Ein Großmeister des Europäischen Kinos feiert Geburtstag: Michael Haneke wird 65

Hollywood-Remake "Funny Games" in Endproduktion Große Cannes-Erfolge: 'Die Klavierspielerin' & 'Caché'

Ein Hollywood-Remake ist in der Endproduktion, ein weiteres ist bereits in Planung. Kein anderer österreichischer Regisseur kann seinen 65. Geburtstag gelassener feiern als Michael Haneke, der den 23. März als "einen von 65 Geburtstagen" heuer in Wien begehen wird. Während "Funny Games" (1997) unter seiner eigenen Regie ein neues Gesicht bekommt, ist für die Neuauflage des unter anderem mit dem Europäischen Filmpreis ausgezeichneten Thrillers "Cache" der Oscar-gekrönte Regisseur Ron Howard im Gespräch.

Ein Großmeister des Europäischen Kinos feiert Geburtstag: Michael Haneke wird 65

Der ORF zeigt anlässlich des runden Geburtstags am 25. März die Doku "24 Wirklichkeiten in der Sekunde" (23.05 Uhr, ORF 2) und im Anschluss den Erfolgsfilm "Die Klavierspielerin".

Hanekes Filme lassen sich als Barometer gesellschaftlicher Ängste lesen. Die Bedrohung der bürgerlichen Sicherheit, Mechanismen der Gewalt, Fragen nach Schuld und Macht und die kritische Hinterfragung des Medienapparats ziehen sich durch das Werk des österreichischen Regisseurs. Insgesamt fünf Auszeichnungen erhielt sein letzter Film "Caché" beim Europäischen Filmpreis im Jahr 2005. Ein kleiner Trost, dass der Film mit Daniel Auteuil und Juliette Binoche aus formalen Gründen für die Nominierung zum Auslands-Oscar ausgeschieden war, bietet nun der Verkauf des Drehbuchs an Universal Pictures. "Die Hollywood-Verfilmung wird sicher ganz anders, aber das ändert ja glücklicherweise nichts an meinem Film, den es schon gibt", so Haneke.

Opern-Projekt
Neuland betrat Haneke nicht nur in Hollywood, auch in Paris gab er im Jänner vergangenen Jahres ein Debüt: Mit seiner modernen Inszenierung von "Don Giovanni" spaltete er das Publikum. Ein weiteres Opern-Projekt - Verträge gibt es jedoch noch keine - ist für 2009 in Salzburg geplant. Vom Film wendet sich Haneke dennoch nicht ab, im Herbst beginnen die Vorbereitungen für ein neues Projekt über die Erziehung der Nazi-Generation.

Wollte Schauspieler oder Konzertpianist werden
Der am 23. März 1942 in München geborene und in Wiener Neustadt aufgewachsene Sohn der österreichischen Schauspielerin Beatrix von Degenschild und des Düsseldorfer Regisseurs und Schauspielers Fritz Haneke wollte ursprünglich Schauspieler oder Konzertpianist werden. Neben dem Studium der Philosophie und Psychologie in Wien versuchte er sich zunächst als Autor und arbeitete als Film- und Literaturkritiker. Von 1967 bis 1971 war er Redakteur und Fernsehspieldramaturg beim Südwestfunk in Baden-Baden. In dieser Zeit entstand sein erstes, noch unverfilmtes Drehbuch "Wochenende".

Debüt Anfang der 70er
Anfang der 70er Jahre debütierte Haneke als Bühnenregisseur am Stadttheater Baden-Baden mit "Ganze Tage in den Bäumen" von Marguerite Duras. Es folgten Theater-Inszenierungen in Darmstadt, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Stuttgart, Hamburg, München und Wien. 1973 entstand sein erster Fernsehfilm, "...und was kommt danach? (After Liverpool)" nach einem Text von James Saunders. Es folgten TV-Streifen wie "Sperrmüll" (1976), "Drei Wege zum See" (1976, nach Ingeborg Bachmann), "Lemminge" (1979), "Wer war Edgar Allan?" (1984, nach Peter Rosei), "Nachruf für einen Mörder" (1991) und später die Kafka-Adaption "Das Schloss" (1996).

Kinoerstling gleich in Cannes
Gleich mit seinem Kinoerstling "Der siebente Kontinent" gab Haneke 1989 sein Debüt in Cannes. Die mit diesem Film begonnene "Trilogie der emotionalen Vereisung", zu der auch "Benny's Video" gehört, schloss er 1994 mit "71 Fragmente einer Chronologie des Zufalls" ab. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Wahl-Franzose seine unverwechselbare filmische Sprache, die in Dramaturgie, Bildfindung und Erzählweise stets Verweise auf das Ungesagte zu geben sucht, bereits zur Perfektion entwickelt und sich in der Fachwelt den Ruf eines eigenwilligen, unbeirrbaren Filmkünstlers erworben.

Erster österreichischer Wettbewerbsbeitrag in Cannes
Hanekes Gewaltschocker "Funny Games" war 1997 nach 35 Jahren der erste österreichische Wettbewerbs-Beitrag bei den Filmfestspielen in Cannes und zugleich der Aufsehen erregendste und umstrittenste. Für "Code Inconnu" (2000), ebenfalls im Wettbewerb von Cannes, gewann er Juliette Binoche, die auch in "Caché" eine Hauptrolle spielt. "Die Klavierspielerin" (2001) nach Elfriede Jelinek erhielt an der Croisette neben den beiden Darstellerpreisen für Isabelle Huppert und Benoit Magimel auch den Grand Prix der Jury und wurde in der Folge auch ein großer kommerzieller Erfolg.

Auszeichnungen für Caché
Hanekes erstmals rein französisch (u.a. mit Isabelle Huppert) besetzte österreichisch-französische Koproduktion "Wolfzeit" über eine Familie, die nach einer Katastrophe aus der Großstadt aufs Land flüchtet, lief 2003 in Cannes außer Konkurrenz, weil auch der damalige Jury-Präsident Patrice Chereau mitspielte. Für "Caché", seinen fünften Anlauf in Folge auf die Goldene Palme, gewann er in Cannes die Auszeichnung als bester Regisseur sowie den Preis der Internationalen Filmkritik und den Preis der Ökumenischen Jury, später folgte u.a. der "Großer Diagonalepreis 2006".

(apa/red)