Diät durchhalten? So klappt es.

Wiener Ärzte geben Tipps der anderen Art - aus der Suchtmedizin. Für alle hoffnungslosen Fälle.

Abnehmen oder gesünder essen ist wohl einer der meistgefassten Neujahresvorsätze. Doch wie dann auch wirklich durchhalten? Die Wiener Ärzte Iris Zachenhofer und Shird Schindler geben dazu Tipps, besser gesagt "Hardcore-Tipps aus der Suchtmedizin" für die "hoffnungslosen Fälle". Ein Gespräch.

von Diät © Bild: iStockphoto

Was kann man tun, um den Neujahrsvorsatz „Endlich Abnehmen und gesünder essen“ nicht sofort in der ersten Jänner-Woche zu verwerfen?
Wichtig ist es, Mittel gegen Craving finden. Das ist der medizinische Begriff für diese nahezu unstillbare Gier nach etwas, das wir eigentlich nicht zu uns nehmen wollten, nach süchtig machendem Essen zum Beispiel.
Gegen schweres Craving haben sich im klinischen Alltag zum Beispiel bewährt: Laut Musik hören, die uns nicht gefällt und uns dadurch unangenehm ist, heißes Kerzenwachs auf den Arm tropfen lassen, Chilis essen oder Gummiringerl gegen die Haut schnalzen lassen. Das sind alles sogenannte „skills“, die die psychische Anspannung in uns verringern, wodurch wir uns wieder besser unter Kontrolle haben.

Wir sollten auch genau wissen, warum wir eigentlich abnehmen wollen und uns dann konkrete, realistische Ziele setzen. Einfach nur „nichts dick machendes essen“ ist als Ziel viel zu wenig, weil das Gehirn negative Ziele schlecht erkennt. Das wäre so als würde man einem Piloten sagen „Fliegen Sie nicht nach Paris“.

Hilfreich ist es auch, länger als zwei Minuten an dem zu riechen, das wir eigentlich essen wollten. Denn das bewirkt im Gehirn eine ähnliche Reaktion, als ob wir es bereits gegessen hätten und senkt dadurch die Lust darauf.

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Wie übersteht man Feiertage oder besondere Anlässe, wenn alle herzhaft schlemmen?
Indem wir versuchen mit Lebensmitteln zu schlemmen, die unserem Körper gut tun und nicht schaden und dafür möglichst auf industriell hergestellte Lebensmittel verzichten, die auf chemischem Weg Craving auslösen können.
Wir sollten auch nicht von uns erwarten, die Feiertage ganz ohne Sünden zu schaffen. In Studien zeigte sich, dass Menschen umso mehr essen, je verbissener sie Ernährungsprogramme durchziehen wollen.
Besser: Vernünftig analysieren, was wir unbedingt essen möchten, was zu den Feiertagen dazu gehört, und sich dann auf gute Qualität konzentrieren. Wir überlegen uns, was wirklich schlemmen für uns bedeutet, was ein großer Genuss ist und was dagegen industrieller Müll ist: Zum BeispielGänsebraten ja, Weihnachtsstollen aus dem Plastiksack nein.

Und indem wir die Rückfälle genau dokumentieren: Wann, wodurch ausgelöst, wie kann ich die Situation das nächste Mal vermeiden?
Rückfallsprotokolle unterstützen uns dabei, genau zu analysieren was eigentlich passiert ist und warum. Das hilft dann enorm, um für die Zukunft daraus zu lernen.

»Den „inneren Schweinehund“ gibt es unserer Meinung nach nicht.«

Was sind Ihre Tipps, um den „inneren Schweinehund“ zu bändigen?
Den „inneren Schweinehund“ gibt es unserer Meinung nach nicht. Aber es gibt negative Gefühle, wie Stress, Anspannung, Langweile, Frust oder auch alte Gewohnheiten, die uns verleiten, zu viel oder falsch zu essen. Denn diese Emotionen bewirken emotionales Craving. Man kann aber lernen, wie man sie analysiert und Kontrolle darüber bekommt.
Gegen Craving helfen uns auch zum Beispiel Lebensmittel mit wenig Kalorien und viel Volumen, weil sie eine Magenwanddehnung bewirken, die Sättigungssignale ans Gehirn schickt. Außerdem Lebensmittel mit niedrigem glykämischen Index essen, damit der Blutzuckerspiegel stabil bleibt. Ausreichend schlafen, weil das auch die Hungergefühle reduziert. Hände weg von allem, das viele gesättigte Fette oder Transfette enthält, sie bewirken Entzündungsprozesse in Sättigungszentren im Gehirn und erschweren dadurch das Abnehmen.

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Welche Arten von „kleinen Sünden“ sind Ihrer Ansicht nach erlaubt?
Zuerst geht es einmal darum, war wir unter Sünden verstehen: Denn es ist ein sehr großer Unterschied ob wir mit guten Drogen sündigen, zum Beispiel mit selbst gekochtem Essen mit natürlichen Zutaten oder mit „dirty drugs“, industriellen Lebensmittel, die speziell so konstruiert wurden, dass sie im Gehirn suchtauslösend sind und die wir längerfristig nicht mehr essen sollten.

Wenn die kleinen Sünden wirklich unvermeidbar waren, ist es wichtig, dass wir sie anschließend genau dokumentieren um herauszufinden warum ich die „kleine Sünde“ unbedingt gebraucht habe.

Es sollte auch nie das Gefühl aufkommen, dass uns jemand anders etwas vorschreibt. Das würde nämlich „psychologische Reaktanz“ bewirken, eine Art Trotzreaktion, bei der wir uns unbewusst gegen etwas auflehnen, das uns jemand verbieten will. Unbewusst wollen wir unsere Freiheit bewahren und das Verbotene wird dadurch noch viel attraktiver, vielleicht noch mehr, als es vorher war.

Wie schafft man Abnehmen ohne Jo-Jo-Effekt?
Indem wir uns an die gerade genannten Tipps halten und uns gleichzeitig mit dem Suchtteufelchen, der Stimme des süchtigen Anteils in unserem Gehirn, auseinandersetzen und lernen, es auszutricksen.
Es ist immer da, auch später noch wenn wir längst abgenommen haben, und es flüstert uns immer im Grunde die gleichen Dinge zu, die uns verlocken sollen.
Die müssen wir bewusst hören, dokumentieren und uns beim nächsten Mal sagen: „Nein, nicht mehr mit mir, liebes Suchtteufelchen, ich weiß, dass du das bist, der mir jetzt gerade Blödsinn einreden möchte, aber ich lasse mich nicht darauf ein. Ich muss ja nicht auf das einsteigen, was du mir vorschlagen willst.“

Können auch Menschen mit einer schlechten Selbstbeherrschung abnehmen?
Genau für die haben wir ja unser Buch geschrieben: Abnehmen für hoffnungslose Fälle. Der Titel ist Programm und wir haben dabei eine gute Nachricht: Disziplin ist nichts, das wir uns mühsam abzwingen müssen, sondern das automatisch in uns entsteht, wenn wir das richtige tun.
Sobald wir uns in nämlich unserem Körper wohler fühlen und mehr Macht über Craving-Gefühle haben, bemerken wir auch, wieviel besser es uns mit günstigeren Verhaltensweisen geht.
Druck, von uns selbst oder von der Umgebung, ist in den meisten Fällen schlecht, weil er eher Widerstand auslöst.

»Sich zu "überessen" ist im Grunde ganz normal«

Warum „überisst“ man sich überhaupt? Würden Sie sagen, den meisten Menschen mangelt es an Intuition, was den eigenen Körper betrifft?
Da sind wir bei einem der großen Denkfehler. Niemand ist schwach oder hat wenig Disziplin, wenn er sich überisst. Sich zu "überessen" ist im Grunde ganz normal und in gewisser Weise sogar natürlich. Die Evolution hat uns dieses Bedürfnis mitgegeben, um in Zeiten von Nahrungsmittelmangel das Überleben der Spezies zu sichern. Das ist etwas ganz Starkes. In Zeiten des Nahrungsmittelüberflusses ist das eine Herausforderung, mit der jeder für sich erst umgehen lernen muss.
Außerdem werden viele Lebensmittel speziell so produziert, dass wir süchtig davon werden, indem sie in unserem Gehirn das Gleiche auslösen wie Drogen.
Ratten im Tierversuch hatten sich, wenn sie die Auswahl hatten zwischen Heroin, Kokain und Oreo Keksen, immer für die Oreo Kekse entschieden.
Auch jene Ratten, die die Wirkung von Heroin und Kokain kannten, schleckten lieber die weiße Füllung der Oreo Kekse.

Fasten, Hungern, Trennkost, strikte Diätpläne: Was bringt wirklich den gewünschten Effekt?
Wir haben in unserem Buch alle gängigen Diäten daraufhin analysiert, ob sie helfen, wenn das Essen suchtartige Komponenten hat. Viele sind Unfug, aber viele sind auch recht gut.
Deswegen haben wir keine neue Diät entwickelt, sondern einen Plan, wie jeder die Diät, die er sich ausgesucht hat, dann auch durchhalten kann, wie wir mit unserem Craving umgehen, unsere Emotionen kontrollieren, wie wir süchtig machendes Essen vermeiden und stattdessen unserem Körper etwas Gutes tun können.

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Das Buch:

Die beste Diät bringt nichts, wenn man sie trotz aller guten Vorsätze nicht durchhält. Das Problem dabei ist immer das gleiche: Das Verlangen zu essen, obwohl man nicht essen wollte. Zwei Ärzte geben nun Durchhaltetipps, die sich für alle Diäten eignen. Sie stammen aus der Suchtmedizin, denn das manchmal so übermächtige Verlangen nach etwas kommt bei Zigaretten, Alkohol oder Drogen aus der gleichen Gehirnregion wie bei Pizza oder Schokoladekuchen.

Dr. Shird Schindler und Psychiaterin Dr. Iris Zachenhofer, legen dazu das Buch "Abnehmen für hoffnungslose Fälle – Hardcore-Tipps aus der Suchtmedizin" vor, mit zahlreichen klinisch erprobten Selbsttests, Arbeitsblättern und Empfehlungen.

Das Buch bekommen Sie hier (*)

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Die Autoren

Dr. Iris Zachenhofer war Neurochirurgin an der Wiener Universitätsklinik sowie an der Neurochirurgie Feldkirch (Vorarlberg). Sie wechselte in die Psychiatrie und arbeitet jetzt ebenfalls im Sozialmedizinischen Zentrum Baumgartner Höhe in Wien. Dr. Shird Schindler ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin. Er leitet das Zentrum für Suchtkranke und die Station für forensische Akutpsychiatrie und Begutachtung im Sozialmedizinischen Zentrum Baumgartner Höhe in Wien.