Die Tragödie von Linz

Es scheint, als würde sie nichts begreifen. Nicht, dass sie in einer Wahnwelt lebt; nicht, dass sie ihren drei Kindern entsetzliches Leid angetan hat. Ihre Einweisung in die geschlossene Psychiatrie des Linzer Wagner-Jauregg-Spitals hält sie für eine bösartige Intrige von „Feinden“. Und ohnehin ist sich die 53-Jährige keiner Schuld bewusst. Im Gegenteil. „Ich muss“, fantasiert sie, „endlich meine Töchter aus diesem KZ befreien …“

Elisabeth, Katharina, Viktoria, 21, 18 bzw. 14 Jahre alt, leben nun in einem Kärntner Therapiezentrum; nur mühevoll gelingt es den Psychologen, in ihre kranken, geschundenen Seelen vorzudringen.
Die jungen Frauen sind intelligent, ja, aber sie verhalten sich wie Kleinkinder. Sie wissen nicht, wie man mit Gabel und Messer isst. Sie glauben, dass Mäuse reden können. Sie sprechen eine eigene Sprache, einen „Sing-Code“, den nur sie verstehen, und wenn sie wütend sind, fauchen sie wie Katzen. Ihre Köpfe halten sie schräg, wie Mäuse schleichen sie an Mauern entlang. Sie können Tageszeiten nicht unterscheiden, meiden die Sonne.

Für Viktoria gibt es berechtigte Hoffnung, sie ist die jüngste der drei Schwestern, ihr fällt es am leichtesten, den neuen Alltag zu bewältigen, „normale Handlungsweisen“ zu tätigen. Sie weiß bereits, dass es Sommer und Winter gibt; sie schafft es, sich selbständig zu duschen; sie ist, zumindest ansatzweise, fähig, Freundschaften zu schließen; sie will einen Schulabschluss machen; sie beginnt langsam, in allgemein verständlichen Sätzen zu reden.
Elisabeth, die Älteste, wird – so meinen die Experten, die sie betreuen – vielleicht bis an ihr Lebensende nicht in die Realität zurückfinden. Ihr Körper krampft sich beim Kontakt mit Fremden zusammen, sie steht oft stundenlang und mit starrem Blick reglos auf einem Bein.
Und auch Katharinas weiteres Schicksal scheint unklar. Die 18-Jährige versucht zu lernen, sie versucht zu vergessen. Trotzdem ist sie gefangen, im Früher. Legt Hunderte Plüschtiere in ihr Bett, bevor sie sich schlafen legt, sucht bei ihnen Schutz. Bären aus Stoff, sie sind für das Mädchen die engsten Vertrauten geblieben.
Ingrid L., welch entsetzliche Dinge hat sie ihren Kindern angetan …
„Lieb Mami uns hat sehr“, summen die Mädchen und: „Gut sie wollte machen alles immer aber.“ – „Unsere Mami hat uns sehr lieb, und sie war immer gut zu uns.“

Ein Fall für die Kriminalgeschichte. Der Fall dreier Mädchen, die jahrelang von ihrer Mutter in einem Haus in Linz gefangen gehalten wurden, wird in die Kriminalgeschichte eingehen. Ein Fall, so unfassbar, dokumentiert in Dutzenden Ordnern. Dieser „Fall“ – die Geschichte einer hoch gebildeten Frau, die nach und nach verrückter wurde und ihre Töchter in ihre Wahnwelt integrierte, ganz sanft …
Wann hat sich die Psyche der Täterin zu verändern begonnen? Was ist bekannt über die „Horrormutter“?
Ingrid L. wuchs in gutbürgerlichen Verhältnissen in Linz auf, der Vater starb früh, die Mutter war für sie von klein auf die wichtigste Bezugsperson. „Wir sind etwas Besseres“, bekam sie schon als Kind eingebläut. Sie war eine gute Schülerin, fand jedoch kaum Kontakt zu Gleichaltrigen. Nach der Matura begann Ingrid L., Jus zu studieren, an der Uni galt sie als „introvertiert“. Dann lernte sie Andreas M. kennen, einen um vier Jahre älteren Studienkollegen. Die beiden jungen Juristen verliebten sich ineinander; nachdem sie promoviert hatten, wurde geheiratet.

1985 kaufte das Paar ein Reihenhaus am Pöstlingberg, in einer der nobelsten Wohngegenden von Linz. Liebevoll wurde ausgemalt, eingerichtet, der Garten bepflanzt, ein kleiner Swimmingpool gebaut. Noch im selben Jahr kam Elisabeth zur Welt, 1988 Katharina, 1992 Viktoria. Während der Gatte am Linzer Oberlandesgericht als Richter Karriere machte, kümmerte sich die Frau um die Kinder und den Haushalt. Und schleichend nahm der Alptraum seinen Anfang. Der Gatte spürte, dass sich seine Frau ein wenig zu verändern begann, dass sie rechthaberischer, „schwieriger“, wurde, und er fühlte auch, dass sich seine Kinder plötzlich von ihm abwendeten. Ja, er nahm wahr, dass er in seiner Familie zum Außenseiter geworden war. Andreas M. suchte zunächst bei sich selbst die Schuld, „durch meine viele Arbeit bin ich wenig daheim gewesen“, doch er wollte die häusliche Situation verbessern, indem er Wochenendausflüge und Urlaube organisierte.

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