Liebe Quereinsteiger!

Als Quereinsteigerin oder Quereinsteiger begibt man sich auf dünnes Eis. Bevor Sie dem Anführer einer Bewegung oder dem Chef einer Partei also freudig zusagen, und Anfragen gibt es wegen der bevorstehenden Nationalratswahl ja von allen Seiten, sollten Sie sich einige wichtige Fragen stellen.

von Renate Kromp © Bild: Ian Ehm/News

Zum Beispiel die: Warum werde ich überhaupt gefragt?
Eine mögliche Antwort: Sie tragen einen prominenten Namen. Den können Sie sich selbst durch herausragende Leistungen in Sport, Wirtschaft, Fernsehen oder Kunst erarbeitet haben oder er ist Ihnen durch Geburt oder Heirat zugelaufen. In jedem Fall lohnt sich aber der kritische Gedanke: Gilt die Begeisterung meines Chefs wirklich mir? Oder hat er ganz einfach nur meine Fangemeinde als potenzielle Wähler im Auge?
Eine zweite Frage: Kenne ich mich in dem Bereich, für den ich als Experte präsentiert werde, überhaupt aus?
Sehr unangenehm wird es nämlich für Neulinge im Politikbetrieb, wenn plötzlich in Interviews oder Diskussionen die ersten Fachfragen auftauchen. So manche Zukunftshoffnung sah sich schon auf "normalsterblich" runtergestuft, sobald sie das erste Mal vor mehr Menschen, als im eigenen Badezimmerspiegel zu sehen sind, reden musste. Das ist wirklich schwer und man kann jeden verstehen, der dabei nicht seine beste Leistung bringt. Trotzdem sollte man sich darüber im Klaren sein, dass normales Wissen in solchen Situationen nicht reicht. Es darf in diesem Fall ein bisschen mehr sein.
Das heißt, wer den Schritt in die Politik wagt, muss vielleicht wochenlang Zahlen, Daten, Fakten strebern, um auf alle Fragen vorbereitet zu sein. Die Erfahrung mit Quereinsteigern der letzten Jahre zeigt: Besser man ist fachlich echt beschlagen und keine Rampensau am Rednerpult als umgekehrt.
Hapert es mit der eigenen Expertise, wäre es günstig, wenn zumindest ein wasserdichtes Partei-oder Wahlprogramm zur Verfügung steht, das man sich -siehe den Punkt "strebern" - in einigen Tagen und Nächten reinziehen kann. Manchmal gibt es auch das nicht, weil der Spitzenkandidat selbst noch daran arbeitet.
Und letzte notwendige Überlegung: Wie gehen Sie eigentlich mit Liebesentzug um? Wären Sie dem gewachsen? Denn eines muss Ihnen klar sein. Die Funktionäre jener Partei, von der Sie geholt werden, mögen Sie nicht, weil Sie einen Platz versitzen, auf den diese seit Jahren hingearbeitet haben. Und auch die Gunst des Chefs kann schnell dahin sein.
Floppt die Partei, die Sie geholt hat, bei der Wahl, sind ziemlich sicher Sie mit daran schuld.
Gibt es einen fulminanten Sieg, sind Sie ziemlich sicher nicht daran schuld. Denn dann war es der Chef.

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir bitte: kromp.renate@news.at