Scheidungskind, in meiner Familie gab es wenig Zeit für mich -es war also nicht so viel Aufmerksamkeit für mich da, und meine Selbstachtung war ganz schön angekratzt. Ich hatte lange Haare, eine große Brille, also Rundumsicht. Aber -ich war, glaube ich, ganz lustig. Und da habe ich gemerkt: Wenn ich lustig bin, dann bekomme ich durch mein Gegenüber Aufmerksamkeit und werde dadurch anerkannt. Ich habe relativ rasch überrissen, dass, wenn ich Aufmerksamkeit brauche, ich mir die holen muss und nicht automatisch bekomme.

Die Notwendigkeit der Show, der Unterhaltung zur Selbstbehauptung?
Zur Selbsterhaltung vielleicht sogar. Hast du erst die Aufmerksamkeit deines Gegenübers, egal ob Mutter, Vater, Schwester, Kollegen oder letztendlich Wählerinnen und Wähler, dann ist einmal die Tür offen, dann geht man rein und beginnt eine Beziehung oder ein Gespräch. Am Beginn eines Kennenlernens ist ja so vieles möglich, von Zuneigung und Bewunderung bis Skepsis und Hass alles. Und ich liebe diese Momente, wo sich zeigt: Was ist zwischen uns beiden möglich?

Was für einen Politiker ja durchaus von Vorteil ist.
Die Zeiten des Wahlkampfs sind für mich im Grunde keine anderen als sonst, im Grunde hörst du nie auf wahlzukämpfen. Du wirbst um Vertrauen, das du in Form einer Zahl ausgesprochen bekommst, und das willst du dann auch behalten: Politik, das ist permanenter Wahlkampf, twenty-four seven.

So sieht das wohl auch Kurz. Erklären Sie mir bitte als gelernter Unterhalter und Kommunikator: Warum muss der denn rund um Corona gar so oft auftreten, obwohl das rein formal die Sache des Gesundheitsministers und der Experten wäre?
Ich höre ganz oft: "Na, wo sind denn die Toten jetzt, von denen der Kanzler gesprochen hat?" Dann erzähle ich vom Präventiv-Paradoxon: Du warnst zu Recht und eindringlich vor etwas, das eintreten wird, so du keine Maßnahmen ergreifst. Dann ergreifst du Maßnahmen, und das, wovor du gewarnt hast, tritt nicht ein -und alle fragen: "Na, was ist denn jetzt?"

Jetzt für Laien - was ist der fundamentale Unterschied zwischen dem Präventiv-Paradoxon und Panikmache?
Wieso Panikmache? Ich glaube, dass man den Menschen den Ernst der Lage klarmachen muss. Und -die Lage ist ernst. Ich kenne zwei Handvoll Menschen, die Corona hatten, da ist alles dabei von "War wie eine harmlose Grippe" bis "Ich kann noch immer nicht Stiegen steigen, weil ich keine Luft bekomme". Und ja, ich kannte auch Menschen, die an Corona verstarben. Viele Menschen in meinem Umfeld haben zwar meist nur leichte Symptome, ein bisschen Husten, ein bisschen Fieber, dann ist's vorbei, und auch die fragen sich: "Aha, und das ist jetzt also, wovor alle warnen?" Schön und gut, wenn deren Immunsystem so damit zurechtkommt -aber was ist mit den anderen? "Der oder die wäre ja sowieso gestorben!" - Sätze wie diese halte ich nicht aus. Was wir gerade erleben, ist eine Art Charaktertest: Wie solidarisch möchtest du dein Leben gestalten? Auf was bist du bereit, aus Rücksicht zu verzichten? Natürlich geht auch mir das alles im Alltag wahnsinnig auf die Nerven, wie gerne würde ich meine Mama endlich wieder umarmen! Aber ich tu's nicht.

Verstehen Sie als angehender Wiener Kommunalpolitiker bis zu einem gewissen Grad die jungen Menschen, die am Donaukanal oder im Prater abfeiern?
Natürlich, auch wenn das nur eine Minderheit ist, die halt die Schlagzeilen dominiert. Die vielen anderen versäumen aus Vernunft etwas, und das tut mir enorm leid für sie. Ich hoffe, dass sie es nachholen können. Zwischen 15 und 25, das ist ja eine ganz wichtige Phase, wo man ganz viel ausprobiert und kennenlernt, seine Grenzen auslotet.

Hatten Sie mit den Partykids von heute denn je etwas gemein? Waren Sie als Teenager ein wilder Hund?
Ich glaube, ich wäre es gerne gewesen, habe mich aber nie getraut. Ich musste in meinem Leben sehr früh erwachsen sein und Verantwortung übernehmen, um für Menschen in meiner Familie als Beistand da zu sein. Daher habe ich in meinem Leben wahrscheinlich vieles ausgelassen.

Waren Sie eigentlich jemals für die Legalisierung von Marihuana?
Wo kommt denn diese Frage auf einmal her?

Nun, Sie sprachen soeben von der Wichtigkeit jugendlicher Grenzerfahrungen.
Damit habe ich mich nie beschäftigt. Ich habe versucht, zu rauchen, aber nicht einmal das wurde was -erinnern Sie sich noch an die Zigarettenmarke Casablanca? Da ging ich damals paffend mit dem schwarzen Mantel meines Vaters in die Tanzschule, der Mantel, den er nach der Scheidung dagelassen hat. Er war mir viel zu groß, aber ich habe ihn getragen.

»Neulich las ich auf Twitter: "Ich habe meinen Freund mit dem kleinen Schwarzen überrascht." - "Was? Mit dem Eppinger?"«

Und von da an waren Sie ein Man in Black?
Neulich habe ich zufällig auf Twitter gelesen, wie eine Userin postete: "Ich habe meinen Freund mit dem kleinen Schwarzen überrascht." Und jemand anderer kommentierte: "Was? Mit dem Eppinger?" Für Twitter gar nicht so unlustig.

Wie würden Sie sich gesellschaftspolitisch einordnen - als christlich-sozial?
Das passt ganz gut. Das bedeutet, dass ich gewisse Werte wie Nächstenliebe und Respekt hochhalte. Ich halte auch den Wert der Familie hoch, finde es richtig gut, wenn man Familie lebt und liebt.

Die klassische Familie, das ist also Mann, Frau, Kinder?
Die klassische Familie -das sind Menschen, die zusammenleben und sich gern haben.

Und was soll an Ihrer künftigen Politik christlich-sozial sein?
Mich würde freuen, zu einer breiten Allianz für eine respektvolle Politik beizutragen, egal aus welchen Parteien wir kommen und wofür wir sind. Wenn wir das schaffen, wäre eine meiner größten Missionen erfüllt.

Also primär die Mission Weltfrieden?
Ich möchte das nicht ins Lächerliche ziehen. Nur weil andere nicht respektvoll miteinander umgehen, möchte ich nicht aufhören, diese Forderung wie ein Mantra vor mir herzutragen, weil sie mir wirklich wichtig ist. Einer meiner besten Freunde ist der Thomas, und der ist Bezirksrat der SPÖ Donaustadt -und wir sind seit 30 Jahren so eng befreundet, dass ich Taufpate seines Kindes bin.

Und was die Politik betrifft, so treffen Sie einander so konspirativ wie der schwarze und der rote Bezirksrat im "Kaisermühlen Blues"?
Nein, wir treffen uns nicht wie der Schoitl und der Gneisser nächtens auf der Brücke, sondern im Eiles oder im Blaustern. Dort streiten wir dann, um am Ende als Freunde auseinanderzugehen.

Das Interview ist ursprünglich in der Printausgabe von News (43/2020) erschienen.