Der Durchmarsch
des Sebastian Kurz

Im ersten Jahr als ÖVP-Chef lief - fast - alles wie am Schnürchen

Ein Jahr ÖVP-Obmannschaft unter Sebastian Kurz - in der Zeit hat er die Bundespartei nicht nur türkis eingefärbt, sondern auch wieder zur Kanzlerpartei gemacht. Übernommen hat er die Volkspartei nur unter der Bedingung, freie Hand zu bekommen. Die Realpolitik zeigt allerdings, dass die Landesparteien selbst ihm nicht alles durchgehen lassen.

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Rückblick - Der Durchmarsch
des Sebastian Kurz

Das gravierende Krachen im rot-schwarzen Koalitionsgebälk und die Querschüsse aus den eigenen Reihen kündigten es schon an und so kam der Rücktritt von Kurz' Vorgänger Reinhold Mitterlehner am 10. Mai 2017 nicht ganz überraschend. Mitterlehner hatte die Partei nach Michael Spindeleggers unorganisiertem Rückzug im Spätsommer 2014 übernommen und immer das Etikett eines Platzhalters. Denn schon damals war spekuliert worden, dass Kurz die Obmannschaft übernimmt. Die Zeit war aber noch nicht reif. Im Hintergrund wurde freilich schon lange vor dem Mai 2017 auf Kurz' Installierung als Parteichef hingearbeitet. Dies bewies nicht zuletzt ein detailliertes Strategiepapier, das im Nationalratswahlkampf aufgetaucht ist. Kurz' langjähriger Sprecher Gerald Fleischmann musste später einräumen, dass zumindest Teile der Unterlage authentisch waren.

Kurz' Bedingungen

Schnell war klar, dass es eigentlich nur einen geben kann, der die ÖVP nun übernimmt. Unmittelbar nach Mitterlehners Rücktritt ließ Kurz die heimische Innenpolitik aber noch ein paar Tage zappeln. Will er die Parteiführung übernehmen und wie geht es mit der SPÖ-ÖVP-Koalition weiter? Die Antworten auf diese Fragen gab Kurz wenig später: Er wollte, allerdings nur zu seinen Bedingungen, und beendete die Koalition kurzerhand zur Überraschung der SPÖ. Am 14. Mai 2017 designierte der Bundesparteivorstand Kurz zum Obmann, am 1. Juli erfolgte die Kür am Bundesparteitag.

Länder lassen sich nicht umfärben

Die ÖVP-Basis setzte ihre ganze Hoffnung in den bisherigen JVP-Obmann, das zeigte sich auch darin, dass sich der neue Chef recht große Machtfülle sichern konnte. Den optischen Auftritt tauchte Kurz in türkis, seine ÖVP sollte nun "Die neue Volkspartei" genannt werden. Türkis ist die Bundespartei nach wie vor, in den Länderorganisationen hat sich der Farbwechsel noch nicht durchgesetzt. Erst kürzlich gestand der Salzburger Landesparteiobmann Wilfried Haslauer - ein gestandener Schwarzer - ein, dass es sich bei der Umfärbeaktion vor allem um eine PR-Maßnahme gehandelt hat.

Klingende Namen noch nicht in Erscheinung getreten

Wie aus dem Lehrbuch für PR und politische Kommunikation ging auch die Inszenierung des ÖVP-Wahlprogramms vonstatten, das Kurz ab September häppchenweise präsentierte. Inhaltlich blieb er auf Linie - weniger Steuern, weniger Ausländer, ließ sich Teil 1 etwa zusammenfassen. Apropos Häppchen, auch die Präsentation der prominenten Vertreter auf der Bundesliste, die der Parteiobmann in Eigenregie zusammenstellte, erfolgte über den letzten Sommer verteilt. Personen mit klingenden Namen wie Maria Großbauer, Kira Grünberg oder Rudolf Taschner sitzen heute im Nationalrat, politisch in Erscheinung getreten sind sie seither nicht wirklich.

Wahlkampf reich an Superlative

Der Wahlkampf war aber ohnehin ganz auf den Spitzenkandidaten zugeschnitten. Der Auftakt dazu war ein Spektakel in türkis, nach amerikanischem Vorbild und reich an Superlativen. 10.000 Gäste in der Wiener Stadthalle, angeheizt vom früheren Ö3-Moderator Peter L. Eppinger und Kurz freute sich über den "größten Wahlkampfauftakt, den Österreich je gesehen hat". Massenhaft Handyfotos gab es nicht nur von der Veranstaltung, wo auch immer Kurz auf Tour auftauchte, konnte er sich vor Selfie-Wünschen kaum retten. Und hatte manch' politischer Gegner noch gehofft oder geätzt, dass der junge Politiker spätestens in den Fernsehduellen scheitert, wurden auch sie bald eines Besseren belehrt.

Großer Wahlsieg

Einen neuen Stil trommelte und forderte Kurz vehement. Und er kam an: Bei der Nationalratswahl errangen die türkis gebrandeten Schwarzen mit Kurz an der Spitze den ersten Platz. 31,47 Prozent der Stimmen und damit fast 7,5 Prozentpunkte mehr als 2013 erzielte die ÖVP und der neue Chef wurde als "Held" gefeiert.

Das Ende von Rot-Schwarz

Als Stimmenstärkster erhielt Kurz umgehend den Auftrag zur Regierungsbildung und traf auch den bisherigen Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) zu Sondierungsgesprächen. Bald war allerdings klar, dass das mit den beiden nichts mehr wird. Die Gräben aus der rot-schwarzen Regierungs-"Zusammenarbeit" und dem Wahlkampf waren tief und die Aussicht auf "more of the same" abschreckend. Das persönliche Verhältnis zwischen Kern und Kurz war zerrüttet, insofern dürfte das Interesse an einer schwarz-roten Koalition auf beiden Seiden endenwollend gewesen sein.

Schnelle Einigung mit FPÖ

Kurz hatte seine Fühler ohnehin schon zur FPÖ ausgestreckt. Bei den Auftritten nach den Sondierungsgesprächen und später Koalitionsverhandlungen versprühten sowohl Kurz als auch FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache Harmonie. Die beiden sind inhaltlich und persönlich auf einer Wellenlänge, wurde vermittelt. Dann ging es flott. Die ÖVP bekam mehr Ressorts und gab dafür Inneres und Verteidigung in blaue Hände. Außerdem setzte sich die FPÖ beim Rauchverbot in der Gastronomie durch: Das einst mit der SPÖ beschlossene Verbot wurde wieder aufgehoben.

Erstes Stocken

Ins Stocken geriet der Durchmarsch erst im Finale und dies ausgerechnet auf ÖVP-Seite. Kurz hatte sich zwar das Pouvoir ausbedungen, alle Regierungspositionen selbst besetzen zu können. Ausgerechnet der frühere Rechnungshofpräsident und Ex-FPÖ-Klubdirektor Josef Moser, den der Obmann auf Listenplatz Nummer drei mit Aussicht auf höhere Weihen ins Team geholt hatte, soll intern für Troubles gesorgt haben. Kurz dürfte ihn als Finanzminister vorgesehen haben, damit aber bei manchem Landeschef auf Widerstand gestoßen sein. Als Justiz- und Reformminister wurde er schließlich akzeptiert - die Regierung stand an einem Freitagabend Mitte Dezember.

Programm kommt gut an

Auf einer Welle des Erfolgs schwebte die ÖVP seither bei den vier Landtagswahlen. Die Koalitionsparteien wurden auf Landesebene nicht abgestraft - dies dürfte zum einen der erst kurzen Legislaturperiode im Bund zu danken sein, zum anderen dem Umstand, dass ÖVP und FPÖ die wirklich heißen Eisen erst jetzt angehen wollen. Außerdem kommt das rechts-konservative Programm der Regierung mit einem härteren Flüchtlingskurs in der eigenen Wählerschaft nach wie vor gut an.

Perfekte Außenkommunikation

Die Pressearbeit in der Regierung läuft weiterhin wie am Schnürchen, zumindest auf ÖVP-Seite. Nach ein paar PR-Desastern - Stichwort Arbeitslosengeld oder AUVA - versucht nun auch die FPÖ professioneller aufzutreten. Für die gemeinsame Außenkommunikation - SPÖ und ÖVP vermittelten trotz gemeinsamer Regierungsarbeit über Jahre hinweg einen zerstrittenen Eindruck - wurde ein Regierungssprecher installiert. Dieser wird bei heiklen Angelegenheiten für erste Statements ausgeschickt und moderiert das Pressefoyer nach dem Ministerrat, bei dem Kurz und Strache entgegen ersten Befürchtungen der Medien meist selbst auftreten.

Die Stolpersteine

Eine echte Belastungsprobe für die noch frische Koalitionsbeziehung wurde die sogenannte Liederbuch-Affäre in der niederösterreichischen FPÖ. Kurz rang sich erst nach einiger zeitlichen Verzögerung - und Kritik aus den eigenen Reihen - zu einem persönlichen Statement durch. Überhaupt ist Kurz immer wieder gezwungen, Aussagen von freiheitlichen Politikern hinterher auszubügeln, nicht selten betreffen diese Außenpolitik.

Belastungsprobe wartet durch gestärkte Landesfürsten

Eine Belastungsprobe für Kurz könnte in den nächsten Wochen auch die Beziehung zu den ÖVP-Landeschefs werden, hört sich beim Geld doch die Partei-Freundschaft auf. Dass sich die Bundesländer nicht gerne überfahren lassen, haben sie schon öfter klar gemacht. Selbstbewusst und gestärkt gibt sich vor allem die sogenannte Westachse. Bei den großen Reformbrocken wie der Mindestsicherung oder der Reform der Sozialversicherungen und Krankenkassen wird sich zeigen, wie weit die schwarzen Landesfürsten den türkisen Kanzler gewähren lassen.

Kommentare

Also kluge/intelligente und neutrale Beobachter/innen sind sich (im Gegensatz zu den inseratengeilen Medien) einig: Nichts, aber auch schon gar nichts hat diese Regierung Kurz-Strache geleistet.

Kern wird sachwidrig fies heruntergeschrieben, Kurz wärmstens hinaufgejubelt, wie unter rosa Freunderln halt so üblich

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