Dem Volk aufs Maul schauen

Schon Martin Luther wusste: Wer dem Volk aufs Maul schaut, kann es für sich gewinnen. Oder auch nicht

von Leitartikel - Dem Volk aufs Maul schauen © Bild: Matt Observe

Es ist immer wieder schön zu sehen, wie sich Parteien verändern, wenn sie von der Oppositions-in die Regierungsverantwortung wechseln und umgekehrt. Die Freiheitlichen sind in der Regierung ebenso wenig angekommen wie die SPÖ in der Opposition. Es ist schon erstaunlich, wie sehr man beidseitig um des Volkes Willen bemüht ist und ihn dennoch so gar nicht trifft. Die Blauen haben schon unter Jörg Haider mit dem Gedanken gespielt, dem Volk per Befragung die Macht in die Hand zu geben. Doch auch Haider hat seine Ambitionen immer wieder zurückgenommen. Dafür war er dann doch zu sehr Realpolitiker.

Heinz-Christian Strache prangerte im Lauf der vergangenen Jahre immer wieder an, dass die Regierenden Volkes Willen zu wenig hören. Das war mal - als er selber noch nicht in der Regierung saß. Umso verwerflicher ist sein Schwenk in der Causa Volksbegehren und/oder Volksabstimmung. Plötzlich darf das Volk nichts mehr entscheiden, und das Regierungsprogramm geht vor. Das war ein abrupter Meinungswandel des freiheitlichen Chefs.

Zwei Drittel der Österreicherinnen und Österreicher sind für ein Rauchverbot in der Gastronomie ab 1. Mai. Nicht einmal ein Drittel der Österreicher raucht. Für diese Minderheit soll die Mehrheit blauen Rauch in Lokalen einatmen? Warum schießt sich die Freiheitliche Partei, also ebenjene Partei, die immer für Volkes Willen war, plötzlich darauf ein, das schon beschlossene Gesetz zu kippen und wieder ein Kuddelmuddel an Ausnahmebestimmungen und -formen zuzulassen, das nur eines schafft: neue Unsicherheit und neue Unklarheit. Wo investieren? Was genau? Und für wie lange wird es diesmal halten? Fragen, mit denen sich die Wirte auseinandersetzen müssen. Kann es wirklich so schwer sein, für Volkes Gesundheit einzutreten?

Das interessiert die Blauen offensichtlich nicht. Jetzt soll also das Gesetz fallen, das für Nichtraucherschutz sorgen sollte. Und 2021 sollte vielleicht das Volk dazu befragt werden, hieß es zuletzt. Verarschen - sorry, so viel Ärger muss erlaubt sein -können wir uns selber. Interessant ist die Doppelbödigkeit der Freiheitlichen in Sachen Volksbegehren. Auf eine Befragung über das Freihandelsabkommen Ceta haben sie zugunsten des Rauchervolksbegehrens verzichtet. Plötzlich fällt Strache wieder ein, über ORF-Zwangsgebühren und Ceta könne man schon auch abstimmen lassen. Vielleicht, weil man sich da eher die Zustimmung der Wähler erwartet? Ist das nicht Wählertäuschung? Aber daran ist sicher die ÖVP "schuld", weil man in einer Koalition über Kompromisse zusammenfinden muss.

Der Vizekanzler sollte diesen Schlingerkurs einstellen. Kanzler Sebastian Kurz könnte an Statur gewinnen, wenn er hier ein Machtwort spricht. Gerade seine Wähler sind wenig begeistert von dem blauen Rauchschwall. Sämtliche schwarz-türkise Landeshauptleute sind für das Rauchverbot, wie es alle Parlamentsparteien außer die Freiheitlichen gemeinsam beschlossen haben. Vielleicht unterschreiben auch so viele Menschen, um ein Umdenken der Regierung zu erzwingen. Das wäre dann die direkte Demokratie, wie sie die Blauen bisher immer verstanden haben, oder? News jedenfalls ist der Meinung: Don't smoke im Gasthaus!

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News setzt sich seit Monaten mit Themenschwerpunkten für das absolute Rauchverbot in der Gastronomie ein. In einer gemeinsamen Erklärung fordern nun alle Chefredakteurinnen und Chefredakteure der Verlagsgruppe News die Bundesregierung dazu auf, dieses Rauchverbot auch durchzusetzen. Lesen Sie die Erklärung hier.