Doskozil: "Der Aufschlag
in der Realität wird hart"

Wenn es um die Bundesregierung und die SPÖ geht, nimmt sich Hans Peter Doskozil kein Blatt vor den Mund. Als Landeshauptmann will er grüner sein als die Grünen.

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in der Realität wird hart" © Bild: News/Herrgott

Grün ist eine Lieblingsfarbe von Hans Peter Doskozil - wenn es um Fußball geht. "Das ist eine Farbe mit Emotionen, mit viel Herzblut - weil Grün fußballerisch die schönste Farbe der Welt ist", sagt der glühende Rapid-Fan. Politisch sieht die Sache schon anders aus. Im Burgenland, wo der seit einem knappen Jahr amtierende Landeshauptmann in zwei Wochen seine erste Wahl schlägt. Und im Bund sowieso, wo die Grünen als Regierungspartei drauf und dran sind, der SPÖ das Wasser abzugraben. Weswegen der Sozialdemokrat Doskozil dazu ansetzt, die grünen Bäume nicht in den Himmel wachsen zu lassen. "Der Trend, Klimapolitik zu machen, der liegt am Tisch. Aus der Oppositionsrolle heraus war es leicht, überzogene und pointierte Forderungen zu stellen. Die werden sie jetzt in der Regierung nicht umsetzen können." Wenn Vizekanzler Werner Kogler "halbherzig rechtfertigt, dass er natürlich auf einen Dienstwagen zurückgreifen wird - der ja selbstverständlich ist -, find ich das ja lustig. Wenn er dann sagt, in paar Jahren wird man es schon schaffen, die Dienstautos auf E-Mobilität umzustellen, dann klingt er schon so wie jeder andere Politiker auch. Der Aufschlag in der Realität wird noch hart werden."

Reality-Check an der Wahlurne

Kommt dieser Aufschlag noch rechtzeitig für den Wahlkämpfer Doskozil oder wird der Zeitgeist, der für die Grünen weht, Stimmen kosten? "Jeder burgenländische Pendler muss sich überlegen, was diese Regierung für ihn bedeutet. Was bedeuten für ihn eine CO2-Steuer und die klimapolitische Ausrichtung des Steuersystems?" Die Antwort gibt Doskozil sicherheitshalber gleich selbst: "Das wird die große Masse treffen, sonst hat es keinen Steuerungseffekt. Das muss jeden treffen, der CO2 produziert. Das ist mit Sicherheit der burgenländische Pendler, und da werden wir uns klar dagegen positionieren. Und das ist der Häuslbauer mit seiner Ölheizung. Das geht ja nicht von heute auf morgen, dass Private das umstellen können."

Auch dass die burgenländischen Grünen sich schon als Koalitionspartner für die SPÖ angeboten haben, stimmt Doskozil nicht milde. "Dieses offensive Anbieten und dieses Sakrosankt-Stellen der ersten Position ist Wahltaktik. Nach dem Motto, der Erste ist eh klar, und man wählt nur noch den Stellvertreter. Das bewirkt natürlich eine Demobilisierung Richtung SPÖ, keine Frage." Und nach der Wahl, befürchtet er, könnte der Automatismus, dass der Wahlsieger auch den Landeshauptmann stellt, sehr wohl angezweifelt werden. "Das Burgenland hat seit 1964 einen SPÖ-Landeshauptmann. Wenn Türkis, Grüne und Neos eine Mehrheit gegen die SPÖ bilden können, werden sie das tun. In den Umfragen liegen die drei Parteien bei über 45 Prozent." Was wohl die Gegenmobilisierung Richtung SPÖ einleiten soll.

Einigen würden sich die drei Parteien jedenfalls, meint er. "Inhaltlich findest du mit jedem eine Übereinstimmung, man muss nur ein bissl länger verhandeln. Das sieht man ja bei den Grünen. Sogar die Sicherungshaft wird akzeptiert." Dass die Grünen die "Verfassungskonformität" der Sicherungshaft türkis-grünen Zuschnitts betonen? "Das ist ja skurril. Dieses Argument ist lächerlich. Das ist ja wohl das Letzte, wenn man das noch ins Treffen führt für sein politisches Tun", wettert der SPÖ-Politiker. "Es ist ja wohl selbstverständlich, dass ich als Politiker verfassungskonform bin. Wenn man das betonen muss, ist das ein Armutszeugnis."

Einzementierte SPÖ

Doskozil selbst hatte sich, als die Debatte um die Sicherungshaft unter Türkis-Blau erstmals hochkochte, im Gegensatz zu seiner Partei für eine solche ausgesprochen. Was nun der Unterschied zwischen seinem Ansinnen und jenem der neuen Regierung ist? "Na, nix! Und ich sage jetzt ein bissl selbstkritisch, diese Variante der Sicherungshaft wäre mit der Bundes-SPÖ nicht möglich gewesen." Und das versteht der Burgenländer, der parteiintern gerne am rechten Flügel verortet wird, nicht als Kompliment. "Mit den Grünen ist das möglich. Vielleicht sollte das unseren Kreisen in der SPÖ ein bissl zu denken geben." Nämlich? "Dass man pragmatisch sein muss, wenn es darum geht, bei Problemen Lösungen anzubieten. Hineinzuhören in die Bevölkerung. Was braucht das Land, was brauchen die Menschen? Und nicht sich aus irgendwelchen Überzeugungen komplett einzuzementieren."

Die SPÖ sei gefordert, "nicht immer nur Nein zu sagen, sondern zu überlegen: Was ist mit Hausverstand richtig?" Und das sei, meint Doskozil mit Verweis auf seine eigene Politik im Burgenland: 1.700 Euro Mindestlohn, die Anstellung pflegender Angehöriger, der Gratiskindergarten, bildungspolitische Schwerpunkte und ein Bioschwerpunkt. "Man muss ins Lebensgefühl der Menschen einsteigen." Wenn die SPÖ das nicht mehr vermitteln könne, "dann wissen die Menschen nicht mehr, wozu sie die Sozialdemokratie eigentlich haben. Wir haben das verlernt. Wenn man heute die Menschen fragt: Wofür steht die SPÖ? - Ich weiß nicht, ob man da immer eine Antwort bekommt. Und das bei unserer Tradition und unserer langen Geschichte."

Diese Schwäche, betont Doskozil, der meist als Kritiker von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner wahrgenommen wird, "ist nicht erst jetzt entstanden. Die ist schleichend entstanden, weil man ab einem gewissen Zeitpunkt nur mehr darauf geschaut hat, an der Macht zu bleiben, koste es, was es wolle. Natürlich kann man nicht immer alle Ideologie und Vorstellungen umsetzen -aber dafür gleich alles über Bord zu werfen?" Die SPD in Deutschland habe die Rechnung dafür bereits präsentiert bekommen. "Die sind bei allen wirtschaftsliberalen Themen, die die kleinen Leute betreffen, bei den Renten und den Löhnen, mitgegangen. Und heute fragt sich jeder: Wozu brauchen wir die SPD?"

Links, rechts, Ökofuzzi

Politik lasse sich heute nicht mehr in Lager und Klischees einteilen, sagt Doskozil. "Wenn du ein Roter bist, bist du deshalb ein Linker, wenn du ein Blauer bist, ein Rechter. Wenn du zur ÖVP gehörst, ein Bauern-oder Wirtschaftsbündler, wenn du Grüner bist, bist du ein Ökofuzzi. Das gibt es nicht mehr und das erwarten die Leute auch nicht." Vielmehr würden sie Entscheidungen und Meinung erwarten, "dass man die Lebensumstände kennt und nicht abstrakt daherphilosophiert. Dass man Empathie und Humanismus mitbringt und nicht Klientelpolitik macht."

Daher mache man im Burgenland mit dem Handwerkerbonus "sicher keine schlechtere Wirtschaftspolitik als Niederösterreich, obwohl wir eine SPÖ-geführte Regierung haben. Wir machen eine Landwirtschaftspolitik, die grün ist, aber so, dass die Bauern massiv profitieren. Wir kompensieren zum Beispiel EU-Agrarförderungen, die ausgelaufen sind. Das macht kein anderes Land in Österreich." Und das sei nicht links oder rechts einzuordnen.

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Es geht also um ein Programm und eine Person, die dieses glaubwürdig vertritt, nicht um eine Partei?"Genau. Glaubwürdigkeit ist das Thema. Ob man Versprochenes auch umsetzt oder eben auch sagt, dass etwas nicht geht." Doch genau das glaubt man auf Bundesebene zurzeit der ÖVP und den Grünen, nicht der SPÖ. "Das hat man Kurz geglaubt. Den Beweis wird er aber noch antreten müssen. Denn die letzte Regierung hat ja vieles nicht umgesetzt."

Egal ob Bürgermeister, Landeshauptmann oder Kanzler: "Wenn du mittelfristig nicht machst, was du versprichst, und immer nur einen Lavendel erzählst, wird dich das einholen." Ibiza-Video sei Dank, musste Kurz diesen Beweis bisher noch nicht in vollem Ausmaß antreten. "Er hatte Glück, dass Christian Kern strategisch falsch agiert hat und wie es in der SPÖ gelaufen ist. Dass Ibiza passiert ist und dass ihm niemand vorgehalten hat, zwei Regierungen gesprengt zu haben. Es war Glück auf der einen Seite, Unvermögen auf der anderen und dazu noch eine perfekte PR-Maschine." Ein Ende des Unvermögens der SPÖ zeichnet sich nicht ab, fast egal, wer da gerade an der Spitze steht. "Sie sagen es, da brauch ich keine Antwort geben", meint der Partei-Revoluzzer. "Wir haben so große Strukturprobleme, so ein großes Misstrauen gegeneinander. Was mir für, ich will nicht Hass sagen, also negative Stimmung entgegengebracht wird - mehr als aus jeder anderen Partei. Diese Stimmung gehört einmal beseitigt. Wir tun immer so liberal, aber kaum sagt einer etwas anderes, ist es eine Majestätsbeleidigung."

Und Doskozil nimmt seine Kollegen in den Bundesländern ins Gebet. "Man muss nicht immer auf den Bund losgehen. Es gibt Länder, wo wir früher stark waren - Nieder-und Oberösterreich, Salzburg, Steiermark - und jetzt eben schwächer. Da wird man sich etwas überlegen müssen. Ich versteh's nicht: Sich dann hinzusetzen, mit dem Finger auf die anderen zu zeigen, etwa in Sicherheits-und Migrationsfragen, den großen Moralapostel zu spielen, auf die Bundesvorsitzende zu zeigen und ihr zu sagen, wie schlecht sie ist, und gleichzeitig selbst so ein schwaches Ergebnis zu haben -das geht nicht." Weil der burgenländische Landeshauptmann schon in Fahrt ist, geht sich auch noch ein Rüffel für jene Parteifreunde aus, die via Urabstimmung Themen und Parteichef bestimmen wollen.

"Diejenigen, die das fordern, die werden höchstwahrscheinlich verlieren. Die wissen ja teilweise gar nicht mehr, wovon sie reden oder was die Parteibasis und die Bevölkerung wollen. Ich frag mich: Wie kann man so etwas ernsthaft fordern? Das ist wirklich eine vollkommen verfehlte Selbsteinschätzung." Wer an der Parteispitze stehe, sei dafür gewählt, Entscheidungen zu treffen. "Sonst ist man keine Führungspersönlichkeit, sondern nur ein Verwalter."

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Seine Vorhaben im ersten Regierungsjahr hat Doskozil umgesetzt, nun braucht er ein starkes Wählervotum. Parteiintern wäre das für ihn ein wichtiges Signal. Wird er wieder Landeshauptmann, will er noch mehr auf Klimapolitik setzen, und da auf E-Mobilität. "Aber nicht so wie Kogler irgendwann, sondern in kurzer Zeit."

Was er in einem Jahr machen wird, weiß er: "Wenn mir die Burgenländer das Vertrauen schenken, bin ich mit Sicherheit Landeshauptmann." Wo die SPÖ auf Bundesebene in einem Jahr sein wird? "Hoffentlich noch in der Löwelstraße, nach der letzten Finanzdiskussion." Wo sie sonst ist, hänge an den Ländern, die die Partei konsolidieren müssen. Und in den Umfragen? "Schwer zu sagen: Die Regierungspolitiker werden sich profilieren. Die FPÖ wird den Parteichef wechseln, Herbert Kickl wird eine komplett überzogene Oppositionspolitik machen, die die SPÖ nicht machen kann. Offen gesagt, Beate Meinl-Reisinger ist keine schlechte Oppositionspolitikerin. Sich in diesem Teich zu behaupten, bei den ganzen internen Diskussionen, die wir haben, wird nicht leicht sein."

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der Printausgabe von News (Nr. 01+02/2020) erschienen!