"Die Arroganz der reichen Länder verschärfte die Situation"

Der Kinderarzt und Präsident von Ärzte ohne Grenzen Österreich, Leo Ho, über seine schwierigsten Hilfseinsätze im Ausland und die Coronapandemie.

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Corona-Pandemie - "Die Arroganz der reichen Länder verschärfte die Situation" © Bild: Matt Observe/News

Es war auf einer Reise durch den Süden Mexikos, als Leo Ho klar wurde, was er einmal in seinem Leben machen will. "Während dieser Reise wurden mir die Ungleichheiten zwischen Menschen, die in unterschiedlichen Regionen leben, so richtig bewusst", sagt Ho, der seit einigen Wochen Präsident von Ärzte ohne Grenzen Österreich ist. "Ich sah Kinder auf der Straße spielen und war begeistert von deren Fröhlichkeit. Doch als ich spät am Abend heimkam, schliefen genau dieselben Kinder auf der Straße und versuchten, sich irgendwie warm zu halten. Da machte es klick und ich wusste, dass ich Kinderarzt werden und mich bei Ärzte ohne Grenzen engagieren will."

Liberia, Sierra Leone und Südsudan

Der US-Amerikaner Ho absolvierte also sein Medizinstudium und arbeitete zunächst als Kinderarzt in einem Spital in Philadelphia. 2006 begab er sich schließlich auf seinen ersten Auslandseinsatz für Ärzte ohne Grenzen nach Liberia.

Es folgten sechs weitere in Krisengebieten wie Sierra Leone und dem Südsudan. Welcher davon war für ihn der schwierigste? "Die Einsätze in Liberia und Sierra Leone waren besonders hart. In diesen Ländern gibt es sehr viele Malariafälle. Kinder unter fünf Jahren haben ein sehr hohes Risiko, dass diese Krankheit schwer verläuft oder sogar tödlich endet." Als Kinderarzt war Ho daher auf der Intensivstation tätig, wo täglich Kinder starben. Etwas Gutes hatte der Aufenthalt in Sierra Leone aber doch: Er lernte dabei seine Partnerin, eine Österreicherin, kennen.

Covid-Einsatzleiter

Sein vorerst letzter Hilfseinsatz führte Ho während der Coronapandemie in die Slowakei. Dass eine derartige Pandemie auf der gesamten Welt so wüten könnte, hätte er sich zuvor nie vorstellen können. Gleichzeitig ist die aktuelle Situation eine wichtige Lehre für Ho: "Einwohner von Ländern mit hohem Einkommen nahmen bisher immer an, dass so eine Pandemie ausschließlich Länder mit mittlerem und niedrigem Einkommen treffen kann. Wir glauben, dass wir die Dinge besser machen als diese ärmeren Länder. Doch genau diese Arroganz führte zu einer Verschärfung der Situation."

Problemtisch ist für ihn aktuell die Verteilung der Covid-Impfstoffe: "Wenn man sich einige Regionen der Welt, vor allem Subsahara-Afrika, anschaut, ist deren Impfstoffversorgung extrem niedrig. Sie können die Vakzine nicht um denselben Preis wie Österreich oder die EU kaufen. Allerdings wäre es auch in unserem Interesse, dass die Pandemie weltweit unter Kontrolle gebracht wird. Denn nur so können wir auch im Winter in unser Lieblingscafé gehen."

Für seine Arbeit in Österreich hat sich Ho unter anderem zum Ziel gesetzt, weiter laufend Menschen zu rekrutieren, die ins Feld geschickt werden. Derzeit sind rund 50 Österreicherinnen und Österreicher im Ausland im Einsatz. Darunter nicht nur Ärzte, sondern auch Hebammen, Krankenschwestern, Logistiker, Einsatzleiter, Projektmanager. Denn eigentlich, sagt Ho, "sind wir nicht ausschließlich Ärzte ohne Grenzen, sondern vielmehr jeder ohne Grenzen".