Hackmair: "Ich habe gelernt,
den mutigeren Weg zu gehen"

Fußballprofi, ORF-Rebell, Autor. Ab 15. März stellt sich Peter Hackmair der Herausforderung "Dancing Stars". Ein Schritt aus der Komfortzone für den jungen Vater.

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Durchbeißen, auch wenn es weh tut. Dranbleiben, wenn es unmöglich erscheint. Weitermachen, wenn der größte Traum geplatzt ist. Peter Hackmair hat es hinter sich und wirkt gelassen. Der Profifußballer war 25 Jahre alt, als er nach drei Kreuzbandrissen Abschied vom Sport nahm. Er ging auf Weltreise. Schrieb drei Bestseller. Verließ die Heimat und die Lebenspartnerin. Trat als ORF-Kommentator in der Rolle des jugendlichen Rebellen mit scharfer Meinung und Schneid an und erntete manchen Shitstorm. Darüber, dass er bei einem Champions-League-Spiel von Rapid einst in einem ukrainischen Trachtenhemd auftrat - weil dort Feiertag war-, muss er heute lachen. Es war seine Form von Rebellion gegen die Bevormundung durch den bereitgestellten Anzug. Wie die langen Haare, die er während einer Weltreise wachsen ließ. Heute sind sie ab und der 31-Jährige sitzt an seinem Kraftplatz in Dornbach in Wien in Heidi's Zauberpark. Im Lebensberatungszentrum von Heidi Bernhart ist er als Motivationscoach tätig. Sechs Jahre nach seiner Lebenskrise erzählt er vom Sinn des Scheiterns.

Ex-Fußballer, Autor, Motivationstrainer. Was kann Ihnen "Dancing Stars" geben?
Es ist eine Herausforderung, die mich aus der Komfortzone bringt. Das habe ich in den letzten zwei Jahren nicht gehabt. Mit einer Ausnahme: Im November bin ich Papa geworden. Aber Felix macht es uns leicht. Er schläft gut, er trinkt brav und ich habe das Glück, viel Zeit mit ihm zu haben, weil ich zu Hause arbeite. Die Veränderung, Papa zu werden, ist im Alltag nicht so einschneidend, wie sie oft geschildert wird.

Warum ist es wichtig, die Komfortzone zu verlassen? Das tut doch erst einmal weh.
Natürlich. Ich habe 20 Jahre dafür gelebt, Fußballprofi zu sein. Nachdem ich aufgehört habe, kam die schwierigste Phase in meinem Leben. Wird mich je wieder etwas begeistern? Wie werde ich Geld verdienen? Was kann ich überhaupt? Das waren die Fragen. Deshalb bin ich auf Weltreise geflüchtet. Mittlerweile ist mir bewusst, dass es eine Flucht war. Aber die hat es gebraucht. Ich habe ein Jahr lang Antworten gesucht und noch mehr Fragen gefunden und irgendwann auch Antworten. Das geht nur außerhalb der Komfortzone.

© Matt Observe

Woher haben Sie die Kraft dafür genommen?
Zu einem großen Teil spielt da der Kampfgeist mit, den ich von meiner Mutter habe. Sie hat ihren Vater verloren, als sie acht war, dann die Mutter mit 14 und mit 18 die Tante, bei der sie gelebt hat. Trotzdem hat sie studiert und ist Lehrerin geworden. Aufstehen -hinfallen - weitermachen, das habe ich von ihr. Und ich hatte in allen Krisen ein oder zwei Menschen, die an mich geglaubt haben, meine Partnerin, Trainer, Freunde, Kollegen. Wenn du die hast, kommst du durch alle Krisen.

Nach der Fußballkarriere waren Sie Bestsellerautor und Kommentator. Klingt nicht nach langer Krise.
Mein Weg ist insofern weitergegangen, als ich nach einem Jahr Weltreise nach Hause gekommen bin und gemerkt habe: Ich muss weg aus Oberösterreich. Mein Drang, Neues zu entdecken, war unglaublich stark. Natürlich hat das auch damit zu tun, dass ich nach all den Jahren, die ich für den Fußball gelebt habe, das Gefühl gehabt habe, viel versäumt zu haben. Das war schwierig, weil ich alles hinter mir gelassen habe und nach Wien gegangen bin. Ich habe mich von meiner Partnerin getrennt, mein ganzes Umfeld verlassen.

Nach dem Abschied vom Beruf haben Sie Ihr privates Umfeld verlassen. Warum war das wichtig?
Es hat sehr weh getan, gleichzeitig ist es aber so: Wenn man seiner Begeisterung folgt, die man tief drinnen spürt, dann kann man nicht anders. Mein Lebensmotto ist geworden: Wenn ich zwei Optionen habe, entscheide ich mich für die mutigere Variante. Es ist immer die, die mich eher einen Schritt weiterbringt. Sicher, am Anfang braucht das Mut, aber mit jedem kleinen Erfolgserlebnis wird es leichter. Dann tust du es immer wieder, weil die Erfahrung so gut ist. So wie jetzt die Entscheidung für "Dancing Stars" zu treffen: In Wahrheit hab ich total Schiss, weil ich nämlich gar nicht tanzen kann.

»Wenn ich zwei Optionen habe, entscheide ich mich für die mutigere Variante. Es ist immer die, die mich weiterbringt«

Und wenn man scheitert?
Entweder sammelt man Erfolgserlebnisse oder man scheitert und merkt: Es passiert dabei langfristig nichts Schlimmes. Egal, wie bitter es in dem Moment ist: Wenn du es schaffst, dich auf die Zukunft zu konzentrieren, wird in den meisten Fällen alles relativ. Mein damaliger Mentor hat gesagt: Überlege, wie es dir in einem Jahr gehen wird, es gibt viele Gründe, warum es gut gewesen sein wird.

Betrachten Sie das Scheitern heute gelassener?
Es ist wie Thomas Edison gesagt hat: Er ist nicht gescheitert, er hat Tausende Wege verworfen, die nicht zum Ziel geführt haben. Ich habe gelernt, dass es nicht mein Beruf ist, der mich als Mensch ausmacht. Mein Ich bleibt mir immer. Das ist unantastbar. Viele glauben, sie sind als Mensch gescheitert, wenn beruflich oder privat etwas schiefläuft. Aber man ist nur in einer Rolle gescheitert.

Sie mussten sich nach drei Kreuzbandrissen mit 25 Jahren eingestehen, dass der Traumberuf Geschichte ist. Erinnern Sie sich an den Moment?
Es war ein schleichender Prozess über zwei Jahre: Verletzung, Comeback, Verletzung, Comeback, Verletzung. Heute schaue ich auf meine Narben und bin dankbar. Erstens, weil ich nach wie vor fit bin. Zweitens, weil sie mich daran erinnern, dass mir die Verletzungen den nötigen Abstand gegeben haben, mich mit dem Abschied zu befassen. Sonst würde ich heute noch Fußball spielen, nur weil ich mit acht Jahren zur Mama gesagt habe, ich werde Fußballer. Den Moment, als ich den Kollegen mein Karriereende verkündet habe, vergesse ich nie: Ich habe Gänsehaut gehabt, es hat geschmerzt und gleichzeitig habe ich daraus viel Kraft geschöpft.

»Heute schaue ich auf meine Narben und bin dankbar«

Das war ein schmerzlicher Abschied. Woraus schöpft man dabei Kraft?
Aus dem Freiraum, der dabei entstanden ist. Aus dieser Leere. Zu sagen: Ich darf mir zum ersten Mal in meinem Leben Gedanken über mich und meinen Weg machen, hat eine unglaubliche Kraft. Denn davor war mein Weg klar. Diese Freiheit geht mit einer Verantwortung einher, zu der wir nicht erzogen werden. Uns wird eher abtrainiert, aus Freiheit heraus etwas zu gestalten. Das habe ich mir in den letzten sechs Jahren wieder beigebracht. Ich nehme mir bewusst viel Freiheit für Entscheidungen, darf hinfallen und wieder aufstehen. Das ist manchmal belastend, wenn es um die wirtschaftliche Sicherheit der Familie geht. Andererseits ist es das schönste Gefühl, das man beim Aufstehen haben kann.

Wie sieht Ihr Aufstehen aus?
Tagen gebe ich mir eine andere Antwort: Manchmal schreibe ich, manchmal bereite ich meine Vorträge vor, manchmal arbeite ich an unserer Vision für eine Schule der Zukunft. Zudem versuche ich so viel Zeit wie möglich mit Judith und Felix zu haben.

Sie haben gesagt, Vater zu werden hat nicht viel verändert. Das ist ungewöhnlich.
Wir waren gut vorbereitet. Judith und ich kennen uns zwar erst seit drei Jahren. Wir haben aber schon nach eineinhalb Jahren über Kinder gesprochen und es hat dann schnell geklappt. Judith unterrichtet Sport und Geschichte und brennt für Themen wie Bildung und Schule, die auch mich begeistern. Eine Familie zu gründen, war schon immer mein Traum. Ich bin bei meiner alleinerziehenden Mutter als Einzelkind aufgewachsen. Von Weihnachten mit einer Großfamilie habe ich immer geträumt. Dieses Jahr hat es sich erfüllt. So schön! Da braucht es keine Geschenke.

Was haben Sie sich als Vater vorgenommen?
Ich habe im Handy jeden Morgen als Erinnerung die Frage eingestellt: "Was begeistert mich heute am meisten?" Mich das fragen zu dürfen, ist ein Geschenk. An fünf von sieben Ich mache keine langfristigen Pläne, sondern maximal für das nächste Jahr. Da steht ganz groß Papa-Sein am Kalender. Mehr Gedanken will ich mir nicht machen. Ich habe gelernt, dass es nur um zwei Faktoren geht: Du musst Zeit haben und deiner Begeisterung folgen. Dann findet sich der Rest. Sobald nur eines gegeben ist, gibt es ein Problem: Wenn du keine Zeit hast, nutzt dir die Begeisterung nichts. Wenn du keine Begeisterung hast, bist du in der Nutzlosigkeit verloren.

Gibt es eine Schlüsselerfahrung, die Sie aus den Jahren der Suche mitnehmen?
Ich kann heute mehr ich selbst sein als früher. Auch der coole Weltreisende, der ich als ORF-Kommentator war, war ja nur eine Reaktion auf die Jahre als Fußballer. Erst wollte ich es den Fans recht machen. Danach war es für mich wichtig, der Rebell mit den langen Haaren und der Konfliktbereitschaft sein zu können. Heute habe das nicht mehr notwendig. Ich bin viel gelassener. Die wahre Freiheit ist, sich nicht verstellen zu müssen und es niemandem recht oder zum Trotz machen zu müssen.

Zur Person: Der 31-Jährige war bis 2012 Fußballprofi. Nach dem verletzungsbedingten Karriereende landete er einen Überraschungserfolg als Buchautor ("Träume verändern") und sorgte als ORF-Analytiker bei Livespielen für Furore. Aktuell ist er als Buchautor ("Träum weiter") und Motivationstrainer erfolgreich. Er tanzt mit Julia Burghardt, die schon 2014 "Dancing Stars"-Erfahrung sammelte.

Das Interview erschien ursprünglich im News 11/2019.