Der Fall des "Kannibalen von Rotenburg": CHRONOLOGIE

* 9. März 2001 - Der 43-jährige Diplom-Ingenieur Bernd Jürgen B. tritt seine letzte Reise mit dem Zug von Berlin nach Kassel an. Seit Sommer 2000 hat er unter dem Namen "Cator" in Kannibalismus-Internetforen angeboten, sich bei lebendigem Leib verspeisen zu lassen. So ist der Kontakt mit "Franky" (Meiwes) entstanden. "Cator" ist davon besessen, dass er den "ultimativen Höhepunkt" erlebt, wenn er sich den Penis abtrennen lässt. Danach will er "rückstandslos von der Erde verschwinden". Die Gerichtsgutachter erklären den Wunsch mit einem abnormen sexuellen Masochismus. Armin Meiwes seinerseits suchte über Kannibalismus-Foren einen jungen Mann zum "Schlachten".

Vom Kasseler Hauptbahnhof fährt Meiwes mit B. nach Rotenburg-Wüstefeld, wo er in seinem großen alten Fachwerkhaus einen "Schlachtraum" eingerichtet hat. Nach vergeblichen Versuchen von Meiwes, das Geschlechtsteil abzubeißen, beschließt Bernd B., nach Berlin zurückzukehren. Am Bahnhof entscheidet er sich, doch zu bleiben. Nach Aussage von Meiwes schluckt B. nach und nach 20 Schlaftabletten, eine halbe Flasche Schnaps und eine Flasche Erkältungssaft. Die beiden Männer verkehren vor laufender Videokamera sexuell miteinander. Danach schneidet Meiwes auf Anweisung von B. das Geschlechtsteil ab. B. legt sich in die Badewanne, bis ihm die Sinne schwinden.

* 10. März 2001 - In der Früh trägt Meiwes den Verstümmelten in den "Schlachtraum", macht alles zur Aufzeichnung auf Video bereit, betet und sticht B. zwei Mal in den Hals. Anschließend zerlegt Meiwes den Leichnam. Dabei sagt er unter anderem "Der Nächste muss jünger sein und nicht so fett".

* 12. März 2001 - Meiwes bereitet das erste Essen aus dem Menschenfleisch zu und deckt den Tisch festlich.

* 13. März 2001 - Im Internet beginnt Meiwes wieder mit der Suche nach einem "Schlachtopfer". Insgesamt 204 Interessenten suchen Kontakt zu "Franky".

* Juli 2002 - Ein österreichischer Internet-User informiert die Polizei über Webseiten von Meiwes, auf denen er Andeutungen über das Verbrechen macht. Das Bundeskriminalamt ermittelt.

* 10. Dezember 2002 - Die Polizei ermittelt wegen Gewaltverherrlichung und durchsucht Meiwes' Haus und Grundstück. Sie findet Blutspuren, beschlagnahmt Knochen und Fleisch aus der Tiefkühltruhe, eine Kreissäge und einen Grill sowie Videokassetten, 12.000 E-Mails, 1.616 Bilddateien, mehrere Festplatten sowie zahlreiche CD-ROM und Disketten. Armin Meiwes wird festgenommen und legt bei der Polizei ein umfassendes Geständnis ab.

* 11. Dezember 2002 - Ein Amtsrichter erlässt Haftbefehl wegen Mordverdachts.

* 12. Dezember 2002 - Die Polizei lässt den Garten am Haus von Meiwes umgraben, um weitere Leichenteile zu suchen.

* 17. Juli 2003 - Die Staatsanwaltschaft Kassel erhebt Anklage wegen Mordes zur Befriedigung des Geschlechtstriebs.

* 3. Dezember 2003 - Prozessbeginn vor der 6. Großen Strafkammer des Landgerichts Kassel. Der Angeklagte legt ein umfassendes Geständnis ab.

* 26. Jänner 2004 - Staatsanwalt Marcus Köhler fordert für Meiwes eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes. Verteidiger Harald Ermel plädiert auf eine Strafe wegen Tötung auf Verlangen und damit auf höchstens fünf Jahre Freiheitsstrafe.

* 30. Jänner 2004 - Das Landgericht Kassel verurteilt Armin Meiwes wegen Totschlags zu achteinhalb Jahren Haft und erklärt, Mordmerkmale lägen nicht vor.

* 22. April 2005 - Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe hebt das Urteil des Landgerichts Kassel auf und stellt fest, dass es mehrere Mordmerkmale zu Unrecht verneint hatte. Die Revision der Verteidigung wird als unbegründet verworfen.

* 12. Jänner 2006 - Beginn des zweiten Prozesses vor der 21. Großen Strafkammer des Landgerichts Frankfurt.

* 16. Jänner 2006 - Meiwes legt ein umfassendes Geständnis ab.

* 17. Jänner 2006 - Der Angeklagte erklärt, er habe nicht gewusst, dass seine Tat als "Störung der Totenruhe" strafbar sei. "Ich wollte, dass Bernd glücklich ist", sagt Meiwes.

* 7. Februar 2006 - Ein Rechtsmediziner bezweifelt die Aussage des Kannibalen, er habe Bernd B. viele Stunden nach dessen Entmannung für tot gehalten. Die Video-Aufnahmen beweisen das Gegenteil.

* 21. Februar 2006 - Meiwes bestreitet ein sexuelles Motiv seiner Tat. Dem widersprechen seine im Prozess verlesenen früheren Äußerungen, dass er sexuelle Lust beim Ansehen des Tatvideos empfunden hat.

* 18. April 2006 - Der sexualwissenschaftliche Gerichtsgutachter Klaus Beier bescheinigt dem 44-jährigen Angeklagten eine uneingeschränkte Schuldfähigkeit. Bei Meiwes liege eine schwere seelische Abartigkeit mit Krankheitswert vor. Dessen fetischistische Neigung zu Männerfleisch sei nicht primär mit sexueller Erregung verbunden.

* 24. April 2006 - Nach Einschätzung des Psychiaters Georg Stolpmann besteht bei Meiwes eine "erhebliche Wiederholungsgefahr".

* 3. Mai 2006 - Die Staatsanwaltschaft beantragt lebenslange Haft wegen Mordes in Tateinheit mit Störung der Totenruhe. Die Verteidigung plädiert auf eine Verurteilung wegen Tötung auf Verlangen beziehungsweise eine befristete Freiheitsstrafe.

* 9. Mai 2006 - Meiwes wird wegen Mordes in Tateinheit mit Störung der Totenruhe zu lebenslanger Haft verurteilt.
(apa)