Das Ende einer Ära: Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel wird zum einfachen Abgeordneten

Sieben Jahre Kanzler, zwei Jahre ÖVP-Klubobmann Galt bis zuletzt als Strippenzieher im Hintergrund

Das Ende einer Ära: Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel wird zum einfachen Abgeordneten

Jahrelang hatte der "Wendekanzler" als uneingeschränkter Herrscher über die Volkspartei gegolten, auch nach seiner Abdankung als Parteiobmann galt er bis zuletzt als Strippenzieher im Hintergrund. Der Rückzug von Wilhelm Molterer von der Parteispitze wurde von vielen Kommentatoren als Niederlage Schüssels gesehen. Dieser hatte zuletzt erklärt, er halte Pröll als seinen Nachfolger als Klubobmann "für möglich": Denn sollte die ÖVP in Opposition gehen, sei es üblich, "dass der Parteichef auch den Parlamentsklub führe".

Vom dritten Platz aus auf den Kanzlersessel
Furore machte Schüssel, als er 2000 vom Platz drei aus Kanzler wurde. Geprägt war die zunächst schwarz-blaue, dann schwarz-orange Ära von einem Aufbrechen alter Traditionen. Die Sozialpartnerschaft verlor an Bedeutung, die Zusammenarbeit mit rechtspopulistischen Bewegungen wurde enttabuisiert und im Sozialbereich wurden Einschnitte vorgenommen, die Gewerkschafter in Österreich zuvor ungekannte Massenstreiks organisieren ließ.

Schüssel, geboren am 7. Juni 1945, hatte der ÖVP nach Jahrzehnten wieder den Kanzler gebracht, und das ohne eine Wahl gewonnen zu haben. Weder 1995, als er gegen Franz Vranitzky einen vorgezogenen Urnengang provozierte, noch 1999 konnte er die hochgesteckten Ziele erreichen. Einmal blieb die Volkspartei überraschend neuerlich hinter den Sozialdemokraten, das andere Mal erfolgte der historische Rückfall auf Platz drei. Trotzdem war Schüssel plötzlich Kanzler, als er 2000 die Gunst der Stunde nutzte und letztlich Jörg Haider und dessen FPÖ über den Tisch zog.

Großer Sieg bei NR-Wahl 2002
Nach dem Platzen der ersten Koalition mit den Freiheitlichen in Folge des Knittelfelder Putsches hatte Schüssel dann am 24. November 2002 seinen wirklich großen Tag. Erstmals seit Jahrzehnten führte er die ÖVP auf Platz eins und war damit in den eigenen Reihen unumstrittener denn je.

Schüssel nützte es, ging trotz vieler skeptischen Stimmen erneut eine Koalition mit den Freiheitlichen ein und blieb auch an ihrer Seite, als sich die Partei spaltete. Statt Schwarz-Blau hieß es eben Schwarz-Orange - und trotz aller Turbulenzen schien es so, als ob die ÖVP, die fast wie in einer Alleinregierung agierte, dank BAWAG-Skandals wieder auf Platz eins landen würde. Ein Irrtum, wie sich nach einem langweiligen und emotionsarmen Wahlkampf der Volkspartei herausstellte, bei dem Schüssels Popularität offenbar überschätzt wurde.

Wechsel an die Klubspitze
Trotz der Demütigung einer dritten Wahlniederlage im vierten Versuch blieb Schüssel seinem Ruf als Steher treu. Unbeirrt und lange Zeit stur führte er das Koalitionsteam der ÖVP an und machte den Sozialdemokraten das Leben nicht leicht. Logische Folge der roten Alternativenlosigkeit in Sachen Koalition: Die ÖVP riss der SPÖ auch diesmal vor allem bei den Ressorts große Zugeständnisse heraus. Danach übergab Schüssel die Parteiführung an Molterer und wechselte an die Klubspitze.

Kindheit in bescheidenen Verhältnissen
Die große Karriere war Schüssel eigentlich gar nicht in die Wiege gelegt. Er wurde von seiner alleinerziehenden Mutter in bescheidenen Verhältnissen groß gezogen, durfte aber das prestigeträchtige Schottengymnasium besuchen. Es folgte ein Jusstudium und nebenbei einer Tätigkeit als Radio-Journalist. Politisch begann es in der ÖVP 1968, wo er sieben Jahre lang als Klubsekretär im Parlament diente. Tätig war er auch als Wirtschaftsbundgeneralsekretär, als Abgeordneter (ab 1979), als Wirtschaftsminister (1989-95) sowie ab 1995 als längst dienender VP-Obmann der Geschichte. Ab diesem Zeitpunkt fungierte er auch als Vizekanzler und Außenminister, ehe Schüssel 2000 das heiß ersehnte Kanzleramt übernahm.

Schüssel als Person wird von seiner politischen Gegnerschaft menschlich wenig Gutes nachgesagt. Als kalt gilt der früher oft als "Schweigekanzler" apostrophierte, als gewiefter Taktiker, Arroganz wird ihm ebenso nachgesagt wie intellektuelle Überheblichkeit. Auf der anderen Seite unbestritten sind sein scharfer Verstand, sein Ehrgeiz und seine vielfältigen Talente vom Bergsteigen über das Fußballspielen bis zum Karikaturen Zeichnen, Cello spielen und Papierschnitte-Basteln. Privat lebt Schüssel zurückgezogen in Wien-Hietzing. Seine Urlaube verbringt er entweder im Kloster oder in einer Ferienwohnung am Wolfgangsee. Verheiratet ist er seit Jahren mit Kinderpsychologin Krista, das Paar hat einen Sohn und eine unter dem Pseudonym Nina Blum Tochter, die Schauspielerin ist.

(apa/red)