Kündigungen während der Corona-Krise: Was ist erlaubt?

Verunsicherte Mitarbeiter, überforderte Chefs, düstere Aussichten und viele Fragen: Juristen wie Philipp Brokes sind derzeit begehrte Ansprechpartner - und Wegweiser in schwierigen Jobzeiten.

von "Du bist gekündigt!" - Kündigungen während der Corona-Krise: Was ist erlaubt? © Bild: iStockphoto.com

Herr Brokes, wie schaffen Sie es, in Zeiten wie diesen positiv zu denken?
Obwohl die Leute sehr verunsichert sind und nicht wissen, wie es weitergeht, bekommt man einen enormen Dank zurück, wenn man den Leuten eine Auskunft erteilt. Diese enorme Dankbarkeit der Leute gibt einen Megapush.

Wie erleben Sie die Situation?
Die Verunsicherung spürt man einerseits dadurch, dass die Betriebe die eigene Unsicherheit an die Belegschaft weitergeben. Man merkt, sie wissen nicht so richtig, was rechtlich gilt, und agieren oft aus dem Affekt, um Personalkosten zu reduzieren, indem sie Kündigungen oder einvernehmliche Lösungen per Whatsapp übermitteln. Auch die Arbeitnehmer spüren, dass der Arbeitgeber mit der Situation überfordert ist. Wir merken die Verunsicherung aber auch an plakativen Zahlen. Unsere Beratungen werden in einem Ausmaß in Anspruch genommen, das wir so nicht kennen. Die Leute suchen nach einfachen Antworten auf teilweise nicht einfache Fragen.

Kündigungen per SMS oder Whatsapp - gelten diese?
Grundsätzlich ja. Ich kann eine Kündigung mündlich, schriftlich oder durch unmissverständliche Zeichen zum Ausdruck bringen. Dazu zählt ganz klar auch eine Nachricht. Dort, wo Schriftlichkeit geboten ist, meint man, dass es unterschriftlich sein muss. Da reicht ein Whatsapp nicht. Aber in den allermeisten Fällen würde eine Kündigung auch per Whatsapp gelten -rechtlich. Menschlich würde ich das hinterfragen. Wenn man bedenkt, dass man in der Vergangenheit jeden Tag gemeinsam im Betrieb stand, und dann kriegt man plump eine Nachricht mit den drei Wörtern "Du bist gekündigt" drin, dann ist das menschlich gerade in Krisenzeiten nicht förderlich.

Sind das Einzelfälle?
Leider nein. Wir haben auch andere Rückmeldungen. Nämlich, dass ein Arbeitgeber in einer Teamgruppe schreibt: "Bitte schreibt mir alle zurück: Ich stimme der einvernehmlichen Kündigung zu!" Wenn ich das Wort "einvernehmlich" höre, gehe ich davon aus, dass beide einverstanden sind. In diesem Fall will sich der Arbeitgeber klarerweise die Kündigungsfrist ersparen und legt seinen Mitarbeitern das Wort "einvernehmlich" in den Mund. Man hat die Nummer des Arbeitnehmers, kann das rückverfolgen und als Arbeitgeber gut beweisen, dass der Mitarbeiter der einvernehmlichen Kündigung zugestimmt hat. Letzte Woche waren diese pseudoeinvernehmlichen Lösungen an der Tagesordnung. Als Jurist habe ich schon vieles gesehen. Rein menschlich finde ich das enttäuschend. Wir sind alle von der Krise betroffen. Es bringt nichts, sich gegenseitig loszuwerden. Wenn die Krise vorbei ist, werden die Arbeitgeber diese Leute wieder brauchen. Ob die dann als Arbeitgeber wieder in Frage kommen, wo sie sich eines in Krisenzeiten so entledigt haben, bleibt offen. Verhält sich der Arbeitgeber nur in guten Zeiten gut zu seinen Leuten und wirft sie in schlechten Zeiten raus? Das bleibt hängen. Hotel- und Gastgewerbe sind die Branchen, wo das gerade am schlimmsten passiert. Ich verstehe, dass schnelle Lösungen herbeigeführt werden müssen. Aber ich sollte nicht per Whatsapp jemanden dazu bringen, selbst ein Arbeitsverhältnis aufzulösen.

Ganz unabhängig, auf welchem Weg die einvernehmliche Lösung auf den Tisch gelegt wird - wie verhalte ich mich?
In den allerwenigsten Fällen wird der Arbeitnehmer eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses tatsächlich wollen. Das bedeutet ja auch, man fällt in die Arbeitslosigkeit und bekommt - wenn es gut geht - 55 Prozent des bisherigen Einkommens. Das wird ja niemand freiwillig unterschreiben. Daher lautet die Antwort ganz klar: dem Arbeitgeber sagen, dass man damit nicht einverstanden ist. Aber nicht, um aus Prinzip zu sagen: "Ich mache das nicht", sondern um sich lösungsorientiert zu zeigen: "Ich weiß, du machst das gerade, um deine Kosten zu senken. Aber du hast die Möglichkeit, deine Personalkosten auf bis zu null zu senken, ohne dass du uns alle rauswirfst." Und das ist die Kurzarbeit. Ich verstehe, dass die einvernehmliche Lösung per Whatsapp einfacher ist, als eine Sozialpartnervereinbarung auszufüllen. Aber für die Einführung von Kurzarbeit braucht man nicht allzu lange Zeit und man rettet damit Arbeitsplätze. Der Arbeitgeber bekommt seine Personalkosten ersetzt und die Arbeitnehmer bleiben in laufender Beschäftigung. Auch dafür sind wir da, dass solche Kurzschlussreaktionen nicht zustande kommen.

»Die Leute suchen nach einfachen Antworten auf teilweise nicht einfache Fragen«

Aber prinzipiell ist es so, dass einfach gekündigt werden kann?
Es kann immer ohne Angaben von Gründen gekündigt werden, solange die Kündigungsfristen eingehalten werden. Eine Kündigung kann der Arbeitgeber einseitig aussprechen - eben leider auch per Whatsapp. Auch ein Arbeitnehmer kann selber kündigen. Auch per Whatsapp. Das würde ich aber nicht empfehlen.

Unternehmen versuchen auch, Zeit zu gewinnen, indem sie Betriebsferien anordnen. Wie verhält es sich damit?
Betriebsferien ist ein Wort, das sich im Volksmund durchgesetzt hat, aber rechtlich so nicht existiert. Wenn man von Betriebsferien spricht, meint man Urlaub. Und ein Urlaub ist ein vereinbarter Zeitraum mit Erholungswert. Vereinbart bedeutet, beide Seiten müssen zustimmen und es muss ein Erholungswert damit verbunden sein. Jetzt ist es natürlich fraglich, ob aktuell ein Arbeitnehmer einen Erholungswert haben wird. Auf der anderen Seite ist die Anordnung eines Urlaubes nicht als Urlaub zu bewerten, solange der Arbeitnehmer nicht zugestimmt hat. Wenn der Arbeitgeber das anordnet, kann man sich unterschiedlich verhalten -je nachdem, was damit verbunden ist. Heißt es: "Wir machen Kurzarbeit, aber ihr müsst davor euren Urlaub abbauen", dann ist dem zuzustimmen. Ich bin nämlich als Arbeitnehmer verpflichtet, den Urlaub tunlichst abzubauen - vor oder während der Kurzarbeit. Der Arbeitgeber kann aber nicht sagen: "Ich kündige euch und in der Kündigungsfrist baut ihr jetzt noch schnell euren Urlaub ab." Dem muss ich nicht zustimmen, denn ich habe davon nichts. Auch in der Kündigungsfrist muss mich der Arbeitgeber bezahlen und der Urlaub muss nach der Kündigungsfrist entsprechend ausgezahlt werden. Kurzum: Man muss immer schauen, wie das Gesamtpaket aussieht, auf das man sich einigt. Man sollte hier nicht auf einzelnen Paragrafen herumreiten. Wenn ich im Gegenzug meinen Arbeitsplatz wahren kann, muss ich zu Kompromissen bereit sein. Dazu zählt ein Abbau von Alturlaub aus den Vorjahren und Zeitguthaben. Wenn der Arbeitgeber aber das alles nur tut, um schnell ein paar Kosten zu sparen, und schickt mich dann eh in die Arbeitslose, dann sehe ich keinen Grund, einem Urlaubsabbau zustimmen.

Was gilt generell in Sachen Urlaub bei Kurzarbeit?
In der Richtlinie steht, dass Alturlaube - also Urlaube aus Vorjahren - und Zeitguthaben, die ich aktuell habe, tunlichst abzubauen sind. Vereinbart wird das mit den einzelnen Arbeitnehmern. In großen Unternehmen ist es freilich nicht immer möglich, mit jedem Einzelnen Urlaubszeiträume festzulegen. Die Zeit hat gerade keiner. Also hat man mit einer Novelle des Arbeitsverfassungsgesetzes ermöglicht, dass auch der Betriebsrat über eine Betriebsvereinbarung also nur zu zweit mit dem Arbeitgeber - Urlaubszeiträume festlegt. Das gilt dann für die Belegschaft. Der Arbeitnehmer bekommt in der Zeit des Urlaubskonsums weiterhin das Entgelt zu 100 Prozent gezahlt. Oft ist es ja auch aus Arbeitnehmersicht ein Kampf, einen längeren Urlaub vom Arbeitgeber unterschrieben zu bekommen. Jetzt bietet sich die Möglichkeit, Alturlaube loszuwerden.

Kurzarbeit wurde zwar angemeldet, aber gleichzeitig den Mitarbeitern gesagt: Arbeitet wie gehabt. Ist das in Ordnung?
Kurzarbeit bedeutet ja nicht, dass man gar nicht arbeitet. Die Kurzarbeit bedeutet, dass man für einen bestimmten Zeitraum - das sind jetzt drei Monate - die Arbeitszeit zwischen zehn und 90 Prozent reduziert. Das heißt: Man muss während der gesamten Dauer der Kurzarbeit zumindest zehn Prozent arbeiten. Wann diese zehn Prozent erbracht werden, ist im Betrieb festzulegen. Das kann bedeuten, dass die Mitarbeiter - etwa in der Gastronomie - zunächst elf Wochen nicht, sondern erst in der zwölften und 13. Woche arbeiten, um damit im Schnitt auf die zehn Prozent zu kommen. Wie die Arbeitszeit in dieser Kurzarbeitsphase gelegt wird, ist von Betrieb zu Betrieb je nach Notwendigkeit unterschiedlich.

Fulltime zu arbeiten ist also nicht ausgeschlossen?
Man könnte auch Fulltime arbeiten - in den ersten zwei, drei Wochen - und müsste dann in den anderen Wochen entsprechend reduzieren, damit man im Schnitt auf zwischen zehn und 90 Prozent in diesen drei Monaten kommt.

© AK Wien/Erwin Schuh Philipp Brokes

Muss Kurzarbeit immer über das gesamte Unternehmen ausgerollt werden oder kann das individuell ausgestaltet werden?
Die Buchhaltung arbeitet anders als die Produktion. Die Produktion anders als der Versand - das heißt, man kann für einzelne Betriebsteile eigene Modelle einführen, wo je nach Notwendigkeit mehr oder weniger reduziert wird. Es muss sich dabei um eine Gruppe handeln, wobei eine Gruppe klarerweise auch nur eine Person darstellen kann. Diese Gruppe muss fachlich und räumlich abgrenzbar sein und eine andere Tätigkeit ausüben als eine andere Gruppe. So lässt sich auch argumentieren, warum für eine Gruppe eine andere Arbeitszeit- und Kurzarbeitsregelung fachlich notwendig erscheint.

Darf ich während der Kurzarbeit einen zweiten Job annehmen?
Ja. Das ist sogar ausdrücklich vorgesehen. Einerseits freut sich natürlich das AMS, wenn man parallel arbeitet und Arbeitslosenversicherungsbeiträge entrichtet. Andererseits wird die Arbeitszeit, die in der Kurzarbeit entfällt - also wenn man null Stunden hat -ausdrücklich als Freizeit bezeichnet. Hier hat der Arbeitgeber wie beim Urlaub keine Vorgaben zu machen. Wer in seinem Arbeitsvertrag ein Konkurrenzverbot hat, braucht eine Zustimmung. Aber eine Büroangestellte könnte sich jetzt überlegen, im Handel zu arbeiten, um etwas dazuzuverdienen.

Mitarbeiter beschäftigen sich in wirtschaftlich schwierigen Zeiten auch immer öfter mit der Frage, inwieweit sie dem Arbeitgeber entgegenkommen müssen - etwa um Eigenverantwortung zu zeigen oder um sich eine gute Ausgangsposition für die Zeit danach zu verschaffen. Was ist Ihre Antwort?
Ein Arbeitsverhältnis besteht aus einem Spannungsverhältnis der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht und der arbeitnehmerseitigen Treuepflicht. Das ist per Gesetz festgelegt und ein Spagat, den man von beiden Seiten immer im Auge behalten muss. Je nach Gegebenheiten und vor allem Notwendigkeiten wird einmal die Fürsorgepflicht im Vordergrund stehen und einmal die Verpflichtung des einzelnen Arbeitnehmers, der Treuepflicht nachzukommen. Ein Beispiel: Homeoffice ist immer Vereinbarungssache und kann weder vom Arbeitnehmer noch vom Arbeitgeber einseitig durchgesetzt werden. Hat jetzt eine Schlüsselkraft wichtige Passwörter oder Zugangsdaten zu internen Accounts und Konten und der Arbeitgeber sagt: "Bitte, du musst die Überweisungen durchführen, sonst können wir den Laden zusperren", könnte der Arbeitnehmer rein rechtlich sagen: Homeoffice ist Vereinbarungssache und ich stimme dem nicht zu. Und in die Arbeit kann ich auch nicht kommen, weil das Büro geschlossen ist. Da schwingt immer die Treuepflicht mit. Das heißt, ich habe als Arbeitnehmer auch immer eine Schadensminderungspflicht. Das heißt: Ich kann nicht aus Protest oder Trotz ein Verhalten setzen, wohl wissend, dass es dem Arbeitgeber Schaden zufügt. Diese Treuepflicht ist sehr allgemein formuliert und immer im Einzelfall neu zu definieren. Aber wenn es mir zumutbar ist, ein bestimmtes Verhalten zu setzen, um einen Schaden zu verhindern, bin ich dazu verpflichtet -auch wenn ein anderer Paragraf sagen würde, das geht nicht. Gerade in Krisenzeiten führen Paragrafen, die für den Normalfall geschrieben sind, nicht immer eine perfekte Lösung herbei. Ohne den gesunden Menschenverstand mitschwingen zu lassen, geht sowieso nichts.

Das heißt, es können auch Tätigkeiten angeschafft werden, die der Mitarbeiter sonst nicht macht?
Grundsätzlich ist die einzelne Tätigkeit im Arbeitsvertrag festgelegt. Aber gerade in diesen Zeiten und aufgrund der Treuepflicht kann es sein, dass ich auch für andere Tätigkeiten herangezogen werde, solange es mir zumutbar ist und meine Qualifikation es auch möglich macht, diese Tätigkeit zu erledigen. Auch hier ist wieder das Ziel, die Firma vor einem besonderen Nachteil zu schützen.

Noch mal zurück zur einvernehmlichen Lösung. Man hört auch von dieser Variante: "Stimme jetzt mal zu -und ich stelle dich später wieder ein." Was ist davon zu halten?
Das ist ein Klassiker: "Unterschreib das jetzt mal, und wenn das alles vorbei ist, stelle ich dich wieder ein." Das hat natürlich einen anderen Beigeschmack als eine Whatsapp-Nachricht, ist aber dennoch im Ergebnis gleich zu beurteilen -nämlich: Man fällt in die Arbeitslosigkeit zurück. Einstellungszusagen werden in der Praxis unterschiedlich gelebt. Es kann gut sein, dass man trotz schriftlicher Zusage den Job am Ende nicht antreten kann - etwa wenn der Arbeitgeber sich auf eine Probezeit beruft. Das heißt, der Arbeitgeber könnte, wenn der Zeitpunkt der Wiedereinstellung kommt, den Mitarbeiter wieder aufnehmen, aber im selben Moment sagen: Probezeitlösung, also Kündigung ohne Fristen und ohne Angabe von Gründen. Wir raten ganz klar davon ab.

»Wir sind alle von der Krise betroffen. Es bringt nichts, sich gegenseitig loszuwerden«

Aber es gibt ja auch Unternehmen, die sagen: "Das Kurzarbeitsmodell interessiert mich nicht."
Die gibt es - leider. Aber ich bezweifle, ob das die Arbeitgeber und Geschäftsführer selber sind, die das sagen -oder nicht doch eher ihre Steuerberater, die sagen: "Machen wir den Laden erst mal dicht und sperren dann wieder auf." Auch Arbeitnehmer melden uns das zurück und sagen: "Der Chef wollte das eh, aber der Steuerberater hat gesagt, das zahlt sich nicht aus." Für den Steuerberater zahlt sich das schon aus. Weil er ist dafür zuständig, das Ganze abzuwickeln. Es gibt sicher auch Arbeitgeber, denen das Kurzarbeitsmodell zu mühsam ist. Aber das sagen sie, bevor sie sich das angeschaut haben. Nochmal: Es ist sehr einfach einzuführen.

Habe ich ein Recht auf Kurzarbeit?
Nein. Das ist eine Vereinbarung. Solange der Arbeitgeber seine Unterschrift verweigert, liegt eine Vereinbarung nicht vor.

Kann ich in unbezahlten Urlaub geschickt werden?
Nein, das gibt es grundsätzlich nicht. Es gab Anwälte, die diese Meinung vertreten haben. Das haben wir von Anfang an in Frage gestellt und das wurde jetzt auch bestätigt. Es ist klar festgelegt, dass Maßnahmen, die aufgrund des Covid-19-Gesetztes getroffen werden, auf jeden Fall zu einem Entgeltfortzahlungsanspruch führen. Der Arbeitgeber kann also nicht sagen: "Du bleibst jetzt daheim, weil ich habe geschlossen. Und du bekommst kein Geld, weil du arbeitest ja nicht." Was man an dieser Stelle ganz klar festhalten muss: Diese Betretungsverbote, etwa im Handel, betreffen nur den Kundenverkehr. Ausgenommen sind der Arbeitgeber und seine Mitarbeiter. Das heißt, sie können durch den Personaleingang den Betrieb betreten. In den allermeisten Betrieben gibt es auch Arbeit, die erledigt werden kann: Reinigungs-oder Inventurarbeiten, Schulungen. Zumindest theoretisch ist eine Arbeit im Betrieb möglich - natürlich unter Einschränkungen. Die Kurzarbeit ist dafür da, dass man das abfedern kann. Das bedeute auch, das man als Arbeitnehmer arbeitsbereit sein muss. Wenn der Arbeitgeber einen Dienstplan aufstellt, kann ich nicht sagen: "Der Laden ist zu. Ich komme nicht." Es bestimmt der Arbeitgeber, ob es Arbeit gibt oder nicht. Bereits für diese Arbeitsbereitschaft bekomme ich meinen Lohn, unabhängig, ob der Arbeitgeber auf meine Arbeitsbereitschaft zugreift und die Arbeit abruft oder ob er sagt: "Bleib zu Hause."

Es muss sich also niemand damit abspeisen lassen: "Bleib zu Hause, verbrauche erst mal deinen Urlaub und dann sehen wir weiter"?
Nein. Ich kann dem Abbau von Urlaub und Zeitausgleich zustimmen, wenn im Gegenzug die Kurzarbeit kommt. Es ist ja nicht auszuschließen, dass nach dem Abbau von Urlaub und Zeitausgleich nicht doch die Kündigung präsentiert wird - oder man eine einvernehmliche Lösung per Whatsapp serviert bekommt.

Wie ist das mit der bezahlten Freistellung - Stichwort Sonderbetreuungsurlaub?
Wir haben gehört, dass eine Betreuung in manchen Schulen und Kindergärten während der Schulschließung nur Eltern ermöglicht wird, die in sogenannten Versorgungsbereichen arbeiten. Dieser versorgungskritische Bereich wurde nie richtig definiert, Da gab es viel Unsicherheit. Viele Personen mussten aber arbeiten, obwohl sie nicht im versorgungskritischen Bereichen tätig sind. Also hat man diese Sonderbetreuungsfreistellung eingeführt. Jetzt kann man mit dem Arbeitgeber eine Vereinbarung treffen, dass man bis zu drei Wochen bezahlt zu Hause bleiben kann, um die Betreuung eines Kindes zu übernehmen. Der Arbeitgeber soll ermutigt werden, dem zuzustimmen, indem der Bund ein Drittel der Lohnkosten übernimmt. Der Arbeitgeber entscheidet, ob die Anwesenheit eines Elternteiles für den Betrieb erforderlich ist oder nicht.

Stichwort Sommerurlaub: Kann der Arbeitgeber mich verpflichten, auf diesen zu verzichten?
Wenn der Sommerurlaub bereits genehmigt wurde, kann der Arbeitgeber von dieser Vereinbarung nicht mehr zurücktreten. Umgekehrt kann der Mitarbeiter nicht sagen: "Mein Flug auf die Malediven findet nicht statt, also trete ich von der Urlaubsvereinbarung zurück." Was ich im Urlaub mache, ist meine Privatsache. Das ist dem Arbeitgeber egal. Er hat mit meiner Abwesenheit gerechnet. Einen bereits vereinbarten Sommerurlaub können nur beide Seiten im Einvernehmen lösen. Wurde der Urlaub noch nicht genehmigt, kann der Arbeitgeber sehr wohl sagen: "Ich werde für die Sommermonate keinen Urlaubsschein unterschreiben." Und da Urlaub Vereinbarungssache ist, wird man den Urlaub auch nicht einseitig antreten können. Vielleicht bekommen einzelne Personen einen Urlaub. Dann gilt die Regelung, dass Personen, die betreuungspflichtige Kinder haben, einen Vorzug bekommen.

Die Osterferien stehen vor der Tür. Viele wollen diesen Urlaub jetzt stornieren. Dem kann der Arbeitgeber zustimmen, muss aber nicht?
Richtig. Der Arbeitgeber kann das Storno ablehnen.

Wir schließen alle Interviews mit der obligatorischen Frage nach dem Toilettenpapier. Wie schaut Ihr Vorrat aus?
Ich bin heute Morgen draufgekommen, dass ich gar keines mehr habe - und war heilfroh, dass die Supermärkte weiter geöffnet haben. Jetzt ist also auch eine gute Zeit gekommen, dass wir jene Bereiche wertschätzen, die wir immer für selbstverständlich gehalten haben - den Lebensmittelhandel. Diese Wertschätzung wird sich hoffentlich in den nächsten Kollektivvertragsverhandlungen niederschlagen.

Zur Person: Philipp Brokes ist seit 2015 Rechtsberater und sozialpolitischer Referent für Individual- und Kollektivarbeitsrecht in der AK Wien. Unter der Nummer 0800 22 12 00 80 stehen von Montag bis Freitag ab neun Uhr bis zu 180 Experten für Fragen bereit. Infos gibt es ebenfalls unter www. jobundcorona.at. Hier können auch individuelle Fragen gestellt werden.

Das Interview erschien ursprünglich im News 13/2020.