Doch Große Koalition?

Union sieht Lockerungsübung der SPD als entscheidend – Niemand will Neuwahlen

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Deutschland - Doch Große Koalition?

Das wird schwierig. Aber zumindest in der CDU glaubt man, dass die SPD mit ihrer Vorentscheidung für Gespräche den möglicherweise schwierigsten Schritt zur Bildung einer neuen Regierung bereits gegangen ist.

Allerdings wird dies nicht sofort sichtbar werden. Zum einen haben SPD und auch Grüne ihre Lockerungsübungen gegenüber der CDU-Chefin bewusst mit etlichen Einschränkungen versehen. Dazu gehören bei der SPD ein neuer Parteikonvent und der Mitgliederentscheid, der ans Ende der Verhandlungen gelegt werden soll. Das soll nicht nur die Preise hochtreiben, sondern auch skeptische Sozialdemokraten in den Ländern einbinden. Diese haben wie die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfahlen, Hannelore Kraft, ganz andere persönliche und regionale Interessen als SPD-Chef Sigmar Gabriel.

Zum anderen haben sich führende Politiker von CDU und CSU ihrerseits nach einer verunglückten parteiinternen Debatte sehr klar gegen Steuererhöhungen als möglichen Kompromiss für eine Koalitionsbildung ausgesprochen. Mit den Worten "Die Bürger haben darauf mein Wort" beendete CSU-Chef Horst Seehofer am Wochenende die Debatte über eine Anhebung des Spitzensteuersatzes gleich für die Schwesterpartei mit.

Wähler müssen vorbereitet werden

Aber man sollte sich von den Festlegungen und Einschränkungen nicht täuschen lassen. Hinter den Kulissen stehen zumindest die Signale der Führungspersonen in Berlin klar auf die Bildung einer Großen Koalition. Inhaltlich sind sich Merkel und Gabriel einig, dass nur ein Bündnis aus Union und SPD mit einer starken Position im Bundesrat (Länderkammer) die Kraft hätte, etwa die verfahrene Situation bei der Energiewende zu bewältigen.

Deshalb geht es zu Beginn des zweiten Aktes mehr darum, dass man die eigene Partei auf dem Weg in eine neue Regierung mitnehmen muss. In homöopathischen Dosen soll den eigenen Wählern die schmerzhafte Erkenntnis nahegebracht werden, dass die Volksparteien für eine Koalition Positionen werden räumen müssen. Nur darf dies in der Öffentlichkeit nicht als Verrat an den eigenen Idealen und wichtigen Positionen ankommen. Die SPD-Granden fügen mit Blick auf die verunsicherten eigenen Truppen zur Aufmunterung ständig hinzu, dass man "keine Angst" habe.

Öffentlicher Druck steigt

Um zu verstehen, warum diese Show der Stärke nach außen für alle im Koalitionsreigen beteiligten Parteien so wichtig ist, muss man vom Ende her denken: Ohne eine Einigung drohen Neuwahlen mit einem unklaren Ausgang sowohl für die Parteien als auch das Ansehen des bisherigen EU-Stabilitätsankers Deutschland. Gerade weil Umfragen nach der Wahl zeigen, dass die Mehrheit der Bürger eine Große Koalition erwartet, birgt dies große Risiken vor allem für die SPD. Entsteht der Eindruck einer Verweigerungshaltung in den Gesprächen mit Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer, dürften die Sozialdemokraten bei Neuwahlen abgestraft werden. "Wenn eine Partei vor diesem Hintergrund ein Scheitern der Koalitionsverhandlungen betreibt, müsste diese Partei sich größte Sorgen vor Neuwahlen machen", warnt auch die CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt im Reuters-Interview. Die Union sei dabei nicht betroffen.

Riskant erscheinen Neuwahlen aber sehr wohl auch für Merkel. Zwar konnten CDU und CSU in den ersten Umfragen nach der Wahl sogar noch auf 43 Prozent zulegen. Aber die Hoffnung, dass die FDP bei einem neuen Anlauf wieder im Bundestag vertreten wäre und Merkel damit erneut als Koalitionspartner zur Verfügung stünde, ist gering: In den Umfragen sackten die Liberalen weit ab, während die Anti-Euro-Partei AfD sicher über der Fünf-Prozent-Hürde liegen und damit Merkel eine absolute Mehrheit vermasseln dürfte. Auch die CDU-Chefin scheint also durch eine Neuwahl wenig gewinnen zu können, zumal sie die AfD als Koalitionspartner kategorisch ausschließt.

Möglicherweise ist aber genau diese Interessenübereinstimmung der Berliner Akteure entscheidend dafür, dass zwar mit Würgen, am Ende aber doch mit Erfolg eine Regierungsbildung gelingen wird. Denn mit jeder Woche Abstand zur Wahl wird der öffentliche Druck steigen, dass die Parteien das erreichen, wofür sie gewählt wurden - eine Regierung zu bilden.

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