"Elektra" bei den Salzburger Festspielen

Im vergangenen Sommer schrieb die Neuproduktion von Richard Strauss’ "Elektra" auch außerkünstlerisch Festspielgeschichte. Im dicht besetzten Orchestergraben trotzen die Wiener Philharmoniker und Dirigent Franz Welser-Möst dem Virus. Da wurde demonstriert, dass man auch in Pandemiezeiten unter Wahrung strengster Disziplin und Sicherheitsmaßnahmen exzellent musizieren kann. Bei der Wiederaufnahme in diesem Jahr geht es ausschließlich um die Kunst!

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Salzburger Festspiele - "Elektra" bei den Salzburger Festspielen

Schon in den ersten Takten bahnte sich Unfassbares an. Atemberaubend, befreit, hingebungsvoll brachten die Wiener Philharmoniker die Strausss'sche Tonschöpfung zur Entfaltung. Welser-Möst machte jede Nuancen präzise hörbar. Da fehlte nichts: das Aufwühlende, Drängende, Moderne, das Archaische und das Schöne. Wunderbare lyrische, poetische Passagen waren zu hören. Bewegend die Erkennungsszene. Ein Strauss wie ihn nur die "Wiener" spielen, der Begriff "Originalklang" im besten Wortsinn drängt sich da auf.

Auch szenisch ist diese Produktion erstklassig. Krysztof Warlikowski zeigt ein Familiendrama, brutal, drastisch, radikal. Zu Beginn regiert das Wort. Klytaemnestra bekennt den Mord an ihrem Gatten Agamemnon, der die gemeinsame Tochter Iphigenie den Göttern geopfert hat. Ihr Geständnis spricht sie in ein Mikrophon. Die Handlung ist in ein großangelegtes Bad, langer Pool und Duschen inklusive, und in einen karg eingerichteten, violett verglasten Kubus verlegt (Bühne: Małgorzata Szczęśniak). Das ist nachvollziehbar, denn Agamemnon wurde im Bad ermordet. Gesungen und gespielt wird brillant. Ausrine Stundyte imponiert als faszinierende Singschauspielerin. Sie zeigt eine Art Hamlet-Figur, eine Getriebene. Sie singt mit Ausdruck, erreicht die hohen Töne sicher und besticht mit den lyrischen Passagen. Vida Miknevičiūtė überwältigt mit ihrer kraftvollen Interpretation der Chrysothemis (am 18., 23. und 28.8. übernimmt Asmik Grigorian). Tanja Ariane Baumgartner ist eine ausgezeichnete Klytämnestra. Christopher Maltman ist in jeder Hinsicht ein Vorzeige-Orest. Verstörend trägt er das starke Bild des Muttermörders, der von den Erinnyen, die bei Warlikowski überdimensionale, an die Wand projizierte Fliegen sind, verfolgt wird. Michael Laurenz ergänzt sehr gut als Ägisth. Auch die kleineren Partien sind sehr gut besetzt. Festspielwürdiges Musiktheater, das Strauss und dem Librettisten Hofmannsthal Rechnung trägt.

© Salzburger Festspiele/ Bernd Uhlig