Elferschießen aus wissenschaftlicher Sicht: Reaktionszeit des Goalies größtes Problem!

Laut Physikern hat der Tormann schlechte Karten Zumindest so lange der Schütze die Nerven behält

Aus Sicht des Physikers hat ein Tormann beim Elfmeter wenig Chancen, den Ball zu halten. Ein Hauptproblem ist dabei seine eigene Reaktionszeit. Allerdings bedienen sich versierte Goalies diverser Tricks und können so die Trefferquote der Schützen mit 70 bis 80 Prozent halbwegs im Zaum halten.

Der erste Kunstgriff vieler Torwarte ist es, vorzeitig eine Ecke für den Sprung auszuwählen. Er springt während der Schütze noch abdrückt gleichsam ins Blaue. Hat er die Ecke erraten, stehen die Chancen für ihn gut, das Leder noch vor der Linie zu erhaschen. Hat er die Ecke nicht erraten, ist sowieso alles egal, dann kann er nur noch zuschauen.

Wie sinnig dieses Ratespiel ist, rechnete der Physiker Werner Gruber vom Institut für Experimentalphysik der Universität Wien auf Anfrage der APA vor. Trifft der Goalie nämlich keine voreilige Entscheidung, hat er deutlich schlechtere Karten - vorausgesetzt der Schütze ist halbwegs auf Zack. Ein Hauptproblem für den Torhüter ist dabei die Reaktionszeit des eigenen Nervensystems. Was im täglichen Leben kaum auffällt, wird im Sport, verschärft im Spitzensport zu einem echten Faktor.

Laut Gruber schafft ein versierter Stürmer eine Ballgeschwindigkeit von 100 bis 120 km/h, das Leder ist bei so einem Prachtschuss 0,34 bis 0,4 Sekunden bis zur Torlinie unterwegs. Bei einer Reaktionszeit von 0,2 Sekunden - für einen Torwart ein realistischer Wert, der sich auch mit Training kaum verbessern lässt - bedeutet dies, dass der Goalie erst eine Chance zur Reaktion hat, wenn der Ball bereits im Fünfer-Bereich oder sogar weiter ist. Dementsprechend gering wären seine Chancen, noch irgend eine erfolgreiche Abwehrmaßnahme zu treffen.

Rechnerisch lässt sich das eindrucksvoll belegen. Grob gerechnet bleiben dem Torwart nach Ablauf der Reaktionszeit noch 0,2 Sekunden, um in die richtige Richtung abzuheben. Ein trainierter Sportler erreicht dabei eine Absprunggeschwindigkeit von rund vier Metern pro Sekunde, das bedeutet eine Strecke - bis der Ball die Linie passiert - von 0,8 Metern nach rechts oder links. Die Reichweite der Arme eingerechnet, kann der Tormann damit einen Abfang-Radius von rund 1,8 Metern erreichen.

Das bedeutet, dass selbst für einen Weltklassetormann ein Bereich von wenigstens einem Meter Entfernung von der Stange bleibt, die er aus physikalischen Gründen nicht erreichen kann, wenn er darauf wartet, bis er die richtige Ecke wahrnimmt. Mit der Taktik, früher - auf gut Glück oder seinem Instinkt folgend - zu springen, kann er seine Chancen somit steigern. (apa/red)