Corona:
Wer hat's verhaut?

Keiner will am missglückten Corona-Management in Österreich schuld sein

Die jüngsten Auseinandersetzungen über die Massentestungen haben gezeigt: Es knirscht im Gebälk des Föderalismus. Wer hat's verhaut? Die Länder oder doch der Bund?

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Bund vs. Länder - Corona:
Wer hat's verhaut?

Ein Erfolg hat viele Väter, der Misserfolg ist ein einsames Waisenkind. Für die schlechte Performance Österreichs in der Corona-Krise will sich derzeit niemand zuständig fühlen. Je nachdem, wen man fragt, wird die Regierung generell, der Koalitionspartner im Speziellen oder dieser oder jener Minister verantwortlich gemacht. Eine weitere Front ist in den letzten Monaten immer sichtbarer geworden: Bund gegen Länder. Erst jüngst schimpfte Vizekanzler Werner Kogler coram publico, die Länder hätten sich nicht gut genug auf die zweite Welle vorbereitet. Das lässt man sich länderseits nicht gerne gefallen und verweist auf die mangelhafte Kommunikation der Bundesregierung. Stichwort Massentests, die jetzt huschpfusch aus dem Boden gestampft werden sollen. Selbst schwarz regierte Bundesländer, die letzten Jahre treu an Kurzens Seite, äußern sich offen kritisch.

Zeigt die Corona-Krise, wie manche argwöhnen, die Schwächen des Föderalismus auf? Nein, sagt der Föderalismus-Experte Peter Bußjäger. Prinzipiell habe sich der Föderalismus, also die Bundesstaatlichkeit, bewährt, weil es dem Bund in der gegenwärtigen Verfassungsrechtslage erlaubt sei, auf die Ressourcen der Länder zurückzugreifen. "Das ist von der Struktur her übersichtlich und erlaubt es auch, zentral zu steuern und doch lokal auf die spezifischen Bedarfe einzugehen."

Allerdings, räumt der Verfassungsjurist ein, sei es in den vergangenen Monaten zu gewissen Problemen gekommen. "Das Zusammenwirken der Behörden auf Bundesund Länderebene hat in der ersten Welle gut funktioniert. Dann ist ein bisschen Sand ins Getriebe gekommen. Seitens des Bundes kam es zu gröberen Kommunikationsfehlern. Und den Ländern kann man sicher vorwerfen, dass sie in der einen oder anderen Situation schneller und rigider hätten handeln müssen."

Streitpunkte

Zum Beispiel in Hinblick auf das Contact Tracing. "Der Bund ist darauf angewiesen, dass die Länder genügend Personal zur Verfügung stellen. Da kann es natürlich passiert sein, dass nicht Personal im erforderlichen Ausmaß bereitgestanden ist. Aber den Vorwurf, die zweite Welle verschlafen zu haben - wie ihn Vizekanzler Kogler jüngst gegen die Länder erhoben hat -, kann man dem Bund genauso machen. Da haben beide nicht optimal reagiert."

Das Scheitern der Corona-Ampel, meint Bußjäger, müsse man sich genau anschauen. "Natürlich, es stimmt schon, dass die einen oder anderen lokalen Entscheidungsträger keine größere Lust gehabt haben, schärfere Maßnahmen zu setzen, weil man sich damit unbeliebt gemacht hätte. Wobei man dazu sagen muss, dass diejenigen, die das gemacht haben -man denke an die Schulschließungen in Oberösterreich -, in der Öffentlichkeit dann auch fürchterlich gescholten worden sind. Aber ja, die Corona-Ampel hätte besser funktionieren können. Nachträglich weiß man, auf Landesebene wären noch frühere, noch strengere Maßnahmen sinnvoll gewesen."

Erst jüngst stellte die verblüffte Öffentlichkeit fest, dass es viele Monate nach Pandemie-Beginn keinen Überblick über die in Österreich verfügbaren Intensivbetten gab. "Schon erstaunlich" findet das auch Föderalismusexperte Peter Bußjäger. "Prinzipiell sind die Spitäler Landeskompetenz, aber selbstverständlich hat der Bundesminister für Gesundheit das Recht, sich darüber Informationen zu verschaffen. Der Umstand, dass es offenbar nicht gelungen ist, zu einer einheitlichen Zählweise zu gelangen, ist kein gutes Zeugnis, weder für die eine noch für die andere Seite. Offenbar hat es hier an der Kooperation gemangelt."

Mit mangelnder Kommunikation hänge hingegen der jüngste Aufschrei der Länder bezüglich der Massentests zusammen: "Ich habe das Gefühl, dass die Länder oft vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Wenn sie dann etwas unflexibel reagieren und nicht schnell genug sind, haben sie das Bummerl."

Mängel

Insgesamt, sagt Peter Bußjäger, gebe es "ganz sicher" Verbesserungsbedarf in der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. "In der Kooperation zeigt sich, dass doch mehr Luft nach oben ist, als ich anfangs selber gedacht habe. In dieser Kooperation sind Mängel aufgetreten. Auch teilweise parteipolitisch motivierte. Wenn man an die Wien-Wahl denkt, da war offensichtlich, dass es sich auch parteipolitisches Hickhack handelt."

Die Kooperation und den Datenaustausch zwischen Bund und Ländern könnte man sicher verbessern. Und das hängt letztlich, frei nach dem berühmten Motto "Reißt's euch zam", an den handelnden Personen. "Jeder Verwaltungsorganisation ist letztlich von den Akteuren abhängig, die sie tragen. Es liegt am Goodwill der Beteiligten."

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der News Ausgabe Nr. 48/20