"Männer haben Angst vor mir"

Edita Malovcic ist derzeit in der ORF-Familiensaga "Altes Geld" zu sehen

Edita Malovcic ist derzeit in der ORF-Familiensaga "Altes Geld" zu sehen. Sie selbst sieht sich als Frau, die für die Emanzipation der Erotik kämpft - als Schauspielerin ebenso wie privat

von Menschen - "Männer haben Angst vor mir" © Bild: Copyright 2015 Matt Observe - all rights reserved.

Frau Malovcic, Ihre Rolle als Staatsanwältin im "Tatort" an der Seite von Til Schweiger bedeutete Ihren internationalen Durchbruch...
Edita Malovcic: Deutschland, ist das denn schon international? Für uns Österreicher vielleicht, für mich selbst ist international aber doch ein bisserl weiter gefasst. Allein wenn ich mich selbst betrachte, rollt sich da ein bunter postjugoslawischer Fleckerlteppich auf: Meine Mutter ist nicht sehr religiös, aber als gebürtige Serbin, die mit neun Jahren nach Wien kam, eigentlich serbischorthodox. Mein Vater ist als gebürtiger Bosnier Moslem, und ich selbst habe als bekennende Atheistin und gebürtige Wienerin ein katholisches Privatgymnasium besucht.

Wieso denn das?
Meine Mutter wollte, dass meine Ausbildung österreichischer als österreichisch ist, damit ich es einmal besser habe. Sie wollte nicht, dass ich aufgrund ihrer Herkunft benachteiligt werde.

Waren Ihre slawische Herkunft und das Namenssuffix -ic in diesem erzkonservativen Umfeld ein Problem?
Meine Eltern waren geschieden, ich war ohne religiöses Bekenntnis, zudem noch außerehelich gezeugt -da gab es so viele Dinge, die mich aus der Sicht des Katholizismus als ehrloses Wesen darstellten, und das war in der Schule schon ziemlich präsent. Und was meinen Nachnamen betrifft: Viele haben mir geraten, mich als Künstlerin doch einfach Edith Maló zu nennen, ganz ohne -vcic. Aber ich habe mich ganz bewusst dagegen entschieden. Denn auch wenn ich mit meiner Mama fast immer Deutsch gesprochen habe, bin ich zweisprachig aufgewachsen, und es geht mir immer noch das Herz auf, wenn jemand anfängt, auf Serbisch zu sprechen. Denn das ist die Sprache meiner Oma und meiner Mama, und so lernte ich sie als die Sprache der Liebe kennen. Ich wollte mir das Recht auf meine Herkunft erkämpfen, ohne immer auf sie reduziert zu werden.

Wie groß ist denn die Gefahr, dass man in der Klischeefabrik Film aufgrund des Typs und der Herkunft auf einschlägige Rollen reduziert wird?
Ganz gewaltig. Prostituierte mit Migrationshintergrund, Putzfrau oder die Mysteriöse aus dem Mafiamilieu - es gab Zeiten, da habe ich von zehn Angeboten sieben abgelehnt, weil ich keine dumpfen Klischees bedienen wollte. Wie sehr exponiere ich mich? Und wie schütze ich mich? Das war ein Riesenthema für mich, denn die Branche schützte mich nicht, das musste ich schon selber machen. Und es hat gut zehn Jahre gedauert, bis ich das Gefühl hatte, die Leute haben kapiert: Es ist nicht so gut, mir solche Rollen anzubieten.

Ganz pragmatisch gefragt: Kann man es sich denn in dieser Branche leisten, so viele Angebote auszuschlagen?
Ich habe mich mittlerweile daran gewöhnt, dass es in diesem Job keine Sicherheit gibt, und ich brauche sie auch nicht. Für mich steht die künstlerische Entwicklung im Vordergrund.

Ohne jetzt despektierlich wirken zu wollen: Die Staatsanwältin im "Tatort", ist das denn eine Rolle, die Ihnen genügend Raum für künstlerische Entwicklung lässt?
Ich habe gerade mit Richy Müller in Stuttgart an einem "Tatort" gedreht und genau darüber diskutiert. Einerseits bist du da in einer Figur mit relativ wenig Spielraum gefangen, andererseits ist das Ganze eine sehr bequeme Sache. Aber genügt das? Reicht das? Jetzt würde mir das sicher noch nicht reichen, vielleicht später, mit 50, wenn ich sagen könnte, ich habe mir durch so ein Projekt ein gewisses Sicherheitsnetz geschaffen. Eine sichere Nummer wie diese ist für manche Leute natürlich etwas Angenehmes.

Ihre "Tatort"- Staatsanwältin wird in deutschen Medien als "streng, mit erotischem Subtext" beschrieben. Können Sie damit etwas anfangen?
Das ist eben, was die Presse daraus gemacht hat. Ich finde nicht, dass ich auf die Erotiktube drücke, nur weil ich einem Mann auf den Hintern schaue. Das ist doch ein Recht, das auch wir Frauen haben, etwas ganz Normales. Es ist aber leider noch nicht bei allen angekommen, dass es auch in diesem Bereich eine gewisse Emanzipation gibt, "Lipstick Emancipation" würde ich das nennen: Ich kann in meinem Verhalten als weiblich und trotzdem emanzipiert wahrgenommen werden. Ich traue mich, mit Attributen, die ich als Frau habe, umzugehen und mich nicht dadurch einschüchtern zu lassen, dass es womöglich irgendwer als wahnsinnig sexistisch wahrnimmt. Dass wir Frauen die sexuelleren Wesen sind und durch unser Aussehen mehr Erotik suggerieren, ist eine Tatsache, zumindest in meinen Augen. Und ich bin schon dafür, dass wir darauf stolz sein können. Erotik hat man oder nicht. Natürlich kann man versuchen, Erotik zu spielen, die Frage ist nur, ob das dann auch erotisch rüberkommt. Für mich sind Frauen wahnsinnig unsexy, wenn sie auf sexy machen. Ich versuche mir beim Erarbeiten meiner Rollen keine Attribute anzueignen, die mich erotischer machen, als ich tatsächlich bin.

Nur zur Illustration: Nennen Sie bitte ein Beispiel für aufgesetzte Erotik.
Vielleicht Nicole Kidman, die ist ja ursprünglich sehr erotisch, doch durch ihre Versuche, das noch extra zu betonen, hat sie an Credibility verloren.

Und ein Beispiel für natürliche Erotik?
Helen Mirren. Von der gibt es ein Foto in der Badewanne, das ist Erotik pur. Da geht es auch um eine gewisse Selbstsicherheit. Menschen, die ganz bei sich selbst angekommen sind, wirken wahnsinnig erotisch.

Und Sie? Sind Sie ganz bei sich angekommen?
Ja, ich denke schon. Allerdings musste auch ich erst lernen, auf dem Thron der Weiblichkeit zu thronen, das ist etwas Wunderschönes. Trotzdem spüre ich auch diese andere Seite, ich spüre ganz oft den Mann in mir.

Wie meinen Sie das?
Na ja, wir alle haben ja hormonell beides in uns, zwar nicht in gleichem Ausmaß, aber immerhin.

Und wie kommt das Männliche in Ihnen zum Ausdruck?
Zum Beispiel in Form von Aggression - und der Kraft, die man aus ihr entwickelt. So entsteht dieses Gefühl, Bäume ausreißen zu können. Meine Mutter hat drei Kinder alleine großgezogen, die war auch Mann und Frau in einem, die Gesellschaft fordert das mitunter. Aber genau das ist das Problem, das viele Männer haben, nämlich dass sie ihre weibliche Seite nicht zulassen und so nicht komplett sein können. Erst wenn man sich im Einklang mit beidem befindet, kann man in sich ruhen, erst dann ist man bei sich angekommen.

Diese Männlichkeit in Ihnen, macht die den Männern Angst?
Ja, ganz sicher. Ich habe schon so oft gehört, dass Männer vor mir Angst haben. Der letzte hat das so ausgedrückt: "Weißt du, du redest so bestimmt und laut, das heißt für den Mann, dass du eine ganz bestimmte, unverrückbare Vorstellung hast." Ich selbst nehme das an mir nicht so drastisch wahr, merke aber dennoch, dass es Männer einschüchtern kann. Viele Männer wollen sich ja gar nicht beweisen müssen - aber ich finde es halt leider unspannend, wenn keine Reibung entsteht. Ich brauche diese Konfrontation. Und ich glaube, Männer zu brauchen, die dem gewachsen sind.

Und die Anzahl der Männer, die sich das zutrauen, ist überschaubar?
Ja, denn aus einem ganz tiefen Unterbewusstsein heraus klammern sich viele Männer an dieses archetypische Verhalten: Ich habe das Testosteron, ich habe die Muskelkraft, ich muss der Starke sein und die Frau die Weiche. Das ist ein Bild, dem die Männer hinterherweinen.

Sie haben eingangs erwähnt, Ihre Mutter habe Sie auf eine katholische Eliteschule geschickt, um Ihnen etwaige Nachteile aufgrund Ihrer Herkunft zu ersparen. Wie war denn Ihr Alltag als Kind der dritten Einwanderergeneration?
Klar hat mich ab und zu jemand Tschusch genannt, aber eigentlich bin ich sehr behütet aufgewachsen. Auch wenn unsere damalige Hausmeisterwohnung - Zimmer, Küche, kein Bad, Klo am Gang -doch ziemlich bescheiden war. Meine Oma hat noch auf dem Gasherd das Wasser im Kochtopf aufgewärmt, damit ich mich baden konnte. Im Großen und Ganzen waren die meisten Leute recht nett zu uns, aber wir waren halt trotzdem nur die Jugos aus dem Parterre, und das haben wir gespürt. Heute führt meine Mutter das Lokal, in dem sie früher kellnerte, es ist wie mein zweites Wohnzimmer. Aber auch hier gibt es Leute, die mir ganz beiläufig Dinge ins Gesicht sagen wie: "Wir halten die Jugos nicht aus, aber du bist ja ganz anders." Oder: "Kein Wunder, dass die nicht aussterben, da kriegt ja jede zehn Kinder." Es ist ganz eigenartig, dass die mit mir manchmal so reden - so, als würde ich zu "denen da" gar nicht dazugehören.

Hier, im Café Ihrer Mutter, sprechen Sie Wiener Mundart, am Set sprechen Sie hochdeutscher als jede Hamburgerin. Sind das zwei völlig unterschiedliche Milieus, zwischen denen Sie da pendeln?
Ja, das ist schon schizophren. Ich hatte erst unlängst vier Tage Urlaub vom "Tatort"-Dreh in Stuttgart, da war ich hier in Wien bei meinem Sohn, bin also wieder zurück in meine private Lebensrolle geschlüpft. Dann bin ich wieder nach Stuttgart, und das Erste, was ich machen musste, war, mit einer Waffe durch einen Gang zu laufen und jemanden zu bedrohen. Ich musste abbrechen, weil ich plötzlich lauthals zu lachen begann: Ich hatte das Gefühl, dass mir das, was ich hier mache, jetzt im Vergleich zur Echtwelt viel zu peinlich ist, dass es nicht meiner emotionalen Haltung zum Leben entspricht. Manchmal muss man sich richtig zwingen, diesen inneren Schweinehund zu überwinden, das ist nichts, was immer automatisch passiert.

Sie sind alleinerziehende Mutter, Ihr Sohn ist 13. Gibt es Momente, in denen Sie sich denken: Jetzt sollte ich eigentlich daheimbleiben und mein Kind nicht schon wieder bei der Oma lassen?
Ich dachte früher immer, ich muss mein Kind permanent entertainen, sonst ist es nicht gefordert und nicht glücklich. Dann bin ich draufgekommen, dass meine Unterforderung als Kind eigentlich der Motor dafür war, in die Kunst zu finden. Und dass Langeweile ein ganz wichtiger Prozess ist, den man auszuhalten lernen muss. Das heißt aber nicht, dass ich kein schlechtes Gewissen hätte, wenn ich nach drei Wochen Dreh nach Hause komme und dann aus Berufsgründen sofort auf eine Abendveranstaltung muss.

Wie sind Sie als Mutter?
Endlich glücklich - doch das ist alles andere als selbstverständlich. Anfangs bin ich in die Mutterrolle voll und radikal reingekippt. Will denn nicht jede Mutter nur das Beste für ihr Kind? Diese Phase war extrem wichtig, eine ganz gewaltige Egoprüfung. Mich selbst absolut zurückzunehmen war eine Erfahrung, die mich reicher machte. Doch mit den Jahren habe ich gemerkt, dass es mich nicht glücklich macht, wenn ich mich selbst praktisch aufgebe. Mein Weg zurück in den Job war gut für mich - und auch gut für mein Kind.

Kommentare

männer, die schwach sind, holen sich starke frauen. oft hatten diese männer abwesende mütter in ihrer kindheit.

bethazile melden

hübsche, intelligente frau. egal wo ihre wurzeln sind, sie ist Österreicherin. sieht aus wie ein wenig Selina Gomez in dark rises... aber man sieht dass sich alles wiederholt. mutter alleinerzieherin, und auch tochter. wie ein Stigma.

Oberon
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Stigma? Das würde ich nicht sagen. Als Hobbypsychologin glaube ich eher, weil sie eine alleinerziehende, starke Mutter hatte, hat sie selber auch nicht in ihrer Beziehung ausgeharrt.
Viele, eher schwache Frauen, machen sich von ihren Männern abhängig, halten der Kinder wegen durch oder auch, weil sie sich allein als nicht komplett und daher überfordert fühlen.
Wer es auch allein schafft, .....

Oberon
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.... der ist für mich stark. :-)

Oberon
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Zugegeben, wer in Ö als Österreicher anerkannt werden will, muss - vorerst - österreichischer sein, als ein Einheimischer. Nachlassen kann man ja noch immer. ;-)
Hilfreich und Sympathie schaffend ist es auf jeden Fall, sich mit deutschsprachigen Öst. in deren Muttersprache zu unterhalten, egal, wie viele Sprachfehler es da gibt. Ganz allgemein traue ich mich zu
behaupten, dass Serben in Ö.....

Oberon
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... besser integriert sind, als so manche anderen Migranten.
Bzgl. Kath. Privatschule. Die ist nicht gratis und ich als Ex-Katholikin denke, die Kirche wird da eine Ausnahme machen, wenn Schüler nicht den "Idealvorstellungen" entsprechen. Das gilt übrigens auch für
Einheimische!
Starke Männer, gibt's die? Wobei ich nicht die Muskelkraft meine. Müsste ICH mich entscheiden, würde ich mich...

Oberon
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... für den mental Starken entscheiden. :-)

bethazile melden

ob die frau mental stark ist, kann ich nicht entscheiden. ist Ansichtssache. es gibt wirklich mental starke mütter die mehrere kinder alleine gross ziehen.--das sind für mich mental starke Frauen. so wie die mutter der Schauspielerin.

Oberon
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Kleines Missverständnis. Ich bezog mich auf den Artikel, in dem steht, dass Männer Angst vor ihr haben. Vor schwachen Frauen hat kaum ein Mann Angst, vor starken Frauen aber schon.
Mit "mental stark" meinte ich, ICH würde als Frau bevorzugt einen solchen wollen, denn - Muskelkraft macht's nicht aus. ;-)

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