Wer erbt eigentlich
das Facebook-Profil?

Das Schicksal von Social-Media-Accounts nach dem Tod ist eine rechtliche Grauzone

Was passiert mit meinem Facebook-, Instagram- oder Twitter-Konto, wenn ich sterbe? Sind die sozialen Medien ein Teil des Erbes? Die Frage wird immer wichtiger, ist aber rechtlich nicht geklärt. Ein Berliner Gericht hat den Eltern vor kurzem den Zugang zum Facebook-Account ihrer verstorbenen Tochter verwehrt.

von
Digitales Erbe - Wer erbt eigentlich
das Facebook-Profil?

Wir verbringen immer mehr Zeit damit, uns ein digitales Reich aufzubauen: Kontakte, Bilder, Posts und Nachrichten auf Plattformen wie Facebook, Instagram oder Twitter sammeln sich über Jahre an und werden nach und nach zu einem gigantischen Daten-Abbild unseres Lebens. Je jünger, desto länger sind wir im Schnitt auf sozialen Medien unterwegs, oft mehrere Stunden am Tag. Aber was passiert mit all dem, wenn wir einmal sterben? Es ist eine Frage, an die die meisten Menschen eher wenige Gedanken verlieren. Was soll nach meinem Tod mit den Social-Media-Accounts geschehen? Bekommen die Erben Zugriff auf sie, und damit auch auf private Nachrichten? Rechtlich ist der "digitale Nachlass" eine Grauzone.

Angehörige loggen sich einfach ein

In der Praxis wird die rechtliche Frage freilich oft gar nicht gestellt. Eltern, Kinder oder Ehepartner können sich meist recht unproblematisch Zugang zu den Accounts eines Verstorbenen verschaffen: Wenn dieser am Handy oder Computer noch eingeloggt ist, sein Passwort wo notiert hat oder sie zumindest Zugriff auf seine E-Mails haben und ein neues Passwort anfordern können. Aber ob das immer im Sinne des Verstorbenen und außerdem rechtmäßig ist? Viele werden die Zugänge nur nutzen, um die betreffenden Konten zu löschen oder um auch den digitalen Bekanntenkreis über den Tod zu informieren. Kontrollieren kann das aber keiner.

Soziale Netzwerke sind daher sehr zurückhaltend mit der Weitergabe von Zugangsdaten an Erben, die sie nicht ohnehin schon haben. Problemlos möglich ist in der Regel die bloße Löschung eines Accounts, wenn der Tod des Inhabers nachgewiesen wird. Facebook versetzt die Profile verstorbener Nutzer in den "Gedenkzustand", eine Art digitales Kondolenzbuch. Andere können weiter Posts auf der Seite hinterlassen, etwa gemeinsame Erinnerungen oder Abschiedsnachrichten. Seit diesem Jahr gibt es außerdem die Möglichkeit, einen Nachlasskontakt anzugeben, der im Todesfall auch das Profilfoto ändern und auf Freundschaftsanfragen reagieren kann. Private Nachrichten darf aber auch dieser nicht lesen.

Eltern wollen Tod der Tochter aufklären

Das gilt auch dann, wenn jemand eigentlich die Zugangsdaten zum Account hätte. Erfährt Facebook vom Tod eines Nutzers, will es dessen Privatsphäre sogar vor nahen Angehörigen schützen. Diese Position hat in Deutschland zu einem Rechtsstreit geführt, durch den die Frage nach der "Vererbbarkeit" von Accounts nun erstmals höchstgerichtlich geklärt werden könnte. Die Eltern eines 2012 verstorbenen Mädchens aus Berlin verlangen von Facebook Zugriff auf dessen Privatchats. Ihre 15-jährige Tochter war von einer U-Bahn erfasst worden, doch die genauen Umstände konnten nie aufgeklärt werden. Mithilfe der Nachrichten will das Ehepaar herausfinden, ob sie Selbstmord begangen hat. Sie hatten das Passwort der Tochter, doch nachdem ein Bekannter bei Facebook den Tod gemeldet hatte, wurde der Account in den Gedenkzustand versetzt und die Nachrichten gesperrt.

Die Eltern klagten daher das US-Unternehmen. 2015 gab ihnen das Berliner Landgericht recht: Der Vertrag der Tochter mit Facebook sei Teil des Erbes, und auch datenschutzrechtlich wären Chat-Nachrichten wohl nicht anders zu beurteilen als Briefe oder Tagebücher, die ja ebenfalls an die Erben übergehen. Doch Facebook ging gegen das Urteil in Berufung, und in zweiter Instanz verwehrte das Berliner Kammergericht den Eltern in seiner Ende Mai ergangenen Entscheidung den Zugriff. Das Gericht berief sich vor allem auf das Fernmeldegeheimnis und erklärte, dass ja auch die Persönlichkeitsrechte anderer (der Chat-Partner) betroffen sind. Die Frage nach der Vererbbarkeit wurde aber offen gelassen. Endgültig klären muss den Rechtsstreit nun wahrscheinlich der Bundesgerichtshof.

Ähnliche Rechtslage auch in Österreich

Auch in Österreich ist die Frage noch nicht gesetzlich entschieden worden. Für die Zivilrechts-Professorin Christiane Wendehorst von der Universität Wien, die sich intensiv mit dem digitalen Raum beschäftigt, spricht aber grundsätzlich nichts gegen eine Vererblichkeit von Accounts. "Man käme ja auch nicht auf den Gedanken, den Erben Zugang zu Gerichtsakten laufender Prozesse zu verwehren", sagt sie, obwohl auch diese natürlich sensible Informationen enthalten können. Und Wendehorst verweist auf die Aufgaben des Notars, der einen Überblick über die Geschäftsbeziehungen braucht und Vermögenswerte aufspüren muss. Dazu sind heute oft Online-Zugänge nötig.

Zugleich sei "unverkennbar, dass damit die Persönlichkeitsrechte des Verstorbenen potenziell in ungleich stärkerem Maße beeinträchtigt werden als bei herkömmlichen Medien", sagt die Juristin. Daher tritt sie für eine gesetzliche Neuregelung ein. Angelehnt an Entwicklungen in den USA und Kanada schlägt Wendehorst für den Todesfall einen "treuhänderischen Zugang" des Notars zu Online-Konten vor. Dieser soll "die für die Belange der Erben relevanten von den sonstigen Kommunikationsinhalten trennen." Zur Frage der Übertragbarkeit der Gedanken eines entsprechenden US-Gesetzes auf die österreichische Situation werde gerade eine Machbarkeitsstudie durchgeführt.

Für das digitale Erbe sollte vorgesorgt werden

Ratsam ist es, sich möglichst noch selbst um den Nachlass, auch um den "digitalen", zu kümmern. Die Dachorganisation der österreichischen Internetprovider ISPA rät, eine Übersicht über alle bestehenden Online-Profile anzulegen und diese regelmäßig zu aktualisieren. Dort kann man auch die Passwörter vermerken und sie sicher bei einer Vertrauensperson oder einem Notar verwahren. Das erspart den Angehörigen viel Arbeit. Der gewünschte Umgang mit den eigenen Accounts nach dem Tod kann auch testamentarisch festgelegt werden, also etwa ob Profile erhalten oder gelöscht werden sollen. Mehrere Firmen in Österreich bieten bereits eine sogenannte "Online-Bestattung" an. Sie durchsuchen das Netz nach Online-Aktivitäten des Verstorbenen und kümmern sich um die Löschung von Profilen und Kündigung von Verträgen.