In Fleisch und Blut

3 Generationen, 1 Job. Wie ist es, wenn Vater und Großvater denselben Beruf haben

3 Generationen, 1 Job. Wie ist es, wenn Vater und Großvater der gleichen Beruf haben wie man selbst? In News sprechen sechs Familien, in denen der Beruf vererbt wird.

von Berufsportraits: 3 Generationen - 1 Beruf © Bild: Michael Appelt

Ob große Familienfeier mit 45 Personen, Sonntagnachmittag-Jause bei Oma Stefanie, 83, oder Taufe eines der Urenkel - bei Familie Starkl geht es meist um eines: Pflanzen. Die monothematischen Gespräche haben in der niederösterreichischen Großfamilie ihren guten Grund. Die meisten Starkls haben, wie einst der Urgroßvater vor 101 Jahren, ihren grünen Daumen zum Beruf gemacht und sind gemeinsam in der gleichnamigen Tullnerfelder Gärtnerei tätig.

"Man wächst", sagt Manfred, "damit auf. Ich arbeite schon in der vierten Generation mit Pflanzen." Ob für den 25-Jährigen jemals eine andere Profession in Frage gekommen wäre? "Nein. Für mich war das schon als Kind klar."

Beruf als Familientradition

Ein Beruf, drei Generationen - dass der Job vererbt wird, ist auch heutzutage in Österreich nicht ungewöhnlich. Und das gilt nicht nur für Familienunternehmen.

NEWS traf sieben Familien aus Wien, Niederösterreich und Kärnten, in denen Großvater, Vater und Sohn oder Oma, Mutter und Tochter im selben Beruf tätig sind. Als Gärtner, Fleischer, Straßenbahn-Mechaniker, Konditor, Autoverkäufer oder Heurigenmusiker. Wie ist das Arbeitsklima, wenn der Vater zugleich der Chef ist? Wie ist es, wenn man den Betrieb übernimmt und alles anders machen will als der Großvater oder die Großmutter? Was war die Entscheidung, ausgerechnet den selben Job ausüben zu wollen wie die Altvorderen, und dann oft noch in der gleichen Firma? Wie gelingt die Trennung zwischen Arbeit und Privatleben?

So unterschiedlich die Branchen sind - alle Familien verbindet in erster Linie eines: die Liebe zu dem, was sie tun. Und das Bewusstsein, eine langjährige Tradition fortzuführen, die oftmals schlicht und einfach im Blut zu liegen scheint.

Die Fleischer

Regina (47), Rudolf (74) und Daniel (22) aus Göllersdorf (NÖ)

© Michael Appelt

Macht Ihnen Ihr Beruf Freude?
Großvater: Ja, es macht mir noch immer Freude, handwerklich tätig sein und etwas herstellen zu können. Ich habe 1962 meine Meisterprüfung gemacht und arbeite noch immer im Betrieb mit. Ich möchte meiner Familie helfen, vor allem, nachdem mein Sohn, Daniels Vater, vor 15 Jahren verstorben ist und meine Schwiegertochter das Fleischerfachgeschäft Schwarzböck alleine weitergeführt hat.
Mutter: Ich freue mich, wenn wir unseren Kunden etwas anbieten können, das ihnen schmeckt.
Sohn: Ich habe schon seit meiner Kindheit gesehen, wie sehr meine Eltern ihren Beruf mochten. Das haben sie mir vermittelt. NEWS: Wie hat sich der Beruf des Fleischers im Laufe der Jahrzehnte verändert?
Großvater: Es ist schwieriger geworden. Früher gab es nur beim Fleischhauer Fleisch, heute kaufen viele Kunden im Supermarkt. Darum hören viele Fleischerbetriebe auf.
Mutter: Wir bemühen uns sehr, auf die Wünsche der Kunden einzugehen, ihnen etwas Besonderes zu bieten, verkaufen etwa in der Grillsaison gefüllte Koteletts. Wir kennen viele unserer Kunden persönlich und beraten sie. Man muss den Menschen einen Grund geben, in ein Fachgeschäft zu gehen.

Sprechen Sie privat über den Beruf?
Mutter: Wenn wir noch etwas für den nächsten Tag zu besprechen haben, schon.

Haben Sie Ihren Sohn in dem Wunsch bestärkt, Fleischer zu werden?
Sohn: Meine Mutter hat immer gesagt, ich kann machen, was ich möchte, jeden Beruf lernen, der mich interessiert, oder weiter in die Schule gehen. Ich wollte aus eigenem Wunsch Fleischer werden.
Mutter: Es ist ein harter Beruf. Es hätte doch keinen Sinn, ihn zu erlernen, wenn man ihn nicht gerne ausübt.
Großvater: Gefreut haben wir uns trotzdem. Als er mit 21 Jahren die Meisterprüfung gemacht hat, war ich sehr stolz auf ihn. Immerhin ist er schon die sechste Generation.

Die Gärtner

Maria (57), Stefanie (83) und Manfred (25) aus Frauenhofen (NÖ)

© Michael Appelt

War immer klar, dass Sie in die Fußstapfen der Eltern treten werden?
Mutter: Bei mir nicht. Das Interesse an Pflanzen war zwar da, ich habe dann aber Kunstgeschichte studiert. Dann bin ich aber doch ins Geschäft eingestiegen, weil wir Personal gebraucht haben. Bei meinem Sohn war das ganz anders …
Sohn: Ich wollte schon als kleines Kind immer nur in der Natur sein - und ich habe keine einzige Minute darüber nachgedacht, etwas anderes zu tun.

Sprechen Sie wenn Sie sich treffen viel über den Beruf?
Großmutter: Ich habe fünf Kinder, 18 Enkelkinder und 9 Urenkel - und alle meine Kinder und viele Enkel arbeiten im Unternehmen. Da redet man sehr oft übers Geschäft, welche neuen Pflanzen am Markt sind, wie die einzelnen Produkte sich verkaufen.
Sohn: Der Nachteil, wenn alle den selben Job haben, ist wohl, dass man immer mit den anderen verglichen wird. Aber die Vorteile überwiegen definitiv.
Mutter: Man kann sich Rat holen, profitiert von der Erfahrung der anderen und kann dann seine eigenen Ideen verwirklichen.

Was machen Sie anders?
Mutter: Ich weiß gar nicht, ob ich so viel anders mache als meine Mutter. Das Wichtigste ist, dass man die Freiheit hat selber Fehler zu machen - nur so lernt man.
Sohn: In meiner Generation wurde zum Beispiel der Service erweitert. Viele Kunden wollen heutzutage nicht mehr viel Zeit investieren, bringen ihre Blumenkisten zu uns, lassen sie bepflanzen und holen sie dann wieder ab. Das wäre zu Omas Zeiten noch undenkbar gewesen. Auch denke ich globaler, habe schon Geschäftsreisen nach Japan oder Australien gemacht, um mir Gartencenter dort anzusehen. Man muss in die Zukunft schauen und darf niemals stehen bleiben.
Großmutter: Die Jüngeren müssen Dinge neu machen und verändern können. Das haben wir im Vergleich zu unseren Eltern ja auch getan.

Die Zuckerbäcker

Raimund (74), Maria (94) und Katharina (42) aus Villach

© Michael Appelt

Warum wollten Sie Konditor werden?
Großmutter: Ich habe als junge Frau in die Konditorei Rainer eingeheiratet, ich hatte keine Ausbildung zur Konditorin. Als mein Mann im Krieg gefallen ist, habe ich das Geschäft übernommen. Ich habe es mit fünf Mitarbeitern neu aufgebaut. Das hat mir viel Freude gemacht.
Vater: Ich habe eine gezielte Ausbildung gemacht, um meiner Mutter rasch helfen zu können. Mit 20 Jahren habe ich als jüngster Konditormeister Österreichs das Geschäft übernommen. Und heute helfe ich meiner Tochter immer noch gerne.
Tochter: Ich wollte nicht von Kind an Konditorin sein. Aber nach der Matura habe ich mich entschieden, diese Ausbildung zu machen. Der Entschluss ist langsam gereift.

Wären Sie enttäuscht gewesen, wenn kein Kind die Tradition fortgeführt hätte?
Großmutter: Ja, wenn keiner meiner Söhne die Konditorei weitergeführt hätte, schon. Dass nun meine Enkelin die Konditorei führt, freut mich fast noch mehr.
Tochter: Mein Vater hätte es verstanden. Mein 14-jähriger Sohn geht jetzt in die Hotelfachschule. Wenn er nach der Matura sagt: ‚Mama, jetzt studiere ich Medizin‘, bin ich genauso einverstanden.

Haben Sie unterschiedliche Stärken?
Tochter: Mein Vater ist der Fachmann, was das Konditoreigewerbe betrifft. Ich kümmere mich vor allem um wirtschaftliche Belange und stehe nicht mehr den ganzen Tage in der Backstube, wie mein Vater früher.

Ist es leichter oder schwieriger geworden, eine Konditorei und ein Restaurant zu führen als früher?
Großmutter: Es ist eine ganz andere Zeit. Früher mussten wir alles mit der Hand machen, dafür war die Konkurrenz geringer.
Vater: In jedem Supermarkt gibt es Regale voll Marmorkuchen. Wir müssen uns jeden Tag neu darum bemühen, dass unsere Kunden zufrieden hinausgehen.

Was macht einen guten Konditor aus?
Tochter: Engagement, Zeitaufwand, Fachwissen, um die Kunden beraten zu können - und natürlich Produkte, die gut schmecken.

Die Musiker

Niki (28), Walter (90) und Tommy (47) aus Wien

© Michael Appelt

Liegt der Familie Hojsa die Musik im Blut?
Vater: Ich glaube schon. Mein Vater ist 1941 erstmals aufgetreten, macht Heurigenmusik, seit ich denken kann. Ich selber habe mit 5 Jahren begonnen, Klavier zu spielen.
Sohn: Ich habe mit 12 Jahren mit Gitarre begonnen, habe während meinem Zivildienst für die Bewohner eines Altersheims Wiener Lieder gespielt und komponiere auch selber.
Großvater: Mein erstes Gehalt habe ich noch in Reichsmark bekommen, und ich spiele jetzt mit 90 Jahren immer noch Akkordeon. Wir haben alle drei eine besondere Ebene auf der wir uns verstehen - die Musik.

Was machen Sie anders als Ihr Vater?
Sohn: Ich spiele vor allem Jazz, in einer eigenen Band und nicht mehr beim Heurigen.
Vater: Ich bin teilweise in die Fußstapfen meines Vaters getreten, mache immer noch Heurigenmusik, bin aber auch Theatermusiker und heuer unter anderen bei den Salzburger Festspielen tätig.

News: Was lieben Sie an Ihrem Beruf am meisten?
Großvater: Am schönsten ist es, wenn ein Heurigenbesucher zu mir sagt, dass er sich gut unterhalten hat, weil ich Lieder gespielt habe, die er mag.
Sohn: Für mich ist es der Applaus der Publikums - das ist das schönste Lob.
Vater: Für mich ist es dieser ganz spezielle Zustand, in den man kommt, wenn man Musik macht. Das ist ein besonderer Glücksmoment.

Machen Sie auch gemeinsam Musik?
Großvater: Seit zwei Jahren spielen mein Sohn und ich wieder gemeinsam - und das ist wunderschön für mich.
Vater: Wir reden deshalb auch viel über unseren Beruf. Jeder von uns hat einen eigenen Stil, seinen individuellen Zugang, je nachdem, in welcher Zeit und mit welchen musikalischen Einflüssen er aufgewachsen ist. Dennoch war es immer schon wichtig, was die Familie darüber denkt, was wir machen.

Die Apotheker

Elda (51), Paula (25) und Ezio (72) aus Wiener Neustadt (NÖ)

© Michael Appelt

Haben Sie alles so gemacht wie Ihre Eltern?
Mutter: Teils, teils. Wir Camus‘ sind in fünfter Generation Apotheker, haben Anfang Mai das 100-jährige Jubiläum unserer "Heiland Apotheke“ gefeiert - da nimmt man schon was mit. Wie mein Vater und sein Bruder lege ich Wert auf unsere traditionellen Spezialiäten wie Hustensaft und Tee.
Großvater: Meine Tochter hat aber auch viel neuen Schwung hineingebracht. Sie hat bei uns zum Beispiel Babymassage initiiert und bietet viel im Bereich Wellness an.
Enkeltochter: Ich studiere noch Pharmazie und lasse es mal auf mich zukommen.

Wie hat sich Ihre Branche im Lauf der Zeit verändert?
Großvater: Zu meinen Zeiten sind die Kunden vor allem wegen Medikamenten in die Apotheke gekommen. Wir haben damals noch sehr viel mehr selber hergestellt, noch selber Pillen gedreht.
Tochter: Heutzutage ist der Bereich Wellness wichtig geworden. Das Spektrum dessen, was die Kunden bei uns suchen, hat sich definitiv stark erweitert.

Was hätten Sie gesagt, wenn Ihre Tochter einen anderen Beruf gewählt hätte?
Großvater: Nichts - was hätte ich schon sagen sollen? Jeder muss ja für sich selber entscheiden, welchen Weg er geht.
Mutter: Meine Tochter hat ursprünglich Wirtschaft studiert, und es war auch in Ordnung für mich. Als sie sich dann doch für Pharmazie entschieden hat, habe ich mich aber schon gefreut. Für mich war es eine klare Sache, dass ich Apothekerin werde. Ich bin da im wahrsten Sinn des Wortes hineingewachsen.

Was gibt man den Kindern mit auf den Weg, wenn der Beruf in der Familie bleibt?
Großvater: Ich glaube man muss in erster Linie eines tun: Ihnen Freiraum geben und nicht andauernd dreinreden. Nur so können sie ihren eigenen Weg gehen. Und: wir versuchen privat so wenig wie möglich über den Job zu reden.

Die Autohändler

Burkhard (58), Stephanie (26), und Burkhard (83) aus Wien

© Michael Appelt

Wenn man im selben Job arbeitet, spricht man privat dann noch darüber?
Tochter: Wir arbeiten nicht nur gemeinsam, sondern wohnen auch im selben Haus. Da ergibt es sich fast zwangsläufig, dass man darüber spricht.
Vater: Ich versuche das immer zu vermeiden. Privatleben soll Privatleben bleiben, und Job soll Job bleiben.
Großvater: Ich bin da ja anders, will immer schon in der Früh über alles reden, was am Tag zu tun ist und erledigt werden muss.

Gibt es so etwas wie eine beruflichen Wert, den Sie weiter vererben?
Großvater: Ich hab vor 55 Jahren das Autohaus "Mazda Rainer“ in Wien gegründet. Für mich war immer das Wichtigste, Handschlagqualität zu haben. Der Kunde muss einem vertrauen können, gleichgültig ob es um einen Neuwagenkauf geht oder um eine kleine Schraube.
Vater: Und genau diesen Wert habe ich an meine Tochter weitergegeben. Ehrlichkeit, Transparenz und Offenheit - das ist wichtig.

Ist man ein strengerer Kritiker, wenn die Kinder den gleichen Job haben?
Großvater: Auf jeden Fall. Von anderen erwarte ich mir 100 Prozent - von meiner Enkeltochter 200 Prozent.
Tochter: Es hat auch Vorteile, wenn man den gleichen Beruf wie die Generationen vor einem hat, gerade wenn man im selben Betrieb ist: Man ist ein vielleicht mutiger, neue Dinge auszuprobieren.

Warum haben Sie sich genau für diesen Beruf entschieden?
Tochter: Ich habe mit 14 gewusst, dass ich ins Autogeschäft will, und bin von der AHS zur HAK gewechselt. Autos sind etwas, über das jeder redet - und sie betreffen viele Menschen.
Vater: Da gebe ich meiner Tochter Recht. Bei mir war’s so, dass ich einfach in das Geschäft reingewachsen bin.

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