"Ich wäre gern wie Robert Langdon"

Mit seinen Thrillern bannt der amerikanische Schriftsteller Dan Brown 200 Millionen Leser. Mit News sprach er über den neuen Roman "Origin" und seinen Serienhelden.

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Krimi - "Ich wäre gern wie Robert Langdon"

Mister Brown, in Ihrem Roman "Origin" gehen Sie der Frage nach, ob die Welt ohne göttliches Walten entstanden sein könnte. In unserem letzten Interview sagten Sie, dass Sie an eine höhere Macht glauben. Hat sich Ihre Einstellung zum Glauben durch die Recherchen für diesen Thriller verändert?
Der Roman hat mir den Atheismus nähergebracht. Aber ich bin noch nicht so weit. Im Moment bin ich Agnostiker. Eine Komposition meines Bruders Gregory hat mich zu "Origin" inspiriert. Er hat in seiner "Missa Charles Darwin" sakrale Musik mit Texten Darwins unterlegt. Wie die Chöre vom Überleben der Stärkeren zu sakraler Musik gesungen haben, das hat mich fasziniert.

Weshalb haben Sie den Roman Ihrer Mutter gewidmet?
Meine Mutter war eine fromme Christin. Bis zu meinem neunten Lebensjahr habe ich die Schöpfungsgeschichte geglaubt. Als ich in einem Museum von Darwins Evolutionslehre erfuhr, wollte ich wissen, welche Geschichte nun stimmt. Unser Pfarrer wies mich mit den Worten ab, dass brave Buben nicht solche Fragen stellen. Meine Mutter aber war anders. Sie ermutigte uns, zu fragen, und erklärte mir, dass die Geschichte von Adam und Eva ein Gleichnis ist.

In "Origin" assistiert ein künstlich geschaffenes Wesen namens Winston Ihrem Serienermittler Robert Langdon bei der Lösung seines Falls. Dieser Winston aber zeigt Tendenzen zum selbstständigen Handeln. Was kann passieren, wenn sich Roboter selbstständig machen?
Künstliche Intelligenz finde ich faszinierend. Noch ist alles von Menschen programmiert. Aber es wird eine Zeit kommen, in der diese Art Intelligenz ein Bewusstsein entwickelt und sich selbst zu steuern beginnt. Noch ist es für uns selbstverständlich, dass wir Maschinen als unsere neuen Sklaven ansehen. Aber einmal wird es so weit sein, dass wir uns fragen müssen, ob es Recht ist, dass wir Wesen mit einem Bewusstsein knechten. Und einmal werden sie nicht mehr unsere Sklaven sein wollen. Möglicherweise werden diese künstlich intelligenten Wesen sogar schlauer sein als wir.

Wird uns diese künstliche Intelligenz einmal vernichten? Im Roman deuten Sie das an.
Wenn es uns gelingt, diese Computerwesen so zu programmieren, dass sie uns dienen, wird alles gut. Was aber, wenn sie sich verselbstständigen? Denken Sie an das Problem der Überpopulation. Was machen wir, wenn so ein künstliches Wesen herausfindet, dass man die Menschheit nur retten kann, indem man sie halbiert? Noch können wir uns nicht einmal vorstellen, dass uns hoch entwickelte Computer einmal austricksen. Aber auch wir werden uns weiterentwickeln. Es ist gut möglich, dass man einmal jedem Menschen eine Übersetzungssoftware implantiert, damit wir alle auf der Welt miteinander kommunizieren können.

Dann braucht es nicht mehr viel, um aus Menschen Androiden zu machen. Was Sie erzählen, mutet beängstigender an als alles, worüber Sie bisher in Ihren Romanen geschrieben haben. Setzen Sie sich Grenzen bei der Darstellung von Horrorszenarien und Bluttaten?
Ich schreibe immer das Buch, das ich gerne selber lesen möchte. In einem Thriller ist es so, dass manchmal jemand umkommen muss. Aber ich schlachte das nie aus. Man wirft mir auch immer wieder vor, dass in meinen Romanen keine Sexszenen vorkommen. Aber das ist doch gar nicht möglich. Meine Geschichten handeln fast alle in einem Zeitraum von 24 Stunden. Es ist doch unwahrscheinlich, dass Robert Langdon einen komplizierten Fall in so kurzer Zeit löst und dann auch noch eine Frau, die er bei seinen Ermittlungen kennengelernt hat, gleich mit zu sich ins Bett nimmt.

Vor 17 Jahren ermittelte der Serienheld Ihrer Romane, Harvard-Professor Robert Langdon, in seinem ersten Fall. Ist er inzwischen ganz Ihr Alter Ego geworden?
Langdon ist der Mann, der ich gerne wäre. Er vereint die Eigenschaften meiner Lehrer. Den Hauptanteil an Langdon hat aber mein Vater, er ist ein exzellenter Mathematiklehrer, er hat einige Bücher geschrieben und ist sogar mit dem Presidential Award ausgezeichnet worden. Ich bin auf einem Schulcampus aufgewachsen. Mir machte Lernen Freude. Deshalb ist Langdon auch Professor geworden und kein Held, der mit Waffen kämpft. Und wenn man als Romancier beschließt, mit einer Figur eine Reihe zu machen, dann sollte man jemanden erfinden, den man mag. Man verbringt ja viele Jahre seines Lebens mit ihm.

Langdon ist Professor für Kunstgeschichte und Spezialist für die Dekodierung von Symbolen. Woher stammt Ihre Faszination für Symbole?
Die stammt aus meiner Kindheit. Ich bin mit Symbolen aufgewachsen. Meine Mutter war Organistin in unserer Kirche, ich blätterte ihre Noten um. Und diese Noten waren meine ersten Symbole. Auch mein Vater hatte als Mathematiker ständig mit Symbolen zu tun. Und zu Weihnachten fanden meine Geschwister und ich unter dem Christbaum keine Geschenke, sondern Notizen mit verschiedenen Codes. Die mussten wir entschlüsseln, um den Weg zu unseren Geschenken zu finden. Ich habe diese Schatzsuchen sehr geliebt.

Und nun schicken Sie Ihren Professor Langdon auf diese Schatzsuchen. Legen Sie vor dem Schreiben fest, wie ein Roman enden soll?
Meine Bücher sind so kompliziert, dass ich das Ende schon zu Beginn konzipieren muss. Aber ich überlege mir auch, welche Emotionen ich auslösen will.

Ihre Romane wurden mit Tom Hanks verfilmt. Denken Sie beim Schreiben die Verfilmung mit?
Nein, denn beim Film sind meist 90 Prozent meines Romans gestrichen.

Was sagt der Schriftsteller Dan Brown zu Donald Trump?
Als er gewählt wurde, war ich gerade sehr mit meinem Roman beschäftigt. Ich bin richtig aufgeschreckt, als ich das Wahlergebnis erfahren habe. Die Chancen, dass er ein zweites Mal gewählt wird, sind sehr gering. Ich hätte auch nie gedacht, dass er überhaupt Präsident wird. Aber wer weiß, es kann genauso gut sein, dass er zurücktreten muss.

Halten Sie es für wahrscheinlich, dass Trump einen Krieg beginnt?
Ich würde sagen, nein, aber ich hoffe, dass ich damit nicht unrecht habe. Was mir Hoffnung gibt, ist, dass er in der Regierung von Menschen umgeben ist, die keinen Krieg wollen. Das Problem aber ist, dass es so viele Verrückte auf der Welt gibt. Schauen Sie doch nach Nordkorea. Trump und sein Kollege betragen sich wie zwei Buben auf dem Spielplatz, die einander mit Steinen bewerfen. Aber sie sind Präsidenten. Vor hundert Jahren wäre das noch nicht so ein großes Problem gewesen, aber jetzt gibt es Massenvernichtungswaffen. Aber wir haben aktuell noch ganz andere Probleme. In den USA gibt es Farmen, die von Robotern bewirtschaftet werden. Man konnte damit die Nahrungsproduktion um 25 Prozent steigern. Aber so, wie wir damit unseren Planeten ausbeuten, ist es möglich, dass er einmal zurückschlägt.

Wie Ihr Vater waren auch Sie Lehrer. Zuweilen hat man den Eindruck, dass Sie Ihre Leser nicht nur unterhalten, sondern auch für deren Bildung sorgen. Sie erklären Kunstwerke und zitieren Dichter wie den Engländer William Blake. Wollen Sie Ihren Lesern auch Bildung vermitteln?
Natürlich. Mir hat Lernen immer Freude gemacht. Aber ich nehme mir beim Schreiben nicht vor, meine Leser zu unterrichten. Ich will in erster Linie unterhalten. Aber ich will sie auch für Dinge interessieren, die mir wichtig sind.

Eines davon ist die Auseinandersetzung mit Religion. In "Sakrileg" lassen Sie Langdon nach leiblichen Nachkommen Jesu Christi forschen. Im aktuellen Roman, "Origin", hinterfragt der Zukunftsforscher Edmond Kirsch die Schöpfungsgeschichte. Halten Sie eine Welt ohne Religionen für besser?
Wenn Sie nur ein Ja oder Nein hören wollen, würde ich Ja sagen. Aber religiöse Kulturen funktionieren besser und existieren länger als nichtreligiöse. Schauen Sie sich die mächtigen Kulturen der Weltgeschichte an, die waren alle tiefreligiös. In der modernen Welt ist die Kirche irrelevant geworden. Vielleicht hat sie für Erwachsene noch Bedeutung, aber versuchen Sie doch heute, einen Achtjährigen davon zu überzeugen, dass Jesus gestorben und wieder auferstanden ist.

Kann auch der fortschrittliche Papst Franziskus die katholische Kirche nicht mehr retten?
Mit der katholischen Kirche verhält es sich, wie wenn man mit einem Auto zu schnell auf einen Abgrund zufährt. Es ist zu spät zum Bremsen. Aber keine der gut organisierten Religionen wird überleben. Mir geht es im Roman allerdings um die Frage, ob Gott die Wissenschaft überdauern kann.

Und wird er das?
Es kann doch sein, dass wir in der Zukunft wieder das Universum anbeten und die Natur. In hundert Jahren werden sich die Menschen möglicherweise an eine Zeit erinnern, in der man noch an Gott geglaubt hat.