Ein Minister auf Grenzgang

Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil schickt Panzer nach Tirol und sorgt so dies- und jenseits der Brenner- Grenze für Aufregung. Dabei will er bloß Pragmatiker sein

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Politik - Ein Minister auf Grenzgang

Manchmal ist Hans Peter Doskozil ein Freund geradezu subtiler Andeutungen. Beim Formel-1-Rennen in Spielberg etwa trug der Mann, der auch Sportminister ist, seine Rapid-Krawatte. "Nur hat das keiner gesehen", amüsiert er sich tags darauf. Aber zumindest ist damit schon einmal geklärt, welcher Sport dem Minister am nächsten ist: "Es gibt nur eines, was mir wirklich nahe steht: Das ist Rapid."

Als Verteidigungsminister wurde Doskozil zuletzt eher als Mann der großen Geste wahrgenommen. Anfang Juli ließ er vier Pandur-Radpanzer nach Tirol verlegen und 750 Soldaten in Bereitschaft versetzen, um die Brenner-Grenze dichtmachen zu können, sollte die Zahl jener Menschen anwachsen, die nach ihrer Flucht über das Mittelmeer über diese Route von Italien nordwärts ziehen wollen. Weil in Österreich und Italien Wahlkampf ist, war die Aufregung perfekt, und manch einer sah schon Panzer gegen Flüchtlinge auffahren.

Wer politisch eher rechts der Mitte steht - also Heinz-Christian Strache (FPÖ), Sebastian Kurz und Tirols Landeshauptmann Günther Platter (beide ÖVP) -, beeilte sich prompt, martialische Töne anzuschlagen, um beim Thema dabei zu sein. Wer links steht, kritisierte Doskozil oder eierte herum, weil dieser ja ein Parteifreund ist. Bundeskanzler Christian Kern und Bundespräsident Alexander Van der Bellen pfiffen ihn schließlich sanft zurück.

Nur der Verteidigungsminister selbst gibt sich unbeeindruckt: "Wir beurteilen die Sachlage so, wie sie ist. Es gibt ein großes Fluchtpotenzial von Afrika nach Europa. Die Anlandungen nach Italien steigen. Europa verfolgt Lösungsansätze nicht vehement, Italien hat Aufnahmeprobleme, Frankreich führt bereits Grenzkontrollen durch, die Schweiz bereitet sich intensiv darauf vor, auch Bayern würde agieren, wenn die Zahlen steigen. Das erinnert mich an das Jahr 2015, als alle so getan haben, als wäre nichts, und dann sind wir vor Ort von den vielen Flüchtlingen überrascht worden. Wir müssen uns vorbereiten, jetzt, nicht erst zu planen beginnen, wenn es so weit ist. Ich kann ja nicht in der Urlaubszeit schauen, wer Zeit hat. Wir schicken keine Kampfpanzer, sondern Mannschaftstransporter, die für Straßensperren ausgestattet sind. Nicht mehr und nicht weniger. Ich lasse mich nicht aus der Ruhe bringen. Ich mache, was ich für richtig halte, und es bleibt dabei." Und dann sagt er noch zu seinem politischen Grundverständnis: "Ich bin ein absoluter Gegner von viel Polemik. Die Menschen wollen wissen: Was ist Sache, und was macht die Politik?"

Der Mann für alle Fälle

Doskozil deckt den rechten Flügel der SPÖ ab, sagen viele. Von manchen ist das als Kritik gemeint, von manchen als Lob. Allerdings meinen Beobachter: "Sein Vorgehen dürfte nicht mit Christian Kern akkordiert sein. Er macht, was er für richtig hält. Kern lässt ihn wohl gewähren, weil er keine großen Fehler macht. Aber die beiden scheinen wenig miteinander zu reden." Innerhalb der SPÖ und vor allem in seiner Heimat, dem Burgenland, wird Doskozil, wiewohl er erst seit eineinhalb Jahren Politiker ist, für nahezu alle möglichen Ämter nach der Wahl genannt.

Verteidigungsminister sowieso, aber auch Innenminister. Viele Mitarbeiter dieses Ministeriums lieben den Verteidigungsminister schon jetzt, schließlich ist er als Ex-Polizist einer von ihnen. Weitere Karrierevarianten: SPÖ-Chef und Klubobmann im Parlament, falls die SPÖ in Opposition gehen muss. Roter Kanzler, falls es eine Koalition mit der FPÖ gibt, Vizekanzler mit der ÖVP, und wenn dass alles nix wird: bleibt immer noch der Landeshauptmann im Burgenland, meinen viele.

Denn dort hat die politische Karriere von Hans Peter Doskizil ihren Anfang genommen. Er war Büroleiter von Landeshauptmann Hans Niessl, wurde von "Parteifreunden" als Landesrat verhindert, war Polizeidirektor und fiel als solcher überregional auf, weil er mit ruhiger Hand Zehntausende Flüchtlinge über die ungarisch-burgenländische Grenze und weiter, vor allem Richtung Deutschland, lotste. Kanzler Werner Faymann holte ihn daraufhin als Verteidigungsminister.

Was seine Zukunftsoptionen betrifft, gibt sich Doskozil - wieder einmal -sehr entspannt. "Das sind Momentaufnahmen. Mein persönlicher Zugang ist, dass ich von der Politik sicher nicht abhängig bin. Ich hab da einen lockeren Zugang. Man weiß ja nie. Wenn es vorbei ist, ist es vorbei. Dann bin ich für alles offen." Ob er als Ex-Polizist mit dem Innenministerium liebäugelt? "Wenn ich am Anfang entscheiden hätte können, hätte ich gesagt, ich will Innenminister werden. Jetzt eher nicht mehr. Ich habe das Bundesheer und die sehr loyalen Mitarbeiter hier kennengelernt. Es würde mir sehr schwer fallen, das Verteidigungsministerium zu verlassen."

Und man würde ihn vielleicht auch gar nicht gerne ziehen lassen. Denn, nachdem das Verteidigungsministerium ein unter bisherigen SPÖ-Ministern kaputtgespartes Stiefkind war, hat Doskozil der Truppe neues Selbstbewusstsein eingeimpft. Schnell hat er erkannt, dass man in unsicheren Zeit leichter Geld beim Finanzminister locker machen kann. Neues Gerät wird angeschafft, das Ministerium als "Sicherheitsministerium" positioniert, soweit die ÖVP-Innenminister den nötigen Luftraum dafür hergeben, medienwirksam zieht Doskozil gegen den Eurofighter ins Feld und will neue Kampffl ugzeuge anschaffen. Nebeneffekt: "Wir haben enormen Zulauf und viele Bewerbungen."

In der ÖVP liebt man den hemdsärmeligen Minister schon fast für seine umgängliche Art, seinen Schmäh und dafür, dass er in Flüchtlings-und Migrationsfragen viel näher an der schwarzen Linie ist als beim linken Flügel der SPÖ. Im Burgenland steht die ÖVP durchaus bereit, sollte Doskozil als Nachfolger von Hans Niessl ins Landhaus kommen. Man könnte sich zu einer rot-schwarzen Regierung finden.

Doch genau wegen dieser Linie tauchen auch erste Zweifel auf, ob Doskozil wirklich der Idealkandidat für die Spitze der SPÖ wäre. "Das würde die Partei zerreißen", heißt es, "ähnlich, wie das bei der Wiener SPÖ passieren wird, wenn Michael Ludwig und der rechte Flügel die dortige SPÖ übernehmen."

Als Sportminister setzt Doskozil übrigens doch auch manchmal große Gesten: Beim Besuch bei einem Taekwondo-Verein zerschlug er mit dem Ellbogen ein fingerdickes Holzbrettl. Ohne einschlägige Kampfsporterfahrung. "Wär eh peinlich gewesen, wenn das nicht funktioniert hätte", lacht er. Und will sich nach dem Wahlkampf eher wieder aufs Radfahren verlegen. "Das ist ein Sport, der meiner Gewichtsklasse sehr entgegenkommt."

Zur Person: Der Burgenländer entschied sich nach der Matura, Polizist zu werden. Mit 24 Jahren begann er ein Jus-Studium. Als Experte für Fremdenrecht arbeitet er im Innenministerium. Von 2010 bis 2012 leitete er das Büro des burgenländischen Landeshauptmannes Hans Niessl. Danach wurde er der erste Landespolizeidirektor im Burgenland. Als solcher wurde er im Fluchtjahr 2015 österreichweit als Krisenmanager bekannt. Seit Jänner 2016 ist er Verteidigungsminister