Doskozils Zeuge

Noch ist nicht bekannt, auf welche Beweise sich die Anzeige des Verteidigungsministers in der Causa Eurofighter gegen Airbus stützt. Ein Dokument, das News vorliegt, könnte dabei aber eine entscheidende Rolle spielen.

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AFFÄRE - Doskozils Zeuge

Er eröffnete mit Verteidigungsminister Scheibner Mitte 2002 die Vertragsverhandlungen. Er traf sich mit Wirtschaftsminister Bartenstein. Schon 2001 war er dabei gewesen, als Finanzminister Karl-Heinz Grasser das Eurofighter-Werk in Manching besichtigte. Grasser kam damals übrigens im Jet der Firma Magna, die später in großem Stil Gegengeschäftsaufträge erhalten sollte. Und Anfang 2002 traf der Mann, um den es hier geht, auch Jörg Haider, für dessen Vorzeige-Firmenpark am Wörthersee Jahre später durch dubiose Kanäle vier Millionen Euro fließen sollten.

Aloysius Rauen war also nahe dran, als Österreich 2003 den Kauf von Eurofighter-Kampfflugzeugen fixierte. Er war schließlich Chef der Militärflugzeugsparte von EADS. Und der Eurofighter Typhoon war das militärische Prunkstück des Luftfahrtkonzerns, der heute Airbus heißt.

Beweisstück Nummer eins?

Nun könnte es gerade Rauen sein, der Airbus Kopfzerbrechen bereitet. Und zwar in Bezug auf einen der beiden Hauptvorwürfe, die SPÖ-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil nach einer intensiven Prüfung durch eine Task Force vor einigen Tagen zur Anzeige gebracht hat.

Es geht um die Frage, ob EADS und die Firma Eurofighter Jagdflugzeug GmbH die Summe von 183,4 Millionen Euro heimlich in den Kaufpreis der Kampfflugzeuge einberechnet haben. Diese Summe wäre zur Abwicklung von sogenannten Gegengeschäften gedacht gewesen und hätte -laut Ausschreibungsunterlagen - separat ausgewiesen werden müssen, meint man im Verteidigungsministerium. Der Schluss daraus: Die Flugzeuge seien nicht 1,96 Milliarden Euro wert gewesen, sondern weniger. Darüber sei die Republik Österreich getäuscht worden, um zu erreichen, dass keine - im Betrieb günstigeren - Gripen-Kampfjets von Saab gekauft würden.

Bis dato ist nicht bekannt, auf welche Beweise sich die Sachverhaltsdarstellung des Ministers gegen die Airbus Defence and Space GmbH und die Eurofighter Jagdflugzeug GmbH stützt. Am Ende könnte jedoch ausgerechnet Aloysius Rauen - ungewollt - zu einem der wichtigsten Zeugen Doskozils werden. Der Ex-EADS-Manager wurde nämlich im Oktober 2013 von der Anwaltskanzlei Clifford Chance zum Eurofighter-Deal befragt. Und dabei kam auch das Thema Gegengeschäftskosten ausführlich zur Sprache. EADS selbst hatte die Großkanzlei mit weitreichenden internen Ermittlungen beauftragt. News liegen - wie in den vergangenen Jahren mehrfach berichtet - Clifford-Chance-Unterlagen vor. Und die 22-seitige Zusammenfassung, die die Kanzlei über die erwähnte Befragung Rauens angefertigt hat, könnte zu so etwas wie Beweisstück eins im Match Österreich gegen Airbus werden.

Konkret fragte Heiner H. von Clifford Chance Rauen nach einem Vertrag, mit dem die Firma Eurofighter Ende 2004 ihre Verpflichtungen aus den Gegengeschäften an EADS Deutschland abgetreten hat. Eurofighter hatte nämlich zugesagt, dafür zu sorgen, dass Österreichs Wirtschaft über zusätzliche Aufträge mit vier Milliarden Euro profitieren würde - die sogenannten Gegen- oder Offset-Geschäfte. Rauen wurde 2004 Chef von Eurofighter, und die Firma zahlte an EADS für die Übernahme der Verpflichtung eben jene 183,4 Millionen Euro, um die es auch in der Anzeige geht.

"Garantiert eingepreist"

Clifford Chance zitiert in der Niederschrift Rauen so: "EF (Eurofighter, Anm.) habe die Offsetverpflichtungen und das Pönale-Risiko an EADS D übertragen wollen. Im Gegenzug habe EF den Betrag, der für Offset in den Liefervertrag zwischen EF und der Republik Österreich eingepreist gewesen sei, an EADS D weitergeleitet." Und: "Die Offsetkosten seien aber garantiert in den Liefervertrag eingepreist gewesen." Dem zufolge wären also tatsächlich 183,4 Millionen Euro eingerechnet worden. Dies wunderte Herrn H. von Clifford Chance.

Man habe Dokumente gesehen, laut denen "lediglich 5 %für Offset in den Liefervertrag eingepreist worden sein sollen". Das seien in etwa 94 Millionen Euro gewesen, sagte er. Doch Rauen blieb laut Clifford-Chance-Niederschrift dabei: "Herr Rauen entgegnete, dass seinem Verständnis nach der eingepreiste Betrag weitergeleitet worden sei, nämlich EUR 183,4 Mio." Und weil Heiner H. es immer noch nicht glauben konnte, fragte er ein zweites Mal nach und erklärte Rauen noch einmal, dass Dokumenten zufolge "lediglich 5 %für Offset in den Liefervertrag eingepreist worden sein sollen". Die Reaktion laut Niederschrift: "Herr Rauen erklärte, dass das nicht sein Verständnis gewesen sei."

Dieses Dokument ist in doppelter Hinsicht brandheiß. Zum einen, weil Rauen laut der Niederschrift bestätigt, dass die 183,4 Millionen Euro tatsächlich in den Liefervertrag eingepreist gewesen sind. Und weil auch Clifford Chance davon ausgeht, dass Offset-Kosten eingerechnet wurden. Selbst wenn diese nur 94 Millionen Euro betragen hätten, würde das am Prinzip nichts ändern. Rauen wollte später die Entwürfe der Gesprächszusammenfassung, in der es auch noch um zahlreiche andere Themen ging, nicht offiziell abnicken: "Diese geben lediglich das Verständnis der Interviewer der Kanzlei Clifford Chance vom Inhalt der Gespräche zusammenfassend wieder und können deshalb so durch Herrn Rauen nicht autorisiert werden", schrieb sein Anwalt Anfang 2015 allgemein. Was die 183,4 Millionen Euro betrifft, berichtete News jedenfalls vergangene Woche unter anderem über eine interne Preis-Kalkulation aus dem Jahr 2007, in der dieser Betrag unter dem Begriff "Offset" ausgewiesen war. Rauen hat - wie alle anderen Betroffenen -sämtliche Vorwürfe in Zusammenhang mit der Causa Eurofighter immer zurückgewiesen.

Vorwürfe zurückgewiesen

Airbus wiederum bestritt von Anfang an die Vorwürfe aus dem Verteidigungsministerium. Kennt man mittlerweile die Anschuldigungen im Detail? "Lediglich die Sachverhaltsdarstellung liegt uns inzwischen vor. Wir werden uns mit den Vorwürfen im Einzelnen auseinandersetzen. Nach erster Sichtung weisen wir die Vorwürfe nach wie vor entschieden zurück", teilte das Unternehmen mit. Das könnte bedeuten, dass Airbus zwar die Anzeige, aber noch nicht die zugrunde liegenden Dokumente erhalten hat. Airbus verweist seit Längerem darauf, dass man die Behörden unterstütze. Die Clifford-Chance-Unterlagen wurden schon vor geraumer Zeit der Justiz zugänglich gemacht.

Am Donnerstagabend kam jedenfalls Bewegung in die Causa. Das Verteidigungsministerium teilte mit Verweis auf die Staatsanwaltschaft Wien mit, dass Letztere ein Ermittlungsverfahren gegen die beiden angezeigten Airbus-Firmen wegen Betrugsverdachts eingeleitet habe und diese als Beschuldigte geführt würden. "Wir sehen uns in unserer Vorgangsweise bestätigt", erklärte Doskozil.

Für Aufregung sorgte in den vergangenen Tagen auch jene Vereinbarung, mit der der damalige Verteidigungsminister Norbert Darabos Mitte 2007 einen - den Kaufpreis verringernden - Vergleich mit den Jet-Herstellern abgeschlossen hatte. News und mehrere andere Medien berichteten bereits vor einem halben Jahr über die entsprechende Punktation, in der auch ein baldiges Ende des damaligen U-Ausschusses erwähnt wurde. Der damalige Ausschuss-Vorsitzende, Peter Pilz von den Grünen, arbeitet nun an einer Neuauflage - mit ungleich besserem Datenmaterial aus dem Ministerium.