"Ich habe oft ans Aufgeben gedacht"

Oscar-Preisträgerin Emma Stone im Interview: Ihr Erfolgsgeheimnis an die Weltspitze

Mit ihren 28 Jahren hat Emma Stone den vorläufigen Karrierehöhepunkt erreicht. Abgezeichnet hat sich der Aufstieg schon lang: Vor sieben Jahren war die frischgebackene Oscar-Preisträgerin schon reif für die erste Golden-Globe-Nominierung, vor drei Jahren folgte die erste Oscar-Nominierung. Die Enkelin schwedisch-deutscher Einwanderer steuerte stets mit entschlossenem Schritt der Weltspitze entgegen. Einen Plan B kannte sie nie, seit sie die Eltern überredete, zwecks Umsetzung des Traum von der Schauspielerei nach Los Angeles zu übersiedeln.

von Menschen - "Ich habe oft ans Aufgeben gedacht" © Bild: AFP or licensors

Gratulation zum Riesenerfolg von "La La Land". Abseits der vielen Preise, die Ihnen der Film gebracht hat: Wann wissen Sie, dass Sie herausragende Arbeit als Schauspielerin geleistet haben?
Wenn ich weiß, dass ich alles gegeben habe, mich wirklich geöffnet und nichts versteckt habe. Einer der Gründe, warum ich Schauspielerin werden wollte, war, dass ein Teil von mir sehr gehemmt und ängstlich ist und immer alles kontrollieren möchte. Dieser Beruf verlangt das Gegenteil von dir: Dass du verletzlich bist und dich wirklich hingeben kannst. Wenn ich spüre, dass mir das gelungen ist, bin ich beruflich zufrieden. Als Privatperson geht es mir gut, wenn ich Frieden mit mir selbst habe. Dann bin ich glücklich.

Im Film erleben Sie in der Rolle der aufstrebenden Schauspielerin Mia heftige Demütigungen bei Vorsprechen. Haben Sie derartiges selbst je erlebt?
Ja, vor allem die Szene, in der Mia zum zweiten Mal zum Vorsprechen gebeten wird, und dann sagt man ihr nach nur einem Satz: "Danke, das genügt!" Das habe ich einige Male erlebt. Vor allem in der sogenannten Pilot-Season, in der jede Woche Hunderte Vorsprechen für neue Serien stattfinden. Da sehen die Castingdirektoren jeden Tag so viele Schauspieler, dass sie schon, wenn du reinkommst, wissen, dass du sicher nicht die Richtige bist.

Sie sind im Alter von 15 Jahren nach Los Angeles gezogen. Was genau war damals Ihr Plan?
Ich wollte einfach zu möglichst vielen Vorsprechen gehen, um irgendeine Rolle zu ergattern. Ich hatte keinen langfristigen Plan. Dann war die Vorsprechsaison vorbei, und ich hatte keine Rolle bekommen. Und dann wurde ich nicht einmal mehr zu Vorsprechen eingeladen. Das war noch schlimmer, als nicht genommen zu werden. Damals fragte ich mich, ob ich nach Hause ziehen und es bleiben lassen sollte. Dann sah ich im Fernsehen eine Werbung für die Castingshow "In Search of the Partridge Family" und dachte: "Das probiere ich jetzt noch." Am Ende bekam ich die Rolle und traf jenen Mann, der heute noch mein Manager ist.

Wie konnten Sie Ihre Eltern von diesem Schritt überzeugen? Die meisten Eltern von 15-Jährigen, die nach Los Angeles ziehen wollen, um Schauspieler zu werden, ...
... würden sie in ihrem Zimmer einsperren! Aber in unserer Familie spielte da einiges zusammen. Zum einen war mein Vater von Anfang an sehr dafür. Ich bin zu diesem Zeitpunkt schon in 16 Theaterstücken am Jugendtheater auf der Bühne gestanden und war wirklich besessen von der Schauspielerei. Meine Mutter war zögerlicher. Aber meine Eltern haben beide schon die Erfahrung gemacht, plötzlich etwas Wichtiges zu verlieren, und haben daher diese "Carpe diem"-Mentalität. Sie haben mir von klein auf beigebracht: Wenn du einen Traum hast, dann arbeite dafür, dass er wahr wird. Sie haben mich auch finanziell unterstützt, und das war nicht selbstverständlich. Ohne sie hätte ich es definitiv nicht geschafft. Und sie ließen mich meine erste Filmrolle in "Superbad" spielen, obwohl die Dreharbeiten im Jahr meines Schulabschlusses waren, den ich dafür opfern musste. Dass es letztendlich mit dieser Karriere klappte, war eine Fügung vieler Faktoren. Die Rolle in "Superbad" bekam ich nur, weil die Castingdirektorin für den Film mich drei Jahre lang bei sehr vielen Vorsprechen immer wieder gesehen hatte. Nie war eine Rolle für mich dabei. Dann rief sie an und meinte: "Superbad" könnte etwas für dich sein. Dachten Sie, als so lange nichts klappte, je ans Aufgeben?

Gedacht habe ich schon daran. Ich habe es nur nicht getan. Ich dachte sogar mitten in Filmdreharbeiten: "Nach diesem Film werde ich nie wieder schauspielen. Ich bin einfach nicht dafür gemacht!" Ja, das habe ich öfter gedacht. Aber ich habe trotzdem weitergemacht. Und heute macht es mir mehr Spaß als je zuvor. Die vergangenen drei Projekte, "Cabaret"(Anm.: Stone spielte im Musical am Broadway die Sally Bowles), dann "La La Land" und zuletzt "Battle of the Sexes", waren drei unglaubliche Erfahrungen. Sie haben mir sehr viel Kraft gegeben.

Dabei hatten Sie nicht die besten Startbedingungen für Rollen, in denen Sie singen müssen. Sie haben Knoten auf den Stimmbändern, weil sie als Baby oft Koliken hatten. Die Knoten wollten Sie sogar operieren lassen.
Ja, aber ich habe diese Operation nie gemacht. Bevor ich in "Cabaret" auftrat, nahm ich wirklich viel Gesangsunterricht. Und ich wurde von einem wunderbaren, ganzheitlich agierenden Hals-Nasen-Ohren-Arzt betreut. Außerdem habe ich gelernt, mit meiner Stimme sorgsam umzugehen. Ich habe sie zwar trotzdem hin und wieder verloren, aber irgendwie habe ich es immer hingekriegt.

Damien Chazelle, der Regisseur von "La La Land", wollte es zu einem besonders lebensnahen Musical machen. Wie anders hat sich das angefühlt im Vergleich zu einem Klassiker wie "Cabaret"?
Total anders. Sally Bowles ist eine Kokssüchtige, und Mia in "La La Land" nimmt keine Drogen! Mia trinkt auch nicht so viel Gin wie Sally. Im Ernst: Natürlich ist es anders, vor einer Kamera als auf einer Bühne zu stehen. Auf der Bühne brauchst du besondere Energie, damit du auch das Publikum in der letzten Reihe erreichst. Andererseits musst du darauf vertrauen, dass das Publikum auch ganz hinten deine Leistung mitbekommt, denn du weißt es ja nicht. Vor der Kamera wiederum konzentrierst du dich viel stärker auf dich und darauf, den Ausdruck auf den Punkt zu bekommen, weil du weißt, wie sehr sie ins Detail geht. Das Schönste an den Filmvorbereitungen waren die Tanz- und Gesangsstunden. Ich habe mich wirklich bereit und stark dafür gefühlt.

Stimmt es, dass Sie drei Monate lang Tanztraining hatten?
Ja. Vor "Cabaret" waren es nur sechs Wochen. Aber für den Film mussten wir viel länger proben, damit auch jede Szene für die Ewigkeit bestehen kann. Am Theater hatte ich ja jeden Abend eine neue Chance, es besser zu machen. Beim Film ging das nicht.

In "La La Land" kämpft Sebastian mit der Entscheidung, ob er der Kunst treu bleiben oder den Kompromiss zu einer kommerziellem Tätigkeit wagen soll. War das in Ihrem Leben je ein Thema?
Im Beruf selbst nicht, aber in manchen Teilbereichen des Berufs. Bei der Auswahl der Filme, die ich drehe, versuche ich, mich nie danach zu richten, wie groß der Film ist, welches Studio ihn macht oder wie viel Budget er hat. Ich schaue wirklich nur auf die Rolle, auf die Geschichte, die erzählt werden soll, und wer der Regisseur ist. Je größer ein Film ist, desto mehr tendiere ich dazu, Angst vor der Umsetzung zu bekommen. Ich habe mich immer aus den richtigen Gründen für meine Projekte entschieden. Das heißt aber nicht, dass sich alle immer so entwickelt haben, wie ich gedacht habe. Ich bleibe trotzdem dabei, meinem Bauchgefühl zu vertrauen und jene Arbeit anzunehmen, die mich kreativ inspiriert.

In Ihrem nächsten Film, "Battle of the Sexes", verkörpern Sie die lesbische Tennisspielerin Billie Jean King. Inwieweit war das inspirierend?
Es war eine unglaubliche Erfahrung! Ich musste Tennisspielen lernen. Also bis zu einer gewissen Grenze meines Könnens natürlich. Ich hatte ein wirklich tolles Bodydouble, das Profispielerin ist. Deshalb habe ich versucht, nicht die Heldin zu sein, die möglichst alle Szenen selbst dreht, denn ich finde nichts schlimmer als Filme über Sportlegenden, in denen die Schauspieler den Sport nicht beherrschen. Aber ich habe mich bemüht, ihr Service und ihre Rückhand zu lernen und mit einem Holzschläger zu spielen. Diese Rolle ist so besonders, weil King eine Revolutionärin und eine legendenhafte Figur als Kämpferin für Gleichberechtigung ist. Der Film spielt 1973, als sie noch verheiratet war und ihr Coming-out noch vor sich hatte. Sie hatte damals gerade die Women's Tennis Association gegründet und kämpfte dafür, dass Frauen gleich viel bezahlt bekommen wie Männer. In dieses Thema einzutauchen, sich damit zu beschäftigen, war natürlich komplett anders als die Geschichte von "La La Land", aber deshalb auch so spannend.

Zur Person: Emma Stone wurde als Emily Stone in Scottsdale, Arizona, geboren. Die Enkelin schwedischer und deutscher Einwanderer zog im Alter von 15 Jahren nach Los Angeles, um Schauspielerin zu werden. Nach kleinen TV-Auftritten bekam sie in "Superbad" 2007 die erste Filmrolle. Ab dann ging die Karriere steil bergauf: Golden-Globe-Nominierung für "Easy A" (2010), Oscarnominierung für "Birdman" (2014), Golden-Globe-Gewinn, SAG-Award, Filmpreis von Venedig, britischer Filmpreis und Oscar für "La La Land".

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