Gleichberechtigung

Arbeiter sind nicht weniger wert als Angestellte, argumentieren die Befürworter einer Angleichung. Gegner fürchten hohe Kosten für die Wirtschaft.

von Stefan Melichar © Bild: News/Ian Ehm

Es war im Wahlkampffi nish ein zentrales Streitthema inhaltlicher Natur: die rechtliche Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten. Vor allem zwischen SPÖ und ÖVP herrschte große Aufregung. Zu Redaktionsschluss war offen, ob die SPÖ vielleicht noch vor der Wahl ohne ÖVP eine Mehrheit dafür finden würde.

Dabei zeigt ein Blick ins Archiv, dass das Problem längst gelöst sein müsste: In einer Presseaussendung von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) zur Halbzeitbilanz seiner schwarz-blauen Bundesregierung 2002 stand: "Zudem haben wir die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten durchgesetzt." Dann ist ja wohl alles erledigt. Oder doch nicht?

Um die wechselvolle Geschichte dieses politischen Zankapfels zu verstehen, lohnt es sich, ein weiteres Jahrzehnt zurückzublicken: 1991 sprach sich der damalige SPÖ-Zentralsekretär Peter Marizzi "für die völlige rechtliche Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten aus". Marizzi hoffte auf die Umsetzung "in den nächsten beiden Jahren". Daraus wurde nichts. Die Antwort der ÖVP-Angestelltensprecherin Ingrid Korosec kam prompt: Man sei "für ein gleichwertiges Arbeitsrecht für Arbeiter und Angestellte, aber nicht für Gleichmacherei um jeden Preis". In etwa bei diesem Patt blieb es bis zuletzt. Dabei gab es in der Zwischenzeit durchaus bemerkenswerte Anläufe: einen zarten etwa vom damaligen ÖVP-Landesrat Josef Pühringer, einen harten vom Gewerkschaftsbund, der 1995 eine "Aktion Fairness" startete, die jahrelang Wellen schlug. SPÖ-Bundeskanzler Franz Vranitzky unterstützte die Idee ebenso wie sein Nachfolger Viktor Klima. Im Wahlkampf 1999 war die Gleichstellung ein heißes Thema. Dann kam Schüssel mit einer Regelung, die letztlich nur eine Angleichung in einem Teilbereich war.

In Österreich gibt es rund 1,4 Millionen Arbeiter und zwei Millionen Angestellte. Wo liegen die Unterschiede? Angestellte sind bei den Kündigungsfristen deutlich bessergestellt als Arbeiter. In manchen Arbeiter-Kollektivverträgen ist eine Entgeltfortzahlung bei Dienstverhinderung aus wichtigen persönlichen Gründen -etwa bei Erkrankung eines Kindes - ausgeschlossen. Und die Entgeltfortzahlung im Krankenstand ist ebenfalls unterschiedlich geregelt.

Arbeiter sind nicht weniger wert als Angestellte, argumentieren die Befürworter einer Angleichung. Gegner fürchten hohe Kosten für die Wirtschaft. Sollte das Thema bei Erscheinen dieser Ausgabe noch nicht entschieden sein, dauert es wohl noch einmal 25 Jahre.

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