Erfolg zur falschen Zeit

Renate Kromp © Bild: Ian Ehm/News

Ihre politischen Ideen und Forderungen umgesetzt zu sehen, noch dazu mit einer breiten Mehrheit im Nationalrat, ist, wonach wohl jede Partei strebt. Wenn man also wie die SPÖ die Abschaffung des Pflegeregress fordert und der sonst so renitente Koalitionspartner ÖVP das plötzlich auch gerne möchte, dann muss man handeln, einen entsprechenden Antrag im Parlament ein- und das Projekt in trockene Tücher bringen. Vor lauter Begeisterung schreibt man die ursprüngliche Forderung, das Ganze mit einer Erbschaftssteuer zu finanzieren, gleich gar nicht in den Antrag hinein. Wozu Streit, wenn es endlich einmal gut läuft? Die Kosten, die entstehen, weil Menschen richtigerweise nicht mehr mit ihrem Hab und Gut für ihre Pflege einstehen müssen, wird man irgendwie decken.

Wäre das alles in einer ganz normalen Plenarsitzung passiert, wäre es eine gute Nachricht für alle betroffenen Familien, aber sonst nicht mehr. Die Ereignisse fielen aber in die schon aufgeheizte Frühphase des Nationalratswahlkampfes. Die SPÖ war schon von der ÖVP entzweit, legte sich ihre Themen für den Wahlkampf zurecht und postulierte die auch gleich als Koalitionsbedingungen für die nächste Regierung mit SPÖ-Beteiligung.

Dass sich darin das Thema Pflege fand, ließ Beobachter und Betroffene anerkennend nicken. Das ist ein Thema, dass alle Familien betrifft und ihnen Sorgen bereitet. Wer hier einen Lösungsansatz bietet, der verhindert, dass die Kosten von Generation zu Generation durchgereicht werden, dem müssten Stimmen geradezu zufliegen.

Und noch dazu: Die SPÖ hätte damit das Thema Migration elegant beiseite schieben können, das FPÖ und ÖVP rauf und runter orgeln, während die SPÖ darauf noch keine Antwort hat, mit der sowohl der linke als auch der rechte Parteiflügel leben können.

Das haben natürlich auch die gewitzten Strategen von Sebastian Kurz erkannt und das Thema Pflege erfolgreich gekapert. Wieder einmal scheint es, als wären die SPÖ-Strategen den Masterminds der "Bewegung Liste Sebastian Kurz -Die neue ÖVP" schlicht auf dem Leim gegangen.

Christian Kern ist sein bestes Wahlkampfthema los. Die Erbschaftssteuer rückt für seine Partei auch wieder in weite Ferne. Hätte man sie an die Pflegefinanzierung gekoppelt, hätte man vielleicht die Ablehnungsfront dagegen aufweichen können.

Und nun? Wendet man sich doch dem Thema Migration zu. Grenzen dicht, um den Sozialstaat zu retten, fordert Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl im News-Interview. Der Kanzler versucht es mit der Forderung nach einem EU-Migrationsbeauftragten, der Rückführungsabkommen aushandeln soll. Das ist klug. Aber Wahlkampfschlager wird das keiner.

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