Häusliche Quarantäne: Wie
Sie diese Situation überstehen

Im Falle einer möglichen Infizierung mit dem Corona-Virus wird für die Betroffenen Quarantäne verordnet. Die Traumapsychologin Brigitte Lueger-Schuster erklärt, wie diese Ausnahmesituation auf die Psyche wirkt und wie es Familien gelingt, den Alltag in häuslicher Quarantäne angenehm zu gestalten.

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Um die Weiterverbreitung des Coronavirus einzudämmen, dürfen die Gesundheitsämter in Österreich eine häusliche Quarantäne von 14 Tagen anordnen. Aktuell sind allein in Wien und Niederösterreich mehr als 800 Menschen in ihren eigenen vier Wänden von der Außenwelt abgeschottet.

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Wie viele Fälle es in ganz Österreich gibt, ist nicht bekannt. Auf Nachfrage beim Sozialministerium hieß es: "Einen vollständigen Überblick über die österreichweiten Quarantänefälle gibt es nicht." Jedenfalls ist davon auszugehen, dass mit weiterer Ausbreitung des Coronavirus auch die häusliche Quarantäne zunehmen wird.

Warum zwangsläufig Konflikte entstehen

Und mit dieser ungewohnten Situation umzugehen, wird für viele Österreicher schwierig. Denn angeordneter Hausarrest birgt großes Konfliktpotential. Mal abgesehen von den praktischen Erfordernissen, gemeint sind die gesteigerten Hygienemaßnahmen und die täglichen Versorgung, macht beengter Raum nachweislich aggressiv.

»Emotionen entladen sich. Dadurch kommt es zu Überreaktionen«

"Auf engen räumlichen Verhältnissen entsteht sogenannter 'Dichtestress'. Dadurch entladen sich Emotionen und es kann zu Überreaktionen kommen", erklärt die klinische Gesundheitspsychologin Brigitte Lueger-Schuster gegenüber news.at. Dauert die Isolationssituation zu lange an, mache sich bei den Betroffenen Hilflosigkeit breit, die sogar zu Gewalthandlungen führen kann.

Zuhause gefangen - China machte es vor

Dies bestätigt auch der Blick nach China: Der Alltag unter Quarantäne führte dort zu steigenden Fällen häuslicher Gewalt. "Als Folge der Epidemie hocken viele Paare über einen Monat ununterbrochen zu Hause aufeinander, was viele unterschwellige Konflikte hervorbringt“, wird ein örtlicher Beamter in der "Global Times" zitiert.

Disziplin ist gefragt

Von diesem bedenklichen Nebeneffekt des Alltags in häuslicher Quarantäne ist man in Österreich freilich noch weit entfernt. Schließlich beträgt die Dauer des behördlich angeordneten Hausarrests bei Infektionsverdacht hierzulande "nur" 14 Tage. Die Professorin von der Fakultät für Psychologie der Universität Wien beschwichtigt: "Zwei Wochen ist nicht wirklich lange und das geht schnell vorüber. Die Familien werden definitiv damit zurecht kommen."

Herunterspielen will sie die Situation aber nicht. Denn in häuslicher Quarantäne könne natürlich schon etwas zu Tage kommen, was sonst meist im langersehnten Urlaub passiert. "Wenn man endlich Zeit füreinander hat, erkennt man, dass viele Dinge in der Partnerschaft oder im Familienleben nicht gut laufen", sagt Psychologin Lueger-Schuster. Und diese Erkenntnis belastet.

Praktische Tipps für ein Leben in Quarantäne

Wie kann man nun verhindern, dass Streit in der Quarantäne ausbricht? Und wie gelingt es den Alltag angenehm zu gestalten?

Das wichtigste sei, den Tag gut durchzuplanen. Es kann sinnvoll sein, sich die Aktivitäten aufzuschreiben oder im Rahmen einer Familienkonferenz, jedem die Chance zu geben Vorschläge einzubringen.

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"Je aktiver man ist, desto kürzer werden die Stunden", sagt die Expertin. Egal ob Karten spielen, kochen, Serien schauen, Tagebuch schreiben, Ordnung machen oder Gymnastik, es gebe viele Möglichkeiten den Tag gut über die Runden zu bringen.

Weniger jammern, mehr tun!

Gerade Dinge, die man schon lange tun wollte und nie die Zeit dafür hatte, könnten in der Quarantäne erledigt werden. "Wir sind in unserem hektischen Alltag oft abgelenkt. Jetzt hat man zwei Wochen Zeit, um diese Pläne wirklich anzugehen."
Je weniger Raum bleibe, um sich selbst leid zu tun und zu jammern, desto schneller würden die Stunden vergehen.

Das oberste Gebot für eine stressfreie Zeit

Im Vordergrund solle immer die aktuelle Situation stehen. Und damit verbunden ganz simple Fragen: Wie kommen wir durch den Tag, ohne uns gegenseitig auf die Nerven zu gehen? Was tue ich mit den Kindern? Welche Bedürfnisse haben die einzelnen Personen im Haushalt? Und oberstes Gebot sollte immer sein: Die Quarantäne ist nicht dazu da, um besser Menschen aus uns zu machen.

»Die Quarantäne ist nicht dazu da, die Familie besser zu machen«

"Die Erziehung der Kinder oder die Konfliktbewältigung mit dem Partner sollte in dieser Zeit absolut nicht im Fokus stehen. Die 14 Tage Quarantäne sind nicht dazu da, die Familie besser zu machen", appelliert Psychologin Lueger-Schuster.
Stattdessen sollte man gemeinsam Regeln erarbeiten, wie die gewonnen Zeit bestmöglich gefüllt werden kann.

Gestärkt aus der Krise

Emotionen hinunterzufahren und nicht gereizt zu reagieren, wenn man zwei Wochen "eingesperrt" ist, klingt nach einer wahren Herausforderung. Doch die Challenge hat auch gute Seiten. "Wer diese Situation überstanden hat, hat die Gewissheit, dass man gemeinsam alles schaffen kann", so die Expertin. Dies könne eine Familie extrem zusammenschweißen und stärken.

Drei kleine Tipps mit großer Wirkung

All jene, die eine Quarantäne-Situation noch vor sich haben, will die Psychologin abschließend noch drei wichtige Ratschläge mit auf den Weg geben: "Toleranz, Humor und eine Portion Coolness sind die perfekte Mischung, um diese Situation gut zu überstehen."

Leitfaden: Familienalltag in der Krise

  • Ruhig bleiben Angst ist ansteckend. Wenn Sie selbst ruhig bleiben, gibt das Ihrem Kind Sicherheit. Erklären Sie in Ruhe, dass eine Zeit lang die Schule nicht zu besuchen dazu beiträgt, dass sich möglichst wenige Menschen anstecken.
  • Struktur vermittelnVermitteln Sie Ihrem Kind, dass die schulfreie Zeit keine Ferien sind. Etwas länger schlafen als sonst ist kein Problem - ein strukturierter Tagesablauf ist jedoch sehr wichtig. Gehen Sie gemeinsam die Aufgaben durch, die von der Schule mitgegeben wurden, und planen Sie fixe Zeiten ein, zu denen diese bearbeitet werden.
  • Virtuelle KontakteUnterstützen Sie Ihr Kind, soziale Kontakte digital aufrecht zu erhalten. Zum Beispiel Skypen mit der besten Freundin oder regelmäßig mit der Oma über WhatsApp telefonieren.
  • AbwechslungSelbst erfundene Spiele können die Zeit daheim zu einem Abenteuer machen. Wie wäre es mit einer Verkleide-Ecke, in der Ihr Kind in bunte Stücke aus Ihrem Kleiderkasten, Schuhe oder ausgediente Hüte schlüpfen kann? Auch eine Schatzsuche in der Wohnung bringt Spaß.
  • Alltag teilenBeziehen Sie Ihre Kinder in den Alltag mit ein. Je nach Alter können Kinder kleine Aufgaben im Haushalt übernehmen oder Ihnen beim Kochen helfen. Und fast nichts schmeckt so gut wie ein gemeinsam gebackener Kuchen.
  • Homeoffice + HausaufgabenWenn Sie im Home Office arbeiten, können Sie sich gemeinsam mit Ihrem Kind Ziele stecken. Setzen Sie sich zusammen an den Tisch und legen Sie Aufgaben fest. Zum Beispiel 40 Minuten um Mails zu beantworten, während Ihr Kind eine Schulaufgabe löst. Danach gibt es eine gemeinsame Pause und dann folgt das nächste Ziel.

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