Weil ich es mir wert bin

Fastenzeit, enges Ballkleid, neues Wohlbefinden - Gründe, zu detoxen, gibt es viele. Drei Persönlichkeiten berichten von Trial and Error, dem Mittel ihrer Wahl und wie sie sich bei Hunger selbst überlisten

von Detox - Weil ich es mir wert bin © Bild: Getty Images/Gisela Schober, Shutterstock

Detox muss man nicht machen, das übernehmen eh unsere Organe. So oder so ähnlich beruhigt der hedonistisch veranlagte Couch-Potato sein Gewissen. Und ja, das ist ihr Job! Aber bevor Leber, Nieren oder Galle in den metaphorischen Hungerstreik treten, weil sie vom letzten Fluchtachterl, dem knusprigen Kümmelbraten oder der cremigen Dobostorte so richtig ang'speist sind, könnte man eingedenk der bereits über Bord geworfenen Neujahrsvorsätze seinen lebenswichtigen Innereien zumindest eine Zeit lang etwas Gutes tun -und sie entlasten. Das hat sich auch TV-Moderatorin (Puls 4, LT1) und Designerin (Mademoiselle Schneider) Silvia Schneider gedacht: entgiften, entschlacken, entschleunigen. Und diesmal soll es klappen! "Ich hab schon einige Male versucht, eine Saftkur zu machen", berichtet der Workaholic. "Allerdings bin ich da immer relativ schnell gescheitert. Ich hab dafür einfach nicht die nötige Ausdauer." Deswegen begibt sich die Linzerin Anfang März nach Bali, um in einem Yoga-Retreat einzuchecken. In Vorbereitung auf die Reise entgiftet sie jetzt schon moderat. "Ich achte darauf, dass ich viel Gemüse esse, nur wenig Kohlenhydrate und kaum Fleisch, um eine Basis für die Wochen mit der ayurvedischen Küche zu schaffen." Mehr als zwei Drittel der indischen Bevölkerung werden heute mit Ayurveda-Medizin behandelt. Die drei Doshas -man könnte auch "Temperamente" dazu sagen -sind für die Grundeigenschaften und die Konstitution des einzelnen Menschen verantwortlich. Die Ernährung wird auf diese abgestimmt, um eine etwaige Disbalance zu harmonisieren. Mit Ayurveda ist Schneider immer wieder in Berührung, allerdings auf einem Kindergartenlevel, wie sie schmunzelnd zugibt. "Ayurvedische Tees oder Ernährung gibt es bei mir, wenn ich wieder mal gevöllert hab, aber ich freu mich drauf, das jetzt intensiver kennenzulernen. Angeblich fühlt man sich danach glücklicher und energiegeladener."

Die Dosis macht das Gift

Dass Silvias Reise in die 40-tägige Fastenzeit zwischen Aschermittwoch und Karsamstag fällt, ist kein Zufall. Sie versuche, diese jedes Jahr einzuhalten. Alkoholabstinenz, kein Fleisch und keine Süßigkeiten. "Die unterschiedlichen Religionen haben unterschiedliche Fastenzeiten. Das ist mir schon wichtig, das sechs Wochen durchzuhalten. Es tut gut und macht Sinn." Absolutes Fasten kann sich Schneider, der Genussmensch, derzeit nicht vorstellen. "Ich bin in einem Beruf, der dauernd Energie fordert. Wenn ich drei Tage fasten würde, könnte ich meinen Job nicht ausüben! Für mich haben Diäten und Hungerkuren etwas sehr Perverses, Stupides an sich. Ich weiß auch nicht, wer freiwillig fastet!"

Freiwillig tut sich das Filmkritiker, Filmemacher, Journalist und Keynote-Speaker Peter-Arthur Straubinger an -besser bekannt als "P. A." - englisch ausgesprochen. Er hat zeitlich begrenztes Fasten sogar völlig in seinen Alltag integriert, im Sinne der Gesundheit und des Anti- Aging-Effekts. "Intervallfasten ist der Wechsel zwischen Fasten und normaler Nahrungsaufnahme in einem bestimmten Rhythmus, also etwa 16 Stunden Fasten und acht Stunden, in denen gegessen werden kann -und das Tag für Tag", erklärt Straubinger. In den Fastenphasen trinkt er Wasser, ungesüßte Tees, grünen oder schwarzen Kaffee. Mit dieser 16/8-Methode, bei der Straubinger in den acht Stunden isst, was er will, erlebe er keine Tiefs. "Wenn ich mal in der Fastenphase Lust auf Essen spüre, denke ich dran, wie gut meinem Körper diese ,Reinigung' gerade tut, oder trinke Tee oder schwarzen Kaffee, und die Sache ist erledigt. Danach genieße ich das Essen umso mehr", gibt der Journalist zu Protokoll.

Fasten als Anti-Aging-Mittel

In den Fastenintervallen fühle sich der 47-Jährige leistungsfähiger und zufriedener, ein "leichteres Lebensgefühl" begleitet diese Hochphase. Der Prozess dahinter: 14-bis 16-stündiges Fasten aktiviert den Zustand der sogenannten "Autophagie" in den Körperzellen, was so viel wie Selbstverzehrung bedeutet. Für dessen Erforschung wurde 2016 dem japanischen Zellbiologen Yoshinori Ohsumi der Medizinnobelpreis verliehen -mit folgender Erkenntnis: Wenn die Zelle keine Nahrung zugeführt bekommt, beginnt sie, den "Schrott" wie falsch gefaltete Proteine oder kaputte Organellen in den Zellen zu verdauen.

Aus Langzeitversuchen weiß man, dass das eines der besten Anti-Aging-Mittel und die vielleicht beste Medizin ist, um den Körper gesund zu erhalten. Im Laborversuch mit Mäusen zeigte sich, dass die exakt gleiche Menge an Nahrung dann relativ unschädlich war, wenn die Tiere das Essen nur in einem bestimmten Zeitfenster zur Verfügung hatten. Die Kontrollgruppe hingegen entwickelte typische Krankheitssymptome wie Diabetes und Übergewicht, wenn das Essen permanent zur Verfügung stand und die Nahrungsaufnahme über den gesamten Tag verteilt erfolgte. "Auf den Menschen umgelegt, heißt das, dass wir genießen und hin und wieder über die Stränge schlagen dürfen, wenn wir unserem Körper Phasen der Autophagie gönnen", erklärt P. A. und fügt hinzu: "In der Schwangerschaft und Stillzeit wird es aber nicht empfohlen. Auch bei Essstörungen oder akuten Krankheiten ist unbedingt ein Arzt zu konsultieren."

Der Emotionalkörper schreit

Grundsätzlich ist Straubingers Beobachtung, dass "Hunger in unserer übersättigten westlichen Welt ein psychisches und kein körperliches Verlangen ist". Was und wie viel wir essen, sei oft nur Nahrung für den "Emotionalkörper", während der physische Körper darunter leide, wie süß, fett und schwer wir essen. Er verrät: "Wenn ich esse, bin ich oft recht zügellos. Ich verfolge da den tantrischen Zugang, also den Bogen ordentlich zu spannen, damit der Pfeil schneller wird." Das heißt konkret: Der Filmemacher ist nicht der Typ, der ein Stück Schokolade isst und dann die Tafel wieder in die Lade legt. Es verschwindet gleich die ganze Tafel. "Für mich ist es leichter, mit dem Essen erst gar nicht anzufangen, denn wenn ich anfange, greife ich ordentlich zu. Aus dem beschriebenen Mäuseexperiment entnehme ich aber, dass das gar nicht so dumm ist!"

Gemüsesaft statt Chips

Ziemlich clever geht auch Miss-Lillys- Hats-Designerin Niki Osl an die Sache, wenn ihre Kleider kneifen. Einige Tage vor dem Opernball startet sie jedes Jahr mit einer Pure-Delight-Saftkur. Das sind Gemüsesäfte und Suppen für ein mehrtägiges Cleanse-Programm. "Ich vertrag das gut und fühl mich total wohl dabei, weil ich weiß, das ist jetzt meine Ration für den Tag. Ich hab mit diesen Säften auch keinen Hunger oder Megaschädelweh." Wenn der Blutzucker in den Keller rasselt, greift die Wienerin zu Weintrauben, "auch wenn Diätexperten das wegen des Fruchtzuckers verteufeln", so Osl. "Besser Weintrauben als ein Packerl Zigeunerräder, nicht wahr?" Obwohl sich die 38-Jährige für sehr inkonsequent hält, kommt sie mit dem sogenannten Juice Cleanse sehr gut zurecht. Preiswert ist die Woche Saftkur nicht gerade, was Testerinnen schnell vergessen, wenn sie beobachten, wie schön ihre Haut nach ein paar Tagen zu strahlen beginnt. 100 Prozent Power aus der Natur stecken dahinter: "Es sind einfach verschiedene Obst-und Gemüsesorten gemischt, die ich jeden zweiten Tag geliefert bekomme. Jeder Saft ist auch wirklich anders. In der Früh hast du meistens eine Art Limonade, da ist manchmal Aktivkohle drin, dafür kein Zucker."

Ernährungsmediziner Christian Matthai hält fest, was es in der Entgiftungsphase ebenfalls zu vermeiden gilt: "Frittiertes, Gebackenes, Paniertes, Alkohol und Zigaretten sollen beim Detoxen keine Rolle in Ihrem Leben spielen. Neben der Ernährung haben regelmäßiger Sport, die Unterstützung durch Vitalstoffe und die Pflege von Geist und Seele ebenso eine große Bedeutung." Ein Entgiftungsprogramm kann zeitlich begrenzt oder als neue Lebensphilosophie gehandhabt werden. Was auch immer Sie wagen, fragen Sie Arzt oder Apotheker, aber hören Sie auch auf Ihren Bauch.

»Die drei Detox-Kuren im Überblick«

Ayurveda

Silvia Schneider, 35, TV-Moderatorin, Designerin

Silvias Motivation: Neues Wohlbefinden! Für die Ballsaison habe sie noch nie gefastet. Obwohl: "Ich höre von Herren öfters, dass sie sich in ihren Frack hineinfasten wollen. Aber da gilt dann oft: ,Der Geist ist willig, das Fleisch ist schwach.' Ich glaube nicht, dass eine kurzfristige Ernährungsumstellung etwas bringt. Das muss eine Lebenseinstellung sein, die man verfolgt. Dann passt das auch mit dem Idealgewicht." In Bali will sich Schneider nun der ayurvedischen Ernährungslehre widmen, die drei Lebensenergien (Doshas) unterscheidet.

Omas Hausmittel: Ihre Großmutter väterlicherseits hat auf entwässernden Brennnesseltee geschworen. Zum Entgiften, zum Entschlacken, zum Abnehmen und sogar für die Haare. "Damit bin ich als Kind aufgewachsen."

Lieblingssattmacher: Die Avocado enthält gesunde Fette und sättigt. "Eine Guacamole ist für mich oft die Lösung!"

Intervallfasten

P. A. Straubinger, 47, Filmemacher

Selbstreinigung der Zelle: Die Wissenschaft geht davon aus, dass der Prozess der Autophagie, eine Art Selbstverdauung, ab einem kompletten Kalorienverzicht von 14 bis 16 Stunden beginnt. Das ist der Grund, warum sich P. A. Straubinger nach dem Prinzip des Kurzzeitfastens ernährt.

Brauchen Organe das Fasten? "Ja, und zwar nicht nur die Organe, sondern alle Körperzellen. Jede Zelle ist ein eigenes Lebewesen, das auch Phasen der Ruhe, der Reinigung und Entgiftung braucht", erklärt Straubinger. Die enorme Bedeutung dieser durch Fasten aktivierten "Zellmüllabfuhr" wird erst in den letzten Jahren von der Mainstreamwissenschaft immer mehr anerkannt. Mit dem Ergebnis, dass heute nicht nur eine ausgewogene Ernährung empfohlen wird, sondern auch ausgedehnte Phasen der Nahrungskarenz.

Tagesworkshop: "Kurzzeitfasten und Meditation - mit Leichtigkeit jünger, gesünder und glücklicher" mit Ernährungswissenschaftlerin Margit Fensl und Meditationstrainer und Filmemacher P. A. Straubinger, 25.2., 10 bis 18 Uhr, Don Bosco Haus, 1130 Wien. Mehr Infos unter pastraubinger.com/meditationsseminar

Saftkur

Niki Osl, 38, Designerin Miss Lillys Hats

Was bisher geschah: After Eight, Rumkugeln, mit Schokolade überzogene Windbäckerei, Sing Sing, Pringles und ihre geliebten Zigeunerräder - das ist an manchen Tagen die Basis von Niki Osls Ernährungspyramide.

Osls Motivation: "Mich stört's nicht, etwas kurviger zu sein, aber ich will einfach in meine Kleider passen!" Vor einem Monat konnte sie geschätzt "nur" cirka 60 ihrer 300 Kleider tragen. Reinquetschen macht bekanntlich keinen Sinn. Die Headpiece-Künstlerin lacht: "Einmal hab ich mich in ein Kleid gezwängt, da ist dann der Ärmel vorne bei der Naht gerissen."

Das absolut zufriedenstellende Fazit: In einer Woche Saftkur von Pure Delight sind bei Osl eineinhalb Kilo geschmolzen. In insgesamt vier Wochen mit kohlenhydratarmer Ernährung und fünf Mal in der Woche moderater Bewegung hat Osl vier Kilo verloren. Trotz diverser Nasch-Attacken. Die Wienerin will diesen Lifestyle in nächster Zeit weiterführen.

Dieser Artikel ist im News Nr. 6/2018 erschienen.