Elfriede Jelinek:
Trump und der Super-GAU

Ihre Oper "Kein Licht" wurde uraufgeführt - im Oktober folgt ein Stück über Trump

Fukushima in der Oper: Elfriede Jelineks "Kein Licht" wurde bei der Ruhrtriennale uraufgeführt. Trump ist noch Kleindarsteller - im Oktober wird er Protagonist

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Nobelpreisträgerin - Elfriede Jelinek:
Trump und der Super-GAU

Der Fluch gegen den gefährlichen Verhaltensoriginellen kommt, wie immer per E-Mail, als gestochenes Wortkunstwerk in alter Rechtschreibung: "Eher laß ich mir die Hand abhacken", beantwortet Elfriede Jelinek das News-Ersuchen, sich zu Donald Trump zu erklären, "bevor ich zu diesem Geschöpf auch nur ein Wort sage (aber natürlich habe ich über ihn schon viele Worte verloren, die mir keiner zurückgeben wird). Es ist alles gesagt, und zwar von allen. Das letzte Wort wird er haben, fürchte ich."

Zuvor aber findet Trump, durchaus unverdient, Zutritt zur Kulturgeschichte: Im August wurde bei der Ruhrtriennale in Duisburg die Oper "Kein Licht" gezeigt. Der französische Avantgardekomponist Philippe Manoury verwandelt da in aufregender Komplizenschaft mit dem Regisseur Nicolas Stemann den gleichnamigen Theatertext der Nobelpreisträgerin in Musik und Geräusche.

"Kein Licht" für die Welt

Mit "Kein Licht", uraufgeführt 2011 in Köln, hatte Elfriede Jelinek auf die Atomkatastrophe von Fukushima reagiert. Nach Trumps atom- und klimapolitischen Endzeit-Eskapaden schrieb sie allerdings einen Zusatztext mit dem Titel "Der Einzige, sein Eigentum (Hello darkness, my old friend!)", der seitens der Ruhrtriennale bis zur Premiere unter Verschluss blieb. Beide Texte haben Manoury und Jelineks bevorzugter Regisseur Stemann nach bewährter Übung in Stücke geschlagen und fragmentarisch zu einer neuen Art Musikdrama zusammengefügt: Zwei Schauspieler - unter ihnen Burgtheater-Star Caroline Peters -, vier Sänger, vier Choristen und ein Foxterrier, dem eine Arie zugedacht ist, erfinden das Werk in jeder Vorstellung neu. Manoury komponierte Module, die während jeder Aufführung mittels Live-Elektronik spontan neu geordnet und von den hart geforderten Schauspielern in halber Improvisation wiedergegeben werden.

3.000 Liter Wasser umspülen das apokalyptische Geschehen, das in der ohrenbetäubenden Stille nach dem Super-GAU seinen Anfang nimmt. Die Protagonisten verkörpern zwei durch Raum und Chaos irrende Elementarteilchen, "A" und "B".

"Wir werden Kinder des Lichts und gleichzeitig Eltern des Lichts sein", sagt "A", das Elementarteilchen, das einmal Bestandteilchen eines Menschen war. "Wir werden Licht geben und Licht verwerten gleichzeitig. Wir sind die Kinder, die drinnen eingeschlossen sind und etwas durch den leuchtenden Türspalt hindurch reichen und dabei merken: Von uns kommt das Leuchten!, die draußen werden das schon merken." Der Glaube an die Beherrschbarkeit der Technik ist außer Kraft gesetzt, in Manourys Partitur hallen gespensterhaft die Schreie der Opfer von Fukushima. Was wie eine liturgische Totenklage beginnt, endet als Spektakel im Wahnsinn, sagt Caroline Peters.

Trump wird in der Aufführung nur am Rand, als Fortschreibung der Katastrophe mit noch groteskeren Mitteln vorkommen. Der Name falle kein einziges Mal, und welche Passagen aus dem Zusatztext zum Einsatz kämen, werde erst zur Premiere entschieden sein, fügt Elfriede Jelinek hinzu. Sie selbst wartet - wie immer zu Hause, da sie keine Öffentlichkeit erträgt - auf das Resultat, das ihr von den Beteiligten rapportiert wird.

Sehnsucht nach Musik

Mit der Uraufführung fand ein emotionales, auch schmerzhaftes Kapitel im Leben der Nobelpreisträgerin seine Fortsetzung: Elfriede Jelinek war seitens der Mutter als musikalisches Wunderkind konzipiert, kam mit 13 ans Wiener Konservatorium, studierte dort Orgel, Klavier, Blockflöte und Komposition.

Nachvollziehbar, dass ihr Schaffen immer wieder um Musik kreiste: Clara Schumann, der Ehefrau des unglücklichen Komponisten Robert Schumann, widmete sie ein Theaterstück, vom heiß geliebten Franz Schubert nahm sie den Titel des autobiografischen Textes "Winterreise", und Wagners "Rheingold" inspirierte ihren Theatertext "Rein Gold". Sie unternahm den Versuch, das verheerende Libretto der Schubert-Oper "Fierrabras" neu zu schreiben, und bearbeitete für die Komponistin Olga Neuwirth David Lynchs Film "Lost Highway". Mit der Österreicherin Neuwirth sollte sie auch eine Oper über einen als Kinderschänder verurteilten Kärntner Arzt schreiben. Doch sowohl die auftraggebenden Salzburger Festspiele als auch die Wiener Staatsoper, die einspringen wollte, scheuten sich vor der Radikalität des Librettos. Künstlerpech im Wortsinn: Wochen nach der Absage durch die Staatsoper wurde Elfriede Jelinek als Nobelpreisträgerin des Jahres 2004 bekannt gegeben. So ist "Kein Licht", die erste wirkliche Jelinek-Oper, also auch die Erfüllung eines Lebensprojekts.

Trump, das Stück

Ist Trump hier noch ein Kleindarsteller des Weltuntergangs, so gerät er alsbald als Protagonist ins Visier der Nobelpreisträgerin: Im Oktober wird am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg Elfriede Jelineks Theaterstück "Am Königsweg" uraufgeführt. Regie führt Intendantin Karin Beier, die schon am vorherigen Dienstort Köln "Kein Licht" aus den Fluten hob. Der Untertitel lautet "Der Bürger-King", und gemeint ist Donald Trump, der als groteske Trash-Figur vorgeführt wird. Auch dieser Text liegt unter strengem Verschluss, weshalb ihn die Theaterwelt mit entsprechender Begier erwartet.

Doch wurde im vergangenen März die Aufmerksamkeit auf eine halbszenische Lesung in New York gelenkt: Vor 70 Zuschauern wurden im kleinen Martin E. Segal Theatre (in Gehdistanz zum Trump Tower) Passagen in englischer Sprache vorgestellt. Eine Seherin - blind wie der greise Teiresias in Homers "Ilias", aber in Miss-Piggy-Adjustierung - versucht, die Entschlüsse des Bürger-Kings und ihre Auswirkungen auf die Zukunft zu ergründen. So kann man sich, aus dem Englischen rückübersetzt, ein Bild vom Bevorstehenden machen. Auch Trump ist blind, ein twitternder Borderliner, eine Showfigur mit Kunstgesicht ohne realmenschliche Substanz, die sich einen goldenen Aufzug in den Himmel bauen ließ. "Das Leben ist unerklärlich", klagt Seherin Piggy. "Sie haben gewählt und wissen nicht, wen sie gewählt haben, obwohl sie selbst gewählt haben." Und das realpolitische Resultat, jetzt, vor der fassungslosen Wählerschaft: "Kommt das aus seinem Gehirn oder ist es die Erfindung eines anderen?" Das Land? "Gespalten wie nie zuvor. Aber wo ist sein Spalt? Wir sind kurz davor, hineinzufallen, und wollen entweder hier sein oder dort, links oder rechts der Schlucht."

Und am Ende twittert der Präsident, gegen den die Option einer Revolution in den Raum gestellt wird: "Sobald ich wieder liquide bin, kaufe ich die Wahrheit oder lease sie - was immer der bessere Deal ist." Sicher ist: Er war der schlechteste Deal.

"Kein Licht": Thinkspiel statt Singspiel
Ein "Thinkspiel" - ein Gedankenspiel - nennt der namhafte französische Avantgardekomponist Philippe Manoury sein Werk "Kein Licht" nach dem Theaterstück von Elfriede Jelinek. Seine Partitur besteht aus Elementen, die zum Teil elektronisch vorbereitet wurden und in jeder Aufführung neu zusammengesetzt werden. Als Elementarteilchen nach der Katastrophe von Fukushima improvisieren virtuos Caroline Peters und Niels Bormann.