Disput in Deutschland flammt neu auf: Gehören Mütter nach Hause oder in Beruf?

Ausbau von Betreuung für Kinder umstritten

Die CDU-Familienministerin Ursula von der Leyen hat die seit Tagen anhaltende Debatte entfacht. Sie hat entschieden für einen Ausbau der Betreuung von Kleinkindern plädiert. Damit hat die siebenfache Mutter und Ärztin manche ihrer Parteifreunde empört. Von der Leyen wird vorgeworfen, erneut die Familien-Politik ihrer sozialdemokratischen Vorgängerin Renate Schmidt nahtlos fortzusetzen.

Schon unter Schmidt war 2005 ein Gesetz zum Ausbau der Tagesbetreuung in Kraft getreten. Es sieht die Schaffung von bundesweit 230 000 zusätzlichen Plätzen in Kindertagesstätten, so genannten "Krippen" oder bei "Tagesmüttern" bis zum Jahr 2010 vor. Offizielle Begründung: Damit sollen berufstätige Eltern entlastet werden, Kinder sollen "die Chance auf eine qualifizierte Betreuung, Bildung und Erziehung" bekommen.

Damals wie jetzt wird auf den Rückstand Deutschlands bei solchen Angeboten verwiesen. Das Bundesfamilienministerium hob schon 2005 hervor, dass beispielsweise in Dänemark für 64 Prozent der Kinder unter drei Jahren eine Betreuung gewährleistet sei. In Deutschland gibt es inzwischen Angebote für etwa 14 Prozent der Kinder in diesem Alter.

Die regionalen Unterschiede sind dabei groß. In den Gebieten der ehemaligen DDR können knapp 40 Prozent der bis zu Dreijährigen untergebracht werden. Die DDR hatte die Versorgung mit "Krippen"- Plätzen stark ausgebaut, weil die Frauen als Arbeitskräfte dringend gebraucht wurden. In der damaligen Bundesrepublik galt vor allem die Versorgung der kleinen Kinder lange als eine vorrangige Aufgabe der Mütter.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat sich von der Leyen seit Beginn ihrer Blitz-Karriere als Politikerin vor fünf Jahren eingesetzt. Dabei weiß sie die Kanzlerin und CDU-Parteivorsitzende Angela Merkel hinter sich.

Von der Leyen, Tochter des früheren niedersächsischen CDU-Regierungschefs Ernst Albrecht, sieht dabei in ihrer Partei Nachholbedarf. Angesichts der Kritik aus den Reihen der Christdemokraten und vor allem der bayerischen Schwesterpartei CSU hat die 48-jährige Ministerin betont, ihr liege an den "konservativen Werten der Familie, nämlich, dass Menschen Verantwortung füreinander übernehmen, dass sie verlässlich sind". Es müsse aber nicht alles beim Alten bleiben.

Widerstand auch aus dem eigenen Lager hat die Ministerin dabei einkalkuliert. "Neue Wege sind nie einfach", hatte sie gesagt, als sie am 9. Februar den Ausbau der Betreuung für Kleinkinder forderte. "Man fängt immer mit wenigen Mitstreitern an." Die Einführung des neuen "Elterngeldes" zeige aber, dass auch mit der Union moderne Wege gangbar seien.

Das "Elterngeld" gibt es seit Jahresbeginn. Es wird nach der Geburt eines Kindes zwölf Monate lang gezahlt und beträgt 67 Prozent des wegfallenden Einkommens - bis maximal 1800 Euro. Macht auch der Vater eine "Kinderpause", gibt es das "Elterngeld" sogar 14 Monate.

Mit diesem und anderem tun sich viele in CDU und CSU schwer. Der (Noch-)CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber mahnt etwa: "Wir dürfen niemals den Eindruck erwecken, als wäre nur die berufstätige Frau praktisch das alleinige Familienbild." Der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Volker Kauder, stimmt ein, Eltern, die sich dafür entscheiden, ihr Kleinkind zu Hause zu betreuen, dürften nicht als Menschen "aus dem letzten Jahrhundert" gelten.

Kauder erkennt aber an, "dass immer mehr junge Frauen und junge Familien Beruf und Familie miteinander verbinden wollen und dass sie dafür auch Kinderbetreuung brauchen". Deshalb seien mehr Angebote zur Betreuung von Kleinkindern notwendig. Die Wahl-Freiheit müsse gewährleistet werden: "Freiheit als das zentrale Thema."

Kauders Position bietet ungeachtet der Grundsatz-Debatte über die Rolle der Frau die Möglichkeit einer Einigung - auch für die große Koalition. Denn die SPD als Koalitionspartner der Unions-Parteien ist seit langem für mehr Möglichkeiten zur Kinderbetreuung und sieht darin einen Beitrag zur Gleichberechtigung der Frauen.

Die SPD lastet der Familienministerin nur an, dass diese nicht gesagt habe, woher die notwendigen drei Milliarden Euro pro Jahr für mehr Betreuungs-Angebote kommen sollen. Ansonsten fürchten manche in der Reihen der SPD nur, dass von der Leyen mit einer solchen Politik im sozialdemokratischen Wähler-Potenzial "wildert".
(APA/red)