Ehemaliger SPD-Spitzenpolitiker Peter Glotz in Züricher Spital 66-jährig gestorben

Glotz war Abgeordneter und Bundesgeschäftsführer

Der 1939 im böhmischen Eger als Sohn einer Tschechin und eines Sudetendeutschen geborene Glotz trat 1961 der SPD bei. Die Familie floh 1945 nach Bayern. Glotz studierte später Journalismus, Philosophie, Germanistik und Soziologie. Nach wissenschaftlicher Tätigkeit an der Universität München wurde er 1970 in den bayerischen Landtag und 1972 in den Bundestag gewählt. Von 1974 bis 1977 war er parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesbildungsministerium, anschließend Wissenschaftssenator in Berlin.

1981 wurde Glotz SPD-Bundesgeschäftsführer in Bonn. Er gab dieses Amt nach der Wahlniederlage der Sozialdemokraten Anfang 1987 auf. Sein Bundestagsmandat legte der bildungs- und forschungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion 1996 nieder, anschließend setzte er sich als Gründungsrektor für die Universität Erfurt ein. Zuletzt war Glotz als Medienwissenschaftler an der Universität St. Gallen. Glotz war in dritter Ehe verheiratet und hinterlässt den siebenjährigen Sohn Lion. Der frühere SPD-Bundesgeschäftsführer soll am 12. September in Wald/Appenzell in der Schweiz beerdigt werden.

"Kritischer Geist und wache Aufmerksamkeit"
Glotz habe Wissenschaft in politische und gesellschaftliche Praxis übersetzt und umgekehrt, erklärte Müntefering in Berlin. "Sein kritischer Geist und seine wache Aufmerksamkeit seiner Partei gegenüber werden uns sehr fehlen." Schröder kondolierte der Witwe des Verstorbenen: "Mit Peter Glotz haben unser Land und unsere Partei, der er seit über 40 Jahren angehörte, eine außergewöhnliche Persönlichkeit verloren." In der Bildungspolitik, der politischen Leidenschaft von Glotz, seien für ihn Chancengerechtigkeit und Eliteförderung nie Gegensätze gewesen. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) teilte in Berlin mit, er habe "einen engen Freund und ideenreichen Dialogpartner" verloren.

"Seine Stimme wird uns fehlen", schrieb auch Köhler an Felicitas Walch. "Mit Peter Glotz verliert Deutschland einen überzeugten Sozialdemokraten und Europäer", erklärte Außenminister Joschka Fischer (Grüne). Glotz habe sich "in wichtige aktuelle Debatten um die Zukunft der sozialen Demokratie in Deutschland fruchtbar eingemischt", schrieben die Grünen-Vorsitzenden Claudia Roth und Reinhard Bütikofer. DGB-Chef Michael Sommer erklärte, mit dem Tod von Glotz sei die politische Kultur um eine "seriöse und unbeirrbare Stimme ärmer".

Ex-CDU-Generalsekretär Heiner Geißler sagte auf N24, Glotz sei ein unabhängiger, mutiger Kopf gewesen: "Was er sagte, hatte Hand und Fuß." Geißler hatte mit dem Verstorbenen bisher gemeinsam ein eigene Sendung im Fernsehen. Alle hätten gehofft, dass Glotz seine Krankheit gut überstehe. Dies sei nicht gelungen, sagte Geißler. CSU-Chef Edmund Stoiber erinnerte daran, Glotz habe aus persönlichen Gründen das Schicksal der sudetendeutschen Heimatvertriebenen am Herzen gelegen.

FDP-Chef Guido Westerwelle sagte in Berlin, Glotz sei nicht nur als Politiker, sondern als Wissenschaftler und Publizist weit über die Parteigrenzen hinweg anerkannt. Linkspartei-Wahlkampfmanager Bodo Ramelow sagte, er habe einige Thesen von Glotz nicht geteilt, ihn als Mensch jedoch immer geachtet.

Ehefrau Felicitas Walch sagte dem Sender N24, Glotz habe gegen seine Krankheit "gekämpft wie ein Löwe". Es habe eine Besserung gegeben, doch dann seien offenbar Fehler bei der Behandlung passiert.

(apa)