Was genau passiert beim
Platinjubiläum der Queen?

Die Spekulationen verdichten sich seit Monaten. Zuletzt ließen sich sogar die Seriösen unter den britischen Medien hinreißen, die Frage zu diskutieren, ob der Rücktritt der Queen bevorsteht.

von Elizabeth II. - Was genau passiert beim
Platinjubiläum der Queen? © Bild: Victoria Jones - WPA Pool/Getty Images

Wie bereits 2012, als Queen Elizabeth II. ihr 60. Thronjubiläum feierte, befeuert auch diesmal ein besonderer Jahrestag die Gerüchte: Die Längstdienende aller Restmonarchen weltweit wird am 21. April stolze 95 Jahre alt. Dies wird wie jedes Jahr am zweiten Samstag im Juni mit der Militärparade "Trooping The Colour" gefeiert.

© Hulton Archive/Getty Images Am 6. Februar 1952 wurde Queen Elizabeth durch den Tod ihres Vaters automatisch Königin. Die Zeremonie fand nach einjähriger Planung am 2. Juni 1953 statt

Und dann steht gleich noch ein Jubiläum an: Zehn Monate nach ihrem 95. Geburtstag, am 6. Februar 2022, jährt sich die Krönung der Queen zum 70. Mal. Zwei Jubiläen einer hochbetagten Dame, die viele Hofberichterstatter als einmalige Gelegenheit interpretieren, den Thron Prinz Charles zu übergeben. Jenem Mann also, der seit 72 Jahren für diesen Job erzogen und ausgebildet wird. Jenem Mann, der schon so lange darauf wartet, seine Pflicht anzutreten, wie noch kein britischer Thronfolger vor ihm.

Vier Feiertage zum Jubelfest

An den Feierlichkeiten für das Platin-Jubiläum 2022, wohlgemerkt, wird längst gefeilt. Immerhin konzertierten zum goldenen Jubiläum 2002 Brian May, Paul Mc-Cartney und Eric Clapton für die Queen und ihre Fans. Zur diamantenen Feier 2012 traten u. a. Cliff Richard, Stevie Wonder, Lang Lang, Shirley Bassey und Robbie Williams vor dem Buckingham Palast auf. Die Platin-Feierlichkeiten im Juni 2022 müssen all dies übertrumpfen. Die britische Regierung hat bereits einen zusätzlichen Feiertag genehmigt, um ein viertägiges Spektakel zu ermöglichen. Die Prägung einer Gedenkmünze ist auf dem Weg, ebenso die Umbenennung einer Brücke.

Und Premierminister Boris Johnson hat alle Bürger aufgerufen, an der Aktion "Plant a Tree for the Jubilee" teilzunehmen und der Königin ein grüneres Land zum Jubeltag zu schenken. Wäre der kostensparende Gedanke, den neuen König da gleich mitzufeiern, da naiv und fern royaler Realität?

»Die Zeit der Königin ist vorbei«

Einer, der seit Monaten lautstark für einen bevorstehenden Rücktritt der Queen argumentiert, ist der Journalist Robert Jobson. Er berichtet seit dreißig Jahren über das Königshaus und hatte auch als Co-Autor des Bestsellers "Diana: Closely Guarded Secret", den er mit Lady Dis Ex-Bodyguard Ken Wharfe schrieb, Einblick in die royale Gedankenwelt. "Ich bin davon überzeugt, dass die Queen an ihrem 95. Geburtstag ihren Rücktritt verkündet", sagte er in der TV-Talk-Serie "The Royal Beat". Es wäre der logischste Schritt, nachdem sie dem Thronfolger in den vergangenen Jahren bereits viele ihrer mannigfaltigen Pflichten übertragen habe, so Jobson.

Das sagt Diana-Biograf Andrew Morton

Ein weiteres Argument findet auch Diana-Biograf Andrew Morton in den andauernden Schwierigkeiten, die durch die Covid-19-Pandemie verursacht werden. "Es ist sehr traurig, aber angesichts der Pandemie ist es für die Queen unmöglich, ihre Pflichten zu erfüllen. Es ist viel zu riskant, regelmäßig Menschen zu treffen, und diese Pandemie wird uns noch lange begleiten.

© POOL/AFP via Getty Images Prinz Charles ist 72, bald 16 Jahre mit Camilla verheiratet und längstdienender Thronfolger

Ihre Zeit als Königin ist damit vorbei", wagte Morton im Gespräch mit "The Telegraph" gewaltige Worte. Zumal, so Morton, Charles die Corona-Infektion bereits überstanden hat und mit Camilla als einer der ersten Royals wieder öffentliche Auftritte absolvierte.

Schlagzeilen machte darüber hinaus ein weiteres Indiz: Prinz Charles hat kürzlich den Pachtvertrag für seine 40 Hektar umfassende Farm nahe Highgrove in Gloucestershire nicht verlängert. Seit ein Sprecher von Clarence House dies offiziell bestätigte, halten Hofberichterstatter es für einen Hinweis, dass sich der Thronfolger damit den Terminplan für königliche Aufgaben freiräumt. Das Biobauern-Hobby, das er seit 35 Jahren mit Leidenschaft betreibt, hat in den Agenden eines Königs keinen Platz mehr.

Mehr Königin als Mutter

Sogar emotionale Argumente werden im britischen Königreich in die hitzig geführte Debatte eingebracht. Der royale Reporter von "Newsweek", Jack Royston: "Auch wenn es ihr schwerfällt, zurückzutreten, wird die Queen an den Punkt gelangen, an dem sie Prinz Charles fast alle Pflichten übergeben hat. Und wie kann man dann seinem Sohn in die Augen schauen und ihm sagen: Zum König mache ich dich trotzdem nicht?"

An diesem Punkt muss man den US-Journalisten freilich darauf hinweisen, dass hier von einer Frau die Rede ist, die den fünfjährigen Sohn einst nach ihrer Rückkehr von einer halbjährigen Rundreise durch die Commonwealth- Länder mit einem Händedruck begrüßte. Einer Frau, so geprägt vom Pflichtbewusstsein, dass sie dem Neunjährigen, der im Internat krank im Bett lag, nur einen Brief schrieb. Als er vier Jahre später mit Masern darnieder lag, war sie auf Dienstreise in Indien.

Die Sieben Anwärter auf den britischen Thron

© Mark Cuthbert/UK Press via Getty Images

1. Prinz Charles, 72

2. Prinz William, 38

3. Prinz George, 7

4. Prinzessin Charlotte, 5

5. Prinz Louis, 2

6. Prinz Harry, 36

7. Archie Mountbatten-Windsor, 1

Mit nur zehn Jahren wurde sie zur Thronfolgerin

Diese Frau leistete ihren Dienst an der Krone Jahre, bevor sie Mutter wurde. Elisabeth II. war zehn Jahre alt, als sie durch die überraschende Abdankung ihres Onkels zur Thronfolgerin wurde. Als Edward VIII. wenige Monate nach seiner Krönung vom Thron zurücktrat, erschütterte dies nicht nur das Empire, sondern vor allem die königliche Familie. Die älteste Tochter wurde fortan zur Regentin geformt, für die der Rücktritt des Onkels der Inbegriff des Grauens war. Vor diesem Hintergrund ist der Schwur zu verstehen, den sie am 21. Geburtstag -Jahre, bevor sie Königin wurde -für ihr Land leistete: "Ich erkläre hiermit, dass ich mein ganzes Leben, egal, wie kurz oder lang es dauern möge, in den Dienst an Ihnen und an unserer imperialen Familie stellen werde."

Das Zepter zu Lebzeiten an die junge Generation zu übergeben, mag in anderen Königshäusern modern geworden sein. Königin Beatrix überließ 2013 ihrem Sohn Willem-Alexander den niederländischen Thron. Juan Carlos von Spanien ließ ein Jahr danach seinen Sohn Felipe ans Ruder.

© Samir Hussein/WireImage/Getty Images Queen Elizabeth II., die dienstälteste Monarchin weltweit, mit ihrem Sohn Prinz Charles, längstdienender Thronfolger in der Geschichte des britischen Königreichs

Im britischen Königreich sei dies angesichts der Geschichte aber undenkbar, lautet das Hauptargument aller, die nicht an einen Rückzug der Königin glauben. Der royale Experte Richard Fitzgerald erinnert außerdem daran, dass die Queen als Oberhaupt der Kirche von England auch eine spirituelle Verpflichtung trage. "Sie ist eine zutiefst religiöse Person. Sie hat ewige Treue geschworen und dabei jedes Wort ihres Eids ernst gemeint", argumentiert Fitzgerald im "The Express".

König auf Raten

Eine Möglichkeit, auf die sich Befürworter wie Skeptiker einigen können, gibt es dann doch. Die Queen könnte den sogenannten "Regency Act" nutzen, um sich weitgehend von ihren Aufgaben zurückzuziehen. Der "Regency Act" bezeichnet eine Reihe von Gesetzen, mit denen das britische Parlament für den Fall vorgesorgt hat, dass der britische Monarch nicht mehr in der Lage ist, sein Amt auszuüben.

"Damit würde Charles zum Prinzregenten werden und hätte alle Befugnisse eines Königs außer den Titel", erklärt Joe Little, Autor des Handbuchs "The Royal Family Operations Manual" und Herausgeber des "Majesty Magazines". Der "Regency Act" kam in der Geschichte des britischen Königreichs nur einmal zur Anwendung: Damals übernahm im Jahr 1811 George, Prinz von Wales, die Amtsgeschäfte von seinem Vater, der geisteskrank geworden war.

Das Gesetz hat einen Haken

Letzteres ist der Haken an der vermeintlichen Lösung: Das Gesetz ist nicht zur Anwendung durch den Monarchen gedacht. Vielmehr müssen ein Gremium aus Vertretern des Parlaments und der Legislative sowie der Ehemann der Queen, Prinz Philip, das Gesetz zur Anwendung bringen. Das Gremium muss feststellen, dass die Queen amtsunfähig ist.

Es waren rund 300 offizielle Termine, die Queen Elizabeth II. im vergangenen Jahr absolvierte, und eine denkwürdige Rede an die Nation zur Corona-Krise. Diese Indizien versprechen, dass die Feierlichkeiten im kommenden Jahr unteilbar nur dem Jubiläum dieser Frau gelten werden.