Corona: Fragen & Antworten zu dem möglichen Impfstoff

Die Nachricht über einen neuen Corona-Impfstoff macht Hoffnung. Wie wirkt er? Und wann könnte er in Österreich zum Einsatz kommen? Wir gehen den wichtigsten Fragen auf den Grund.

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Hoffnungsschimmer - Corona: Fragen & Antworten zu dem möglichen Impfstoff © Bild: Shutterstock/Billion Photos

Was ist über die Wirkung des Impfstoffs bisher bekannt?

Wie das deutsche Unternehmen Biontech und der Pharmakonzern Pfizer mitteilten, soll der Impfstoff-Kandidat BNT162b2 eine 95-prozentige Schutzrate bieten. Schwere Nebenwirkungen seien bis dato nicht registriert worden, lediglich Kopfweh und Müdigkeit konnten bislang bei 2 Prozent der Probanden fetgestellt werden. Diese Informationen basieren auf Zwischenergebnissen der für eine Zulassung entscheidenden Phase-3-Studie. Biontech selbst rechnet mit ersten aussagekräftigen Ergebnissen bei den laufenden Wirksamkeitstests in den nächsten Tagen. "Es wird nicht mehr lange dauern, bis wir den ersten sogenannten Readout haben, wo wir sehen, ob der Impfstoff in der Lage ist zu schützen", sagte Biontech-Chef Ugur Sahin in einem Interview mit Mainzer Zeitungen. "Bis Mitte November werden wir nicht nur Aktivitäts-, sondern auch Verträglichkeitsdaten haben." Zur möglichen Wirksamkeitsdauer sagte Sahin, der Impfstoff ahme die natürliche Infektion nach. "Wir gehen davon aus, dass eine Immunität bestehen wird, die aus meiner Sicht mindestens ein Jahr anhalten wird. Dann wäre eine jährliche Nachimmunisierung erforderlich. Ich gehe davon aus, dass wir wahrscheinlich sogar länger warten können."

Beugt der Wirkstoff einer Infektion vor oder mildert er bloß Symptome?

Ziel der Impfung ist es, den Körper zur Bildung von Antikörpern anzuregen, um die Viren abzufangen, bevor sie in die Zellen eindringen und sich vermehren können. Ob auf diese Weise nur die Erkrankung oder auch eine Infektion verhindert werden kann, wisse man, so Prof. Karin Stiasny vom Zentrum für Virologie der MedUni Wien, noch nicht. Hier seien weitere Untersuchungen vonnöten.

Was ist ein mRNA-Impfstoff?

Bei der Messenger-RNA, kurz mRNA, handelt es sich um genetische Informationen. Diese werden dem Spike-Protein entnommen und für die Herstellung der Proteine verwendet. "Das Spike-Protein sorgt dafür, dass das Virus die Zelle infizieren kann. Um eine Infektion zu verhindern, braucht man Antikörper", erklärt Stiasny. Dafür wird die mRNA - vereinfacht ausgedrückt - in eine Schutzhülle verpackt und dem Menschen injiziert. Die Zelle nimmt die genetische Information auf und produziert das Protein, gegen das der Körper in weiterer Folge Antikörper bildet, die das Virus dann abwehren.

Sind für die Zulassung in der EU weitere Tests und Verfahren notwendig?

Der Impfstoff muss bei der europäischen Zulassungsbehörde, kurz EMA, eingereicht werden. Sodann erfolgt eine Prüfung und das für die EU notwendige Zulassungsverfahren. Wie lange die Prüfung und das Verfahren dauern werden, könne man laut Stiasny zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht sagen. Für Corona-Impfstoffe gilt wegen der besonderen Dringlichkeit aber ein beschleunigter Zulassungsprozess. Bei der EMA können Arzneimittelhersteller laut APA schon vor dem kompletten Zulassungsantrag einzelne Teile zu Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit eines Präparats einreichen.

Ab wann ist der Impfstoff in Österreich erhältlich?

Gesundheitsminister Rudolf Anschober zeigt sich optimistisch, im ersten Quartal 2021 Risikogruppen und Gesundheitsmitarbeiter gegen das Coronavirus impfen lassen zu können. "Ich gehe davon aus, dass die weitere interessierte Bevölkerung dann ab dem zweiten Quartal schrittweise geimpft werden kann. Dafür bereiten wir derzeit die Impflogistik vor." Über den genauen Zeitpunkt der Auslieferung entscheide die Marktzulassung durch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA). Erste Zulassungen könnten laut Anschober rund um den Jahreswechsel erfolgen.

Wer soll zuerst geimpft werden?

Zuerst sollen jene Personen geimpft werden, bei denen das größte persönliche bzw. systemische Risiko besteht. Es gehe einerseits um das Personal in den Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen, andererseits um jene Menschen, die ein persönliches Risiko haben, einen schweren Krankheitsverlauf zu erleiden oder an einer Covid-19-Infektion zu sterben, verwies das Büro von Anschober auf die ältere Bevölkerung ab 70 Jahren und Angehörige von Risikogruppen. Natürlich müsse im Vorfeld noch geklärt werden, "welche Charakteristika der Impfstoff hat", erklärt der Infektiologe Dr. Herwig Kollaritsch. "Es hätte keinen Sinn, Ältere zu impfen, wenn der Impfstoff just in dieser Gruppe keine ausreichende Wirkung hat." In diesem Fall müssten jene Personen immunisiert werden, die sich in deren unmittelbarer Umgebung befinden. Wichtig sei es in einem zweiten Schritt auch jene Personen zu impfen, die in systemerhaltenden Berufen arbeiten - "vom Lehrer über Polizisten bis hin zu Mitarbeitern der Stromversorgung", ergänzt Kollaritsch.

Wo wird geimpft?

"Wir werden einen niederschwelligen Zugang zur Covid-19-Impfung schaffen. Sie wird dorthin kommen, wo Menschen arbeiten, leben oder sich aufhalten", vermeldete das Büro des Gesundheitsministers. Voraussichtlich werde nicht nur an den gewohnten Stellen geimpft werden, sondern beispielsweise auch durch mobile Impfteams. Die möglichen Impfstellen hängen allerdings auch von den Eigenschaften der Impfstoffe - etwa hinsichtlich der Lagerung - ab. Zudem sei laut Kollaritsch zu berücksichtigen, dass wir uns ja noch mitten in einer Pandemie befinden. "Man muss hier sehr zielgerichtet vorgehen, die Leute für einen bestimmten Timeslot einteilen. Dass sie, so wie früher, kilometerlang Schlange stehen, das wird es nicht spielen." Nicht vorstellen kann sich der Infektiologe, dass in einzelnen Arztpraxen geimpft werde. Dagegen tippt er auf öffentliche Impfstellen wie Impfzentren im urbanen und auf Gemeindeärzte im ländlichen Bereich.

Wer wird impfen?

Nachdem es Kollaritsch zufolge nicht ausreichend Impfärzte gebe, müsse man, um personelle Engpässe zu vermeiden, "größere Einheiten schaffen, die unter Aufsicht eines erfahrenen Impfarztes arbeiten". Auf diese Weise könne auch diplomiertes Krankenhauspersonal, das Injektionen grundsätzlich verabreichen darf, impfen. Das sei alles eine Frage der Organisation. Wobei sich der Infektiologe zuversichtlich zeigt: "Grosso modo glaube ich, dass man so etwas ohne besondere Schwierigkeiten hinkriegt."

Wer arbeitet die Impfpläne aus?

Zusammen mit der Bioethik-Kommission verfasst das Nationale Impfgremium ein Strategiepapier, in dem unter anderem empfohlen wird, wer priorisiert geimpft werden soll. Auf Basis dieses Strategiepapiers entscheidet dann das Bundesministerium über den weiteren Vorgang.

Welchen Einfluss haben mögliche Virusmutationen auf den Impfstoff?

Derzeit sorgen Berichte aus Dänemark über von Nerzen auf Menschen übertragene mutierte Coronaviren für Aufsehen. Noch nicht geklärt ist, ob die Mutation die Wirksamkeit künftiger Impfstoffe beeinträchtigen könnte. Eine im Raum stehende Mutation des Spike-Proteins des SARS-CoV-2-Virus sei an sich aber "nicht zwingend besorgniserregend", sagt Andreas Bergthaler vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) in Wien zur APA. "Man kann sich nur schwer vorstellen, dass aufgrund einer einzelnen Mutation zukünftige Impfstoffe ineffektiv sind."

Wie funktioniert die Verteilung, wenn der Impfstoff bei minus 80 Grad gelagert werden muss?

Die Notwendigkeit, den Impfstoff bei minus 80 Grad zu lagern, betreffe lediglich die Langzeitlagerung, klärt Kollaritsch auf. Sodann bestehe die Möglichkeit, das Serum mehrere Tage lang bei minus 20 Grad aufzubewahren. Dadurch gewinne man Zeit für die Verteilung in einzelne Impfzentren. Und was die Langzeitlagerung betrifft, so gebe es "offenbar ausreichend Kapazitäten in Österreich".

Wird eine Impfung für die Einreise in bestimmte Länder notwendig sein?

Kollaritsch geht davon aus, dass es zumindest in den ersten Jahren für die Einreise in europäische Länder, in denen sich die Situation aufgrund der Pandemie wieder zugespitzt hat, eine Impfpflicht geben wird. "Vorausgesetzt, der Impfstoff wirkt gegen die Infektion." Nicht sinnvoll sei eine derartige Vorgehensweise, wenn das Serum lediglich die Erkrankung verhindere.

Ab wann können wir mit einer Rückkehr zur Normalität rechnen?

"Da muss man den Ball an die Bevölkerung zurückspielen", sagt Kollaritsch. Der Zeitpunkt der Rückkehr zur Normalität werde davon abhängen, wie gut diese die Impfung annimmt. "Erst, wenn wir eine entsprechende Durchimpfung erreicht haben, können wir - vorausgesetzt, der Impfstoff wirkt entsprechend - langsam, aber sicher überlegen, einige der Maßnahmen zu lockern." Eines sei aber sicher: Schutzmaßnahmen wie Abstandhalten, Händewaschen und das Tragen einer Maske werden uns auch noch im Jahr 2020/21 begleiten. "Weil das Ausbruchspotential ja immer noch vorhanden ist." Selbst wenn die Impfung eine 70- bis 90-prozentige Wirksamkeit hätte und sich 70 Prozent der Bevölkerung impfen ließen, seien letztlich nur rund 50 Prozent geschützt. "Da ist genug Platz, um ordentliche Ausbrüche stattfinden zu lassen", warnt der Experte. Anderseits würde ein derart hoher Anteil an Geimpften die Ausbreitung deutlich verlangsamen, "weil die Infektionskette immer wieder ein totes Ende hat." Über kurz oder lang wären wir auf diese Weise zumindest vor der Gefahr einer hoffnungslosen Überlastung der Infrastruktur geschützt.

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