Die Natur als Vorbild: Faszination Bionik - Wissenschaft ist Geheimnissen auf der Spur

NEWS: Geniale Erfindungen der Evolution zu lösen Natürlicher Superkleber und künstliche Photosynthese

Die Flügel einer Libelle sind nur wenige Tausendstel Millimeter dick und wiegen weniger als ein Prozent des gesamten Insekts - und trotzdem halten sie die hauchzarten (Schwebe-) Flugakrobaten in der Luft. Die gemeine Stubenfliege kann mühelos an der Decke entlang tänzeln. Umgelegt auf menschliche Verhältnisse: Die Kraft, mit der sich die Fliege festhält, würde es einem durchschnittlichen Mann ermöglichen, das Fünffache seines Körpergewichts kopfüber an der Decke zu halten. Auch die Perlmuttschicht von Muscheln ist menschlichen Erzeugnissen weit überlegen - sie ist doppelt so widerstandsfähig wie alle in High-Tech-Hochöfen geschaffenen keramischen Materialien.

Die Natur als Vorbild: Faszination Bionik - Wissenschaft ist Geheimnissen auf der Spur

Wie macht das nur die Natur? In vier Milliarden Jahren Evolution hat sie durch ein gigantisches Versuch-Irrtum-Verfahren unzählige raffinierte Lösungen und immer neue Strategien des Überlebens entwickelt. Im Vergleich zur unglaublichen Vielfalt an genialen Technologien aus dem Tier-und Pflanzenreich erscheint die menschliche Technik geradezu primitiv. Die Natur kennt weder Energie-und Rohstoffsorgen noch Müllhalden, sie kennt auch keine Kriege und keine Arbeitslosigkeit.

Als einzige Spezies formt der Mensch die Natur nach seinen Bedürfnissen. Das Werkzeug dafür ist die Technik - und die steht oft im Widerspruch zur Natur. Seit der Bronzezeit hat jede technische Revolution die Menschheit weiter von der Natur entfremdet.

Lernen vom "Patentamt" Natur
Angesichts von immer bedrohlicheren Umweltproblemen beginnt der Mensch Anfang des dritten Jahrtausends, die Natur mit neuen Augen zu sehen. Das Zauberwort heißt Bionik - ein junges Forschungsgebiet, das Natur und Technik erstmals wieder zusammenführt.

Der besonders innovationsträchtige Forschungszweig zeichnet sich durch große Interdisziplinarität aus, die Anwendungsmöglichkeiten erstrecken sich auf alle Industriezweige, auf Medizintechnik, Design, Architektur, Informationstechnologie, Raumfahrttechnik, Schiffs-, Bahn-und Automobilbau. Und selbst für Organisation und Management sozialer Systeme kann die Natur - beispielsweise Ameisenstaaten - als Lehrmeister dienen.

Natürlicher Superkleber
Ein faszinierendes Beispiel dafür ist die unheimliche Haftungskraft von Geckofüßen. Wie können die kleinen Kletterkünstler die Schwerkraft überlisten und sich auf jeder noch so glatten Oberfläche halten?

Der Biologe Stanislav Gorb vom Stuttgarter Max-Planck-Institut für Metallforschung lüftete das Geheimnis: Die Tiere wenden bereits seit Jahrmillionen "Nanotechnologie" an. Unter dem Rasterelektronenmikroskop entdeckte er pilzförmige Hafthärchen an den Unterseiten der Geckofüße, die so eng beieinander liegen, dass dank molekularer Wechselwirkungen - der so genannten Van-der-Waals-Kräfte - die Haftung zustande kommt.

Aus dieser Erkenntnis entwickelte Gorbs Team ein wieder verwendbares "Gecko-Tape" und sogar schon einen ersten Roboter, der nach Geckovorbild eine Glasscheibe senkrecht hochklettern kann.

Vogelflügel für Flugzeuge
Leonardo da Vinci (1452-1519) war wohl der erste Bioniker. Das Universalgenie analysierte den Vogelflug und versuchte seine Erkenntnisse auf Flugmaschinen zu übertragen. Aber erst an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert gelang es Pionieren wie dem Deutschen Otto Lilienthal, dem Österreicher Igo Etrich und den US-Brüdern Wright, den Traum vom Fliegen zu realisieren.

Vorbilder für alle Flugzeugkonstrukteure sind seit jeher die Vögel. Wie schaffen es die gefiederten Flugkünstler, selbst bei heftigstem Wind und starken Turbulenzen sicher zu landen? Forscher haben beobachtet, dass die gespreizten Federn am Ende der sehr flexiblen Vogelflügel den Flug stabilisieren. Flugzeugingenieure versuchen daher, mithilfe von "Winglets" (schräg nach oben angewinkelte Enden) und adaptiven Flügeln, die sich während des Flugs an die ständig wechselnden Bedingungen anpassen, die Flugsicherheit zu erhöhen.

Hai-Tech mit Tücken
Dass der Weg von der Entschlüsselung der Patentlösungen der Natur bis zum markttauglichen technischen Produkt oft lang und schwierig ist, zeigt das Beispiel einer künstlichen Haifischhaut. 1994 entdeckten Aerodynamiker auf den Schuppen der Haie mikroskopisch kleine Rippen, die den Strömungswiderstand verringern.

Eine ähnlich strukturierte Klebefolie, die an den Tragflächen des Airbus getestet wurde, brachte aber keinen durchschlagenden Erfolg: Die Folie war zu schwer, außerdem erwies sich die Reinigung (bzw. Enteisung) als zu schwierig.

Künstliche Photosynthese
Nicht nur Konstruktionen aus der Natur kann man auf ihre technische Verwertbarkeit abklopfen, sondern auch natürliche Verfahren, allen voran die Photosynthese - Grundlage allen Lebens auf der Erde. Dabei spalten Pflanzen mithilfe von Sonnenenergie Wasser in Wasser-und Sauerstoff. Ließe sich die Photosynthese künstlich nachahmen, stünde ein erneuerbarer, kohlendioxidfreier Energieträger für eine zukünftige Wasserstoffversorgung zur Verfügung.

Die so genannte Verfahrensbionik ist für den deutschen Bionik-Pionier Werner Nachtigall die wichtigste Facette des jungen Wissenschaftszweiges: "Lernen von der Natur, wie man Abfälle vermeidet, wie man die Sonnenenergie nutzt und komplexe Systeme managen kann - das sind die drei Schlüsselkomponenten für das Überleben der Menschheit."

Noch mehr Infos finden Sie im aktuellen NEWS!