Rauchverbot: Dicke Luft

ÖVP und FPÖ kippen das generelle Rauchverbot in der Gastronomie. Durch ganz Österreich geht eine Welle der Empörung. Mittels Protesten, Petitionen und Klagen formiert sich nun der Widerstand. Doch welche dieser Aktionen kann den Nichtraucherschutz tatsächlich retten?

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Don't Smoke - Rauchverbot: Dicke Luft

Das Rote Kreuz spricht von einem "schweren gesundheitspolitischen Fehler". Die Interessenvertretung der österreichischen Pharmaindustrie nennt es "schlicht unverantwortlich". Und Wiens Umweltstadträtin Ulli Sima bezeichnet es gar als "eine Schande": ÖVP und FPÖ kippen das für Mai 2018 geplante komplette Rauchverbot in der Gastronomie. Darauf haben sich die beiden Parteien in den Koalitionsverhandlungen geeinigt. In Österreichs Lokalen darf also weiterhin in abgetrennten Raucherzimmern gequalmt werden.

Dass FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ein Rauchverbot verhindern will, ist nichts Neues. Er machte es bereits lange vor den Nationalratswahlen zur Koalitionsbedingung. Überraschend ist das Einknicken von ÖVP-Chef Sebastian Kurz, der immerhin Unterstützer der Anti-Rauch-Kampagne "Don't Smoke" der Österreichischen Krebshilfe ist. Sein Sinneswandel sorgt nun erstmals seit seiner Machtübernahme in der ÖVP für lautstarken Widerstand innerhalb der eigenen Reihen. So sagt etwa der Vorarlberger Gesundheitslandesrat Christian Bernhard, dass er als Politiker zwar Verständnis für Kompromisse habe, als Mediziner die neue Regelung aber für einen "schrecklichen Schritt" halte. Und Kärntens ÖVP-Obmann Christian Benger spricht von "einer Lösung, die mir nicht schmeckt". Auch Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer, sein oberösterreichischer Amtskollege Thomas Stelzer, der steirische Landesrat Christopher Drexler, die Tiroler Landesrätin Beate Palfrader, die oberösterreichische Gesundheitslandesrätin Christine Haberlander sowie die Wiener Bezirkschefin Veronika Mickel - allesamt von der ÖVP -üben Kritik.

SPÖ-Politikerin Ulli Sima will nun gegen die Aufhebung des Rauchverbots klagen. Als Wiener Umweltstadträtin ist sie für das Marktamt zuständig, das in Lokalen die Einhaltung des Rauchergesetzes kontrolliert. "Es sterben Menschen wegen solcher Regelungen", sagt sie zu News.

Gesetz aushebeln

Details zu den rechtlichen Schritten könne sie erst nennen, wenn die konkrete neue Raucherregelung stehe. "Aber ich kann mir vorstellen, dass man beim Arbeitnehmerschutz oder beim Vertrauensschutz der Wirte ansetzen kann." Jedenfalls wolle sie die besten Juristen des Landes versammeln, um das Gesetz auszuhebeln. Denn Untersuchungen des Umwelthygienikers Manfred Neuberger in über hundert Wiener Lokalen haben gezeigt, dass die Feinstaubbelastung in Nichtraucher-Bereichen von gemischten Lokalen vier Mal höher ist als auf der Straße. Schuld daran sind mangelnde Abdichtung und offene Türen. In den Raucherbereichen ist die Belastung sogar bis zu 200 Mal höher. "Wir haben in den vergangenen Jahren viel Geld in die Reduktion von Feinstaub investiert, und Wien liegt seit fünf Jahren unter dem Grenzwert. Ich bin empört, dass es der künftigen Regierung egal ist, wie die Belastung in Innenräumen ist", so Sima.

Verfassungsjurist Heinz Mayer ist allerdings skeptisch, was die Erfolgsaussichten einer Klage der Wiener Landesregierung betrifft. "Wenn man mit dem Arbeitnehmerschutz argumentiert, muss man belegen können, dass die Gefährdung erheblich ist. Und wenn man sich auf den Vertrauensschutz stützt, muss man beweisen, dass die Wirte in Hinblick auf das geplante Rauchverbot viel investiert haben", erklärt der Experte. Eine Möglichkeit sieht er darin, dass die neue Regelung schwer exekutierbar sein könnte. Denn das "Berliner Modell", auf das sich Schwarz und Blau geeinigt haben, sieht vor, dass unter 18-Jährige künftig nicht mehr im Raucherbereich sitzen dürfen, da das Alterslimit für ein Rauchverbot von 16 auf 18 angehoben wird. "Wer soll das kontrollieren? Etwa die Polizei? Das glaube ich nicht", gibt Jurist Mayer zu bedenken.

Neben der Anhebung der Altersgrenze, die übrigens bereits im Frühjahr von den Jugendlandesräten der Bundesländer beschlossen wurde, sieht das "Berliner Modell" eine weitere Neuerung vor: So können künftig Lokale bis 75 Quadratmeter entscheiden, ob sie ein Raucher-oder Nichtraucherlokal sein wollen. Bisher galt das für Betriebe bis 50 Quadratmeter. Das ärgert nicht nur Stadträtin Sima. "In Wien gibt es viele kleine Lokale. Das bedeutet also, dass sich die Zahl der Raucherlokale von heute auf morgen stark erhöhen könnte." Auch Mario Pulker, Obmann des Gastronomie-Fachverbands in der Wirtschaftskammer, übt Kritik - wenn auch aus einem anderen Grund. Denn in reinen Raucherlokalen dürfen künftig vor Ort keine Speisen mehr zubereitet werden. "Das ist für viele Betriebe nicht praktikabel." Mit diesem Konzept würde man seiner Meinung nach nicht nur die Nichtraucher, sondern auch die Wirte verärgern. "So zwingt man sie, Nichtraucherlokale zu werden", sagt Pulker. Deswegen glaube er auch, dass das "Berliner Modell" noch fallen werde. Prinzipiell begrüße er jedoch das Kippen des generellen Rauchverbots. Denn: "Wäre es gekommen, hätten viele Betriebe zusperren müssen."

Trendwende im Gange

Gastronom Markus Helnwein betreibt mit Klee am Hanslteich und Spelunke zwei reine Nichtraucherlokale in Wien. Die Entscheidung, keine Raucherzimmer einzurichten, war eine bewusste. "Mittlerweile wollen 80 bis 90 Prozent unserer Gäste im Nichtraucherbereich sitzen." Der Behauptung, dass Lokale ohne Raucherbereiche weniger konkurrenzfähig seien, kann er nichts abgewinnen. "Wir verlieren nichts deswegen." Denn Rauchen in Speiselokalen sei immer weniger Thema. Helnwein spricht von einer Trendwende, die im Gange sei. "Sobald wir uns daran gewöhnt haben, dass es in Lokalen nicht nach Rauch stinkt, wollen wir es auch nicht mehr." Er betont aber auch, dass die Situation in Bars eine andere sei. "Da kann ich verstehen, dass man besorgt ist."

Besorgt ist auch die Krebshilfe, und zwar um die Gesundheit der Österreicher. Immerhin ist Rauchen für ein Drittel aller Krebserkrankungen verantwortlich, und rund 14.000 Menschen sterben hierzulande jährlich an den Folgen des Tabakkonsums. Österreich belegt europaweit den letzten Platz bei der Tobacco Control Scale, einem Indikator, der die Umsetzung gesetzlicher Tabakkontrolle misst. Dazu gehört neben höheren Zigarettenpreisen, Werbeverboten, Infokampagnen, Warnhinweisen und Entwöhnungsangeboten auch das generelle Rauchverbot. Zahlreiche Studien belegen nämlich, dass mit dem völligen Verschwinden von Zigaretten aus Lokalen auch die Zahl der Raucher sinkt. Vor allem bei Jugendlichen. 20 Prozent der Teenager greifen in Österreich laut Statistik Austria täglich zum Glimmstängel. In einer aktuellen Umfrage der Uni Graz geben 74 Prozent der befragten jungen Raucher an, mehr zu rauchen, sobald sie in einem Raucherlokal sitzen.

Deswegen hat die Krebshilfe nun die Petition "Das Nichtrauchergesetz muss bleiben!" gestartet. "Eine Aufweichung des Nichtraucherschutzes bedeutet nicht nur einen Rückschritt, sondern vor allem eine massive Bedrohung der Gesundheit für die österreichische Bevölkerung, insbesondere für die Jugend", betont Krebshilfe-Präsident Paul Sevelda in einer Aussendung. Innerhalb von drei Tagen konnten knapp 190.000 Unterschriften gesammelt werden. Was verheißungsvoll klingt, habe in Wahrheit aber wenig Wirkungskraft, sagt Verfassungsjurist Heinz Mayer. "Eine Petition erzeugt höchstens politischen Druck. Sonst nichts. Auch wenn sie im Nationalrat eingereicht wird, kann sie bis auf ewig vertagt werden."

Volksbegehren als Chance

Seiner Meinung nach wäre es am sinnvollsten, ein Volksbegehren zu starten. "Das hätte die größten Chancen." Angesichts der zahlreichen Unterstützer der Krebshilfe-Petition wäre es auch durchaus realistisch, die dafür notwendigen 100.000 Unterschriften zu kriegen. Noch-Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern hat diese Variante bereits im Ö1-Mittagsjournal angekündigt.

Auf eine Volksabstimmung brauche man laut Heinz Mayer nämlich nicht zu hoffen. "Dafür braucht es die Mehrheit im Parlament. Und die wird man nicht zusammenbekommen." Diese wäre nur mithilfe von ÖVP oder FPÖ möglich. Und die beiden Parteien haben ja gezeigt, auf welcher Seite sie stehen.