Einen Ruck wird es geben

Über Mangel an innenpolitischen News brauchen wir nicht zu jammern. Der Sommer wird heiß, der Herbst heißer

von Esther Mitterstieler © Bild: News/Ian Ehm

Josef Schumpeter war ein österreichischer Ökonom und Politiker. Er sprach von der schöpferischen Zerstörung, aus der das Neue schlüpft. Da haben sich ein paar Politiker offensichtlich in seinem Werk umgesehen: zuerst Sebastian Kurz mit seiner Palastrevolte gegen Reinhold Mitterlehner, dann Eva Glawischnig mit ihrem Rücktritt, Ingrid Felipe und Ulrike Lunacek mit ihrem An-und Peter Pilz mit seinem Abtritt. Und dann gibt auch noch das Team Stronach auf. Da tut sich was in Österreichs Politik. Und das Neue scheint sich durchzusetzen. Kratzt man aber ein wenig am äußeren Glanz, bleibt oft nicht allzu viel davon übrig.

So oder so dürfen wir auf weitere Überraschungen hoffen. Und auf Veränderung. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte folgt auf dem Fuß: Bloß äußere Veränderung ist nicht genug. Wie neu Kurz Politik betreibt, muss er beweisen. Lunacek genauso. Und Christian Kern sowieso. Er, der eigentlich der Neueste ist, muss es schaffen, die eigentlich positive Zuschreibung und das Gefühl in der Bevölkerung, er sei schon ewig Kanzler, loszuwerden. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Was früher ein Bonus war, wird heute schnell ein Malus.

Derzeit liegen die drei altbekannten Parteien in folgender Reihenfolge: ÖVP, SPÖ und FPÖ. Es wird ein spannender Wahlkampf werden, noch ist alles offen. Eines sollten die zwei Langzeitkoalitionspartner nicht außer Acht lassen: Die FPÖ ist so oder so das Zünglein an der Waage und kann sich im -aus ihrer Sicht - besten Fall den Kanzler aussuchen.

Was braucht das Land? Eine stabile Regierungsmehrheit, die einen Kurs mit wirtschafts- und sozialpolitischen Weichenstellungen ermöglicht. Die letzten Tage der alten Regierung zeigen, dass diese Konstellation so schlecht nicht war. Viele Gesetze wurden verabschiedet, und ja, es wurde gearbeitet. Schlecht verkauft haben da einige aus beiden Reihen ihre eigene Arbeit und die des Partners. Das ist die erste Aufgabe, die neue Regierungspartner in ihrer Beziehung leben müssen. Wie sagte doch der alte Mann oder die alte Frau, befragt, warum er/sie es so lange mit dem anderen ausgehalten hat? "Ich muss nicht immer alles hören, was sie/er gesagt hat." Im Regierungsstil freilich heißt es nicht nur nicht hören, sondern gleich gar nicht zu viel reden und schimpfen. Und sich gegenseitig jenen Respekt zollen und abverlangen, der für das Funktionieren jeder Beziehung grundlegend ist.

Einen Beleg dafür, dass das auch bei den Wählern gut ankommt, liefert das aktuelle News-Regierungszeugnis, erstellt aus den Einschätzungen von Innenpolitik-Experten und Chefredakteuren der relevantesten österreichischen Zeitungen und Magazine. Wolfgang Brandstetter und Pamela Rendi-Wagner haben gemeinsam mit Sebastian Kurz den ersten Platz in der Bewertung erklommen. Was auch bedeutet: Gute Sacharbeit und Vorbereitung sind mindestens genauso gefragt wie Show, Selbstinszenierung und Ich-AGs.

Die beiden Polit-Quereinsteiger könnten als Vorreiter stehen. Schaut man sich Emmanuel Macrons Versuch an, Frankreichs Politik zu verändern, kann man ableiten, was Wählerinnen und Wähler heute interessiert: Das Neue ist es nicht allein, wohl auch Hoffnung, Elan, Vision und Ausstrahlung. Davon hat freilich nicht nur Kurz etwas, sondern auch Peter Pilz.