Das Land des Gouda und der Windmühlen:
Aber nicht alle Niederländer züchten Tulpen

Hier gibt es doppelt so viele Drahtesel wie Autos Kaum Interesse an Coffeeshops mit weichen Drogen

Sie tragen Holzpantoffeln, essen am liebsten Gouda und leben in einer Windmühle oder fahren mit dem Fahrrad durch Tulpenfelder und sind ständig high - Bilderbuch-Klischees über die Bewohner der Niederlande sind nicht nur sonderbar, sondern auch unterschiedlich wie Tag und Nacht. Die Wahrheit über das Land, das bis zu einem Viertel unter dem Meeresspiegel liegt, können diese Vorurteile auf jeden Fall kaum erfassen.

Das Land des Gouda und der Windmühlen:
Aber nicht alle Niederländer züchten Tulpen

Nicht verleugnen lässt sich die Liebe der Niederländer zu Fahrrädern: Es gibt doppelt so viele Drahtesel wie Autos, fast jeder Bürger besitzt ein eigenes "fiets" mit dem er die insgesamt 15.000 km umfassenden Radwege nutzen kann. Nichts dran ist laut Julia Sommer vom Institut für Nederlandistik an der Universität Wien an dem weit verbreiteten Glauben, der Konsum von Marihuana ist erlaubt und jeder Niederländer dementsprechend den ganzen Tag "eingeraucht".

Weiche Drogen sind illegal, der Besitz bzw. Konsum wird allerdings von der Polizei nicht geahndet, erklärt Sommer im APA-Gespräch. Ab und zu tauche bei einer Party ein Joint auf, für Niederländer sei der Konsum allerdings kein großes Thema, viele interessiere er absolut nicht. Coffee-Shops in denen "Gras" verkauft werden darf, gibt es vor allem im Westen, besucht werden sie vor allem von Touristen.

Der große Kontrast zum schrillen Image des Landes, in dem Marihuana geraucht werden kann und dessen Hauptstadt mit einem auffallendem Rotlichtviertel aufwartet, ist die lange Vorherrschaft des Calvinismus. Heute ist der Großteil der Niederländer zwar konfessionslos, streng gläubige Familien gibt es vereinzelt allerdings immer noch, so die Österreicherin, die einige Jahre in dem Land lebte. "Seine Eltern und Großeltern zu siezen, vor dem Essen zu beten und am Sonntag absolut keiner Tätigkeit nachzugehen - außer Kirchenbesuchen" sei dort durchaus üblich. Nimmt man als Gast in solchen Haushalten zum Kaffee mehr als ein Keks aus der Dose, tritt man übrigens ins Fettnäpfchen - diese Geste gilt als überaus unhöflich.

Einfach und nüchtern
"Niederländer sind nicht so tolerant wie man ihnen nachsagt", meinte Sommer weiter. "Und sie haben nicht alle eine Windmühle und Tulpen." Einfach- und Nüchternheit - diese Begriffe würden die Mentalität der Niederländer am Besten beschreiben. Sichtbar sei dies an der schlichten Kleidung, aber auch den simplen Speisen. Fleisch mit Erdäpfeln und Gemüse gilt als das typisch niederländische Gericht. Die Küche sei generell sehr international, vom Schnitzel über die Pizza und das Kebab bis zur vietnamesischen Reistafel könne man alles finden.

Dass es Käse den Niederländern besonders angetan hat, stimmt tatsächlich: Auf riesigen Käsemärkten werden verschiedenste Sorten angeboten, erzählte Sommer. Als Spezialität gilt allerdings nicht junger Gouda, sondern besonders lange gereifter Käse. Geht es um Alkohol, greifen "Holländer" am liebsten zum Bier, bevorzugt wird das im eigenen Land gebraute Heineken. Angestoßen wird übrigens "auf die Gesundheit" oder "ein neues Haus". Bei Schimpfwörtern beziehen sich die Niederländer am liebsten auf schlimme Krankheiten und wünschen ihren Feinden beispielsweise die Pocken an den Hals.

Holland nur Region der Niederlande
Als Holländer darf man übrigens nicht jeden Niederländer betiteln, sondern nur jene aus dem Westen, warnte Sommer. Die falsche Bezeichnung für alle Bewohner habe sich lange Zeit wegen der größeren Bekanntheit der wirtschaftlich wichtigeren West-Gegend durchgesetzt. Die Bürger im Norden und Osten fassen dies allerdings als Beleidigung auf.

Das Gegenteil von nüchtern und ruhig sind Niederländer im Urlaub und beim Feiern. Dort seien sie im Gegenteil sogar besonders laut und angetrunken, so Sommer. Das gilt vor allem für die beliebten Skiurlaube in Österreich und das Zelebrieren von Fußball-Matches: Für Meisterschaften werden ganze Häuser in der Farbe des Nationalteams "Oranje" bemalt, gleichfarbige Kostüme vom Cowboy bis zum Indianer angezogen und die Köpfe mit riesigen Plastik-Kronen oder Karotten-Büscheln verziert.