Eisprinzessin rettet die Monarchie

Drei Jahre nach der Thronbesteigung kann Spaniens Königin Letizia erfolgreich Bilanz ziehen: Die Bürgerliche machte die in Verruf geratene Monarchie wieder populär

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Spanien - Eisprinzessin rettet die Monarchie

Es war Anfang des Jahres bei einer Veranstaltung für weibliche Führungskräfte in Madrid. Die zierliche Frau mit dem festen Willen nutzte den Moment für motivierende Worte an die Anwesenden. "Wir Frauen dürfen keine Angst davor haben, den Mund aufzumachen, wenn es etwas zu sagen gibt", stellte Spaniens Königin Letizia klar. Und die 44-jährige kennt keine einschlägigen Hemmungen. Das bewies sie schon im November 2003. Als Kronprinz Felipe, 49, bei der offiziellen Bekanntgabe ihrer Verlobung versuchte, sie zu unterbrechen, wies ihn die damals als TV-Nachrichtensprecherin bekannte Journalistin vor 300 akkreditierten Journalisten in die Schranken: "Lass mich mal ausreden", wagte die Bürgerliche dem Thronfolger zu sagen. Da staunten Spaniens Monarchisten nicht schlecht. Sie waren an Felipes Mutter Sofía gewöhnt: eine leise, zurückhaltende Monarchin, die sich stets distinguiert im Schatten von König Juan Carlos aufhielt. Und nun eine forsche Journalistin, bürgerlich, Enkelin eines Taxifahrers, als bevorstehende Monarchin. Geschieden war sie auch noch. Ein Skandal.

Andererseits war Letizia Ortiz Rocasolano auch mit allen Attributen einer Königin ausgestattet: schön, klug, gut ausgebildet und beruflich erfolgreich, hätte sie sich mühelos als zeitgemäßes Markenzeichen der schwächelnden Monarchie positionieren können. Doch Letizia verstand sich stets als moderne, emanzipierte Erfolgsfrau und verschaffte sich damit eine harte Anfangszeit: Was immer sie anzog oder sagte, wurde unfreundlich bis gehässig kommentiert. Nach wenigen Jahren war die Karrierejournalistin, die zwischenzeitlich sogar als Reporterin aus dem Irak-Krieg berichtet hatte, nicht wiederzuerkennen. Sie wurde stiller und nahm an Gewicht ab, was abermals kritisiert wurde. Unter den Fittichen der allerhöchsten Schwiegermutter zog sie sich immer spießiger an. Zusehends distanzierter, wurde sie schließlich "Eisprinzessin" genannt: Auf diese Weise wollte sie sich gegen Feinde innerhalb und außerhalb des Palastes wappnen: Sie war unsicher, wollte keine Fehler machen.

Königin am Kebab-Stand

Am 19. Juni 2014 bestiegen Felipe und Letizia den Thron, und alles wurde anders. Das Ansehen der Monarchie hatte gerade den Tiefpunkt erreicht: Juan Carlos’ Tochter Cristina und ihr Ehemann, Iñaki Urdangarin, waren in einen Betrugsskandal verwickelt; und als Juan Carlos mit seiner angeblichen Geliebten, der deutschen Prinzessin Corinna zu Sayn-Wittgenstein, auch noch zur Luxus-Elefantenjagd nach Botswana aufbrach, war für die von Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskrise gebeutelten Untertanen das Maß voll. Erstmals kam es zu öffentlichen Debatten über den Fortbestand der Monarchie, und Juan Carlos trat zurück. "Entweder die Monarchie passt sich an die neuen Zeiten an, oder sie geht unter. Das hatten Felipe und Letizia verstanden", sagt der spanische Königshausexperte José Apezarena.

Bei seiner Antrittsrede versprach Felipe die Erneuerung der Monarchie. Seine Lieblingsschwester Cristina und ihr Mann wurden nicht einmal zur Krönung eingeladen. Der König kürzte sein Gehalt um 20 Prozent, machte die Steuererklärung der Königsfamilie erstmals öffentlich. Symbolhafte Transparenz und Enthaltsamkeit in Zeiten, in denen die Spanier täglich von politischen Skandalen lasen.

"Es war vor allem Letizia, die frischen Wind in den Palast brachte. Sie brach mit dem steifen Protokoll, warf Traditionen über den Haufen", diagnostiziert Hofreporterin Paloma Barrientos. Auf Initiative Letizias wurden Delegationen homosexueller Verbände zu Empfängen bei Hof eingeladen. Die Königin wird von Palastangestellten geduzt und geht gelegentlich mit ihnen mittagessen. "Letizia hat Felipe, der sich sein Leben lang im Palast auf seine Rolle als König vorbereitete, mit ihrer bürgerlichen Bescheidenheit dem Volk genähert. Sie hilft ihm, sensibel auf gesellschaftliche Stimmungen zu reagieren", sagt auch Palast-Insiderin Pilar Eyre. Letizia, die zuvor im Madrider Arbeiterviertel Moratalaz lebte, kennt das normale Leben und will es auch für ihre Königsfamilie. Sie geht mit den Töchtern Leonor, 11, und Sofía, 10, im Supermarkt einkaufen und bringt sie selbst zur Schule. Wenn Letizias Mutter, eine ehemalige Krankenschwester, mit den Enkeltöchtern in Madrid unterwegs ist, fahren sie mit dem Bus. Mit dieser Art Bescheidenheit hat Letizia vor allem bei Spaniens großteils antimonarchistischer Jugend viele Pluspunkte für die Krone gesammelt.

Ihr vielleicht größtes Verdienst: "Letizia hat aus dem ehemals steifen, wortkargen Königssohn doch noch einen fast lockeren Monarchen gemacht", so Pilar Eyre. So überredet sie den 49-jährigen Monarchen in Madrid regelmäßig ins Kino. Meist ins Golem-Kino in der Innenstadt, wo Filme in Originalversion laufen.

Danach wurden sie auch schon in einem Kebab-Restaurant um die Ecke erblickt, wo sie diszipliniert in der Schlange anstanden. "Genau das liebt Felipe an seiner Letizia. Sie gibt ihm etwas, was er sich immer wünschte. Ein Leben außerhalb der Palastmauern", so Pilar Eyre.

Style-Queen mit Plan

Seit Letizia Königin ist, hat sie sich von vielen Ketten befreit. Sie ist zum Vorbild und zur Hoffnung jener Frauen geworden, die in Spanien unter sozialer Benachteiligung und Macho-Allüren der Männerwelt leiden. Letizia verkörpert das Gegenmodell: eine Frau, die den König im Palast zum Kinderdienst zurücklässt, um mit Freundinnen einmal abends um die Häuser ziehen zu können. Für ihr selbstbewusstes Auftreten, ihre Modernität und ihre erotischen Outfits bewundern sie vor allem junge Spanierinnen. Mit ihren figurbetonten Designer-Modellen ist sie zur Stilikone aufgestiegen und setzt auch Frisuren-Trends. Dabei bleibt sie unausrechenbar: Bei Gelegenheit verbreitet sie mit sündhaft teuren Kleidern königlichen Glamour und setzt damit Akzente gegen den eher farblosen Monarchen. Dann wiederum sieht man sie mit Lederjacke und Röhrenjeans auf Rock-Konzerten.

Dazu kommt ein entwickeltes soziales Engagement, das die Popularität weiter erhöht - etwa für Krebsforschung, Drogenbekämpfung und Kinder ohne Lebenschancen. Auch die UN-Welternährungsorganisation nutzt inzwischen Letizias Popularität, um mit ihr als Sonderbotschafterin Maßnahmen gegen den Hunger auf der Welt zu setzen.

Außer durch Eleganz besticht sie dabei auch durch Professionalität. Das war im Oktober 2014 auch in Wien zu beobachten, als die Königin in der Albertina auf ihrem ersten Auslandstermin ohne Felipe eine Ausstellung des Spaniers Velázquez eröffnete. Perfekt setzte sie sich in Szene und begann ihre charmante Rede sogar auf Deutsch.

Noch hat sie sich zwar nicht das warmherzige Image ihrer Schwiegermutter Sofía erworben. Deren Position als geliebte Landesmutter wird wohl noch lang nicht vakant sein. Auch ist sie nicht die "Königin der Herzen", zu der es Kollegin Máxima in den Niederlanden geschafft hat, sie ist eine "Königin zum Anfassen" geworden.

So nahm sie vor einigen Wochen im Sturm ein Madrider Arbeiterviertel: Auf dem Weg zu einem Zentrum für Menschen mit psychischen Problemen verließ sie spontan den Wagen und ging zu Fuß weiter, um mit den Anrainern Kontakt aufzunehmen. Die Hoheit plauderte auf dem Gehsteig und stand für zahllose Selfies zur Verfügung, ehe sie die Autoritäten begrüßte. Über Letizias Figur redet in Spanien kaum noch jemand. Titulierungen wie "Streichholzprinzessin" oder "Eisprinzessin" wurden durch die schlagzeilengroßen Komplimente "Hipster-Queen" oder "Selfie-Königin" ersetzt. Letizia ist es gelungen, der Monarchie ein modernes, volksnahes Gesicht zu geben. Und sie weiß, was sie will: eine skandalfreie Königsfamilie. Juan Carlos und Sofía verschwinden allmählich aus der Öffentlichkeit und werden auch bei Hof immer seltener gesehen. Chefin im Palast ist Letizia, und die Krone erfreut sich ungeahnter Beliebtheit, wie jüngste Umfragen beweisen.

Nicht einmal der Skandal um Letizias Schwager Iñaki Urdangarin konnte daran etwas ändern: Der ehemalige Handball-Star wurde Anfang dieses Jahres wegen Steuerhinterziehung und Veruntreuung öffentlicher Gelder in Millionenhöhe in erster Instanz zu sechs Jahren Haft verurteilt. Gefängnisbesuche der Monarchin könnten deren Popularität womöglich noch steigern.