E-Zigarette: Ist sie
wirklich so harmlos?

Berichte aus den USA sorgen für Aufregung: Über 150 Frauen und Männer werden derzeit wegen schweren Lungenproblemen behandelt. Der Auslöser? Man weiß es nicht. Was man allerdings weiß, ist, dass alle Patienten E-Zigaretten benützt haben. Einmal mehr stellt sich die Frage: Sind E-Zigaretten wirklich so harmlos, wie wir alle glauben?

von Mysteriöse Krankheit - E-Zigarette: Ist sie
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US-amerikanische Behörden prüfen zur Zeit einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von schwerwiegenden Lungenproblemen und dem Konsum von E-Zigaretten. Konkret werden 153 Fälle, die zwischen Ende Juni und dem 20. August in insgesamt 16 Bundesstaaten aufgetreten sind, untersucht. Allein in Wisconsin wurde ein knappes Drittel der Erkrankungen verzeichnet. Noch ist nicht klar, ob deren Ursache auf die Nutzung der Vaporizer zurückzuführen ist.

»Selbstverständlich sind E-Zigaretten nicht harmlos«

Dabei ist es noch nicht allzu lange her, dass die heute gern genutzten Produkte für Schlagzeilen sorgten. Erst in diesem Frühjahr hatte die US-Gesundheitsbehörde FDA einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Krampfanfällen und der Nutzung von E-Zigaretten geprüft. Die 35 Fälle, um die es sich dabei handelte, traten allerdings über einen wesentlich längeren Zeitraum verteilt, nämlich zwischen 2010 und 2019 auf. Dennoch stellt sich die Frage: Sind E-Zigaretten wirklich unbedenklich?

Dramatischer Umbruch des Nikotinmarkts

"Das Problem beim Nikotinkonsum beginnt damit, dass zum Freisetzen von Nikotin Tabak verbrannt wird", erklärt Prof. Michael Kunze, Vorstand des Instituts für Sozialmedizin der MedUni Wien. Durch die Verbrennung organischen Materials bilden sich krebserregende Schadstoffe, die mit dem Einatmen in unsere Lunge und schließlich in unseren Körper gelangen. Das im Zigarettenrauch enthaltene Kohlenmonoxid wiederum vermindert den Sauerstoffgehalt in unserem Blut.

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"Wenn ich dem Körper nun Nikotin zuführe, ohne dabei etwas zu verbrennen, dann müssen die Auswirkungen - logisch betrachtet - weit weniger schlimm sein", folgert der Experte, dem zufolge der Nikotinmarkt in den letzten Jahren einen dramatischen Umbruch erlebt hat. "Die E-Zigarette ist in unserer Gesellschaft längst angekommen." Der Konsum herkömmlicher Zigaretten nimmt ab, der elektronischer zu. Und auch die E-Zigarette selbst hat seit ihren Anfängen einen nicht unbeträchtlichen Wandel erlebt.

Strenge Qualitätskontrollen

So wusste man anfangs oft nicht, wo das Produkt herkam, geschweige denn, welche Inhaltsstoffe es enthielt. "In Europa waren zeitweise 250 Produkte gleichzeitig auf dem Markt. Viele davon wurden, überspitzt formuliert, in irgendwelchen Hinterzimmern hergestellt", so Kunze. Heute unterliegen die Produkte - zumindest die großer Hersteller - strengen Qualitätskontrollen. "Die werden rauf und runter geprüft." Was natürlich noch lange nicht heiße, dass sie gesund seien.

»Viele Produkte wurden in irgendwelchen Hinterzimmern hergestellt«

"Selbstverständlich sind E-Zigaretten nicht harmlos", betont der Sozialmediziner. Immerhin dienen sie der Aufnahme eines Suchtmittels. Nikotin selbst verursacht aber weder Lungenkrebs noch Herzinfarkt. Verglichen mit herkömmlichen Zigaretten stellen E-Zigaretten daher eine wesentlich geringere Gefahr für die Gesundheit und damit einen wichtigen Bestandteil in der Behandlung stark nikotinabhängiger Personen dar. Immer vorausgesetzt natürlich, man greift auf qualitätsgeprüfte Produkte zurück.

Mögliche Ursachen für Lungenprobleme

Und wie lässt sich nun das gehäufte Auftreten von Lungenproblemen bei Personen, die zuvor Vaporizer benutzt haben, erklären? "Dass so etwas wie Rauch oder andere reizende Substanzen die Lunge beeinflusst, ist klar." Noch nicht geklärt ist allerdings, ob man besagte Fälle tatsächlich auf die Nutzung von E-Zigaretten zurückführen kann. Zu viele Fragen seien noch offen. Etwa ob die Patienten an einer Vorerkrankung litten, wie sie die Liquids dosiert und ob sie auch noch andere Substanzen inhaliert haben?

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Zwar neigt der Mensch dazu, zwei aufeinander folgende Phänomene in direkten Zusammenhang miteinander zu bringen, doch "nur weil zwei Dinge zeitlich miteinander verbunden sind, heißt das noch lange nicht, dass da auch wirklich ein kausaler Zusammenhang besteht", sprich das eine das andere ausgelöst hat. Was man dem Experten zufolge dagegen derzeit nicht ausschließen könne, sei ein Produktionsfehler. So könnte es sein, dass eine Verunreinigung der Liquids schuld an der Misere ist.

Noch keine Langzeitstudien

Der Tatsache, dass es sich bei der E-Zigarette um ein relativ neuartiges Produkt handelt, ist es geschuldet, dass es in diesem Bereich noch keine Langzeitstudien gibt. Mit anderen Worten: Wir wissen nicht, welchen gesundheitlichen Effekt der Konsum tatsächlich hat. Doch: "Die Schweden zeigen uns vor, dass dieses Prinzip funktioniert", so Kunze. In dem skandinavischen Land wird, ebenso wie in Norwegen, nämlich schon seit über hundert Jahren der sogenannte Snus konsumiert.

»Die Schweden zeigen uns vor, dass dieses Prinzip funktioniert«

Dabei handelt es sich um lose oder in Säckchen verkauften Tabak, der nicht geraucht, sondern hinter der Ober- oder Unterlippe platziert wird. Die Inhaltsstoffe werden über die Mundschleimhaut aufgenommen. Schätzungen zufolge ist das gesundheitliche Risiko, das der rauchlose Konsum im Vergleich zum Tabakrauchen mit sich bringt, um 90 bis 95 Prozent geringer. Das betrifft sowohl sämtliche Krebserkrankungen als auch Herz-/Kreislauferkrankungen.

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"Am gescheitesten ist es natürlich, man nimmt nichts von alledem", betont der Sozialmediziner. Für diejenigen, die mit dem Nikotinkonsum nicht aufhören können oder wollen, stellen derartige Produkte aber - zumindest vorübergehend - eine akzeptable Alternative dar. Ob E-Zigaretten nun tatsächlich Auslöser der schweren Lungenprobleme in den USA sind, wird sich weisen. Jedenfalls sind sie, so Kunze, "nach allem, was wir heute wissen, weit weniger gefährlich als Zigaretten."