Wie die Corona-Politik die Gesellschaft spaltet

Die Coronamaßnahmen der Regierung sind seit Beginn umstritten. 82 Prozent der Bevölkerung sind der Meinung, dass sie die Gesellschaft spalten. Und die unterschiedlichen Meinungen dazu haben sich in den vergangenen eineinhalb Jahren immer mehr verfestigt.

von
THEMEN:
Menschenmenge © Bild: iStockphoto.com/georgeclerk

Dass die Corona-Politik der türkis-grünen Bundesregierung, gelinge gesagt, umstritten ist, erlebt die Bevölkerung im privaten und beruflichen Umfeld jeden Tag aufs Neue: Eine Exklusivumfrage des Instituts für Demoskopie und Datenanalyse (IFDD) zeigt nun aber, wie stark die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie tatsächlich polarisieren und wie gegensätzlich die Meinungen dazu sind. 82 Prozent der Bevölkerung beantworten nämlich die Frage "Spaltet Ihrer Meinung nach die Corona-Politik der Regierung die Gesellschaft?" mit Ja. Nur 15 Prozent sind gegenteiliger Ansicht. "Das ist ein Ergebnis, das kaum eindeutiger ausfallen könnte, vor allem auch, weil es sich de facto quer durch alle Parteien zieht", sagt dazu IFDD-Chef Christoph Haselmayer. "Generell zeichnet die Umfrage das Bild einer gespaltenen Gesellschaft -ein Bild das sich in den vergangenen eineinhalb Jahren offenbar immer stärker verfestigt hat."

Relative Zustimmung zu Impfpflicht

Wobei es im Detail durchaus auch Überraschungen gibt: Zwar lehnen 36 Prozent der Bevölkerung eine allgemeine Impfpflicht ab -aber immerhin beantworten 42 Prozent die Frage "Würden Sie eine allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus für Personen ab 18 Jahren befürworten?" mit Ja. Weitere 20 Prozent sind ebenfalls dafür, aber nur für spezielle Berufsgruppen wie Pflege oder Medizin. Selbst 27 Prozent der FPÖ-Wähler befürworten eine allgemeine Impfpflicht - was, so Haselmayer, dem generellen Einstellungsspektrum der FPÖ-Anhänger zum Thema Corona entspreche. Dass sich insgesamt eine Mehrheit mit einer Impfpflicht anfreunden kann, habe "mit fortschreitendem Pragmatismus in dieser Frage" zu tun, so der Meinungsforscher. "Trotz aller Propaganda sehen die Menschen, dass der Anteil Geimpfter in Intensivstationen minimal ist. Selbst die Vorsichtigen sagen sich, sie müssen mit dem Virus leben lernen."

Umfrage Coronamaßnahmen GRAFIK
© News *

Ein Umstand, der auch das Ergebnis bei der Frage "Sind Sie dafür, dass Kinder unter zwölf Jahren geimpft werden -die europaweite Zulassung dafür vorausgesetzt?" erkläre: Denn mit Ausnahme von FPÖlern (26 Prozent) sind die Anhänger aller Fraktionen mit Werten zwischen 55 (ÖVP) und 67 Prozent (SPÖ) mehrheitlich dafür: Unterm Strich ergeben sich so 49 Prozent Ja-und 39 Prozent Nein-Stimmen. Haselmayer: "Je urbaner und höher der Bildungsgrad, desto eher sind die Leute für eine Impfung von unter Zwölfjährigen. Viele unter zwölf haben natürlich bereits andere Schutzimpfungen wie Diphtherie, Tetanus usw. erhalten, daher sind hier die Eltern natürlich auch aufgeschlossener gegenüber anderen Impfungen."

Umfrage Coronamaßnahmen GRAFIK
© News *

Impflotterien werden abgelehnt

Ein eindeutiges Ergebnis gibt es auch auf die Frage "Soll man Ihrer Meinung nach Menschen, die beim Impfen zögern, mit Preisen wie z. B. bei der Impflotterie Burgenland oder dem eines österreichischen Medienhauses locken?": 81 Prozent der Befragten sind dagegen. "Dass andere, die beim Impfen zögern, mit Preisen gelockt werden, stößt bei allen, die sich normal, ohne zusätzliche Anreize, impfen haben lassen, auf Ablehnung. Vielleicht spielt dabei auch Neid eine Rolle", sagt Haselmayer, der das Ergebnis als Fingerzeig für die Politik interpretiert: "Solche Methoden sind riskant, weil sich schwierige politische Vorhaben ohne Belohnung künftig anders möglicherweise nicht mehr durchsetzen lassen."

Umfrage Coronamaßnahmen GRAFIK
© News *

Keine Bevorzugung im Spital

Wie sehr die Meinungen in der Bevölkerung zum Thema Corona auseinandergehen, zeigt sich auch bei der Frage "Sollten Ungeimpfte bei einer Spitalsbehandlung wegen Corona einen Selbstbehalt tragen?": 52 Prozent der Umfrageteilnehmer sind gegen einen Selbstbehalt für Ungeimpfte bei einer Spitalsbehandlung wegen Corona. 43 Prozent sind dafür. Im urbanen Bereich ist es eine äußerst knappe Mehrheit, bei ÖVP-Wählern immerhin 55 Prozent. Ähnlich sind die Verhältnisse bei der Frage "Sollten Geimpfte gegenüber Ungeimpften bei einer notwendigen Spitalsbehandlung wegen Corona bevorzugt werden?" - wenngleich hier der ablehnende Anteil mit 58 Prozent etwas größer ist. Einzig Anhänger der Türkisen wollen mit 52 Prozent Geimpften bei einer Corona-Behandlung im Krankenhaus den Vortritt lassen. Bei FPÖ-Anhängern ist die Zustimmungsrate wenig überraschend am geringsten. Auch wenn ÖVP-Anhänger aufgrund ihrer positiveren Einstellung für eine Bevorzugung Geimpfter im Behandlungsfall seien, würden die Menschen generell "keine Zwei-Klassengesellschaft" wollen, analysiert Haselmayer.

Umfrage Coronamaßnahmen GRAFIK
© News *
Umfrage Coronamaßnahmen GRAFIK
© News *

Zwei große Blöcke

Die Spaltung der Gesellschaft zeigt sich auch bei der Frage "Sollte eine Testpflicht auch für Geimpfte und Genesene gelten?": Hier sind 42 Prozent dafür, 50 Prozent dagegen. Wobei die Anteile, bezogen auf die Parteienpräferenz, Wohnort oder Bildungsniveau, ähnlich ausfallen. Einzig bei Neos-Wählern bejaht hier mit 60 Prozent eine Mehrheit die Testpflicht auch für Geimpfte und Genesene. Und insgesamt nehmen Männer in diesem Punkt tendenziell eine ablehnendere Haltung ein.

Umfrage Coronamaßnahmen GRAFIK
© News *
Umfrage Coronamaßnahmen GRAFIK
© News *

Auch bei der Frage "Sind Sie für eine generelle FFP2-Maskenpflicht (nicht nur für Ungeimpfte)?" gibt es österreichweit zwei große gegensätzliche Gruppen: Allerdings sind die Befürworter mit 55 Prozent in der Mehrheit. In Städten, wo die Menschen mehr mit Öffis unterwegs sind und es eher zu Menschenansammlungen kommt, sind es sogar 62 Prozent. Haselmayer: "Wiens Bürgermeister Michael Ludwig scheint mit seinen Maßnahmen offenbar auf dem richtigen Weg zu sein."

Selbst bei der Frage "Ist für Sie ein neuerlicher Lockdown vorstellbar?" gibt es zwei große Blöcke, wobei doch eine Mehrheit von 58 Prozent dagegen ist. Bei den 37 Prozent, für die ein weiterer Lockdown im Bereich des Möglichen ist, sprechen sich aber rund je die Hälfte im Fall des Falles für einen österreichweiten Lockdown bzw. einen nur für Ungeimpfte aus. Auffallend: Unterschied zwischen Stadt und Land gibt es hier keinen.

Umfrage Coronamaßnahmen GRAFIK
© News *

* Quelle: IFDD – Institut für Demoskopie und Datenanalyse GmbH, Umfragezeitraum 28.9. bis 4.10. 2021, 800 Onlineinterviews repräsentativ für die wahlberechtigte österreichische Bevölkerung ab 16 Jahren, maximale Schwankungsbreite ±3,5 %, Umfragezeitraum = Feldzeit.

Spannend sind auch die Antworten auf die Frage "Welche Partei profitiert von der aktuellen Corona-Politik?": Denn da sind ÖVP und FPÖ mit 24 bzw. 23 Prozent die klaren Gewinner. "Konkret der omnipräsente Bundeskanzler Sebastian Kurz als Verkünder der Lockerungsschritte und FPÖ-Chef Herbert Kickl als Kritiker der Regierungslinie", erklärt IFDD-Chef Haselmayer. Die SPÖ mit einer Gesundheitsexpertin als Parteichefin profitiere hingegen nicht, Neos sowie überraschenderweise auch die Grünen überhaupt nicht. "Gesundheitsminister Mückstein ist eben nicht Anschober", so Haselmayer, der im Kontext auf die 39 Prozent ohne konkrete Meinung zur Frage hinweist. "Die sind Ausdruck dafür, dass ihnen das Thema Corona auf die Nerven geht und sie nichts damit zu tun haben wollen."

Fazit: Auch wenn es für bestimmte Coronamaßnahmen eine Mehrheit in der Bevölkerung gebe, so sei immer auch ein sehr großer Anteil der Betroffenen dagegen. Haselmayer: "Die Regierung wird weiterhin bei neuen Maßnahmen wie der Einführung von 3-G am Arbeitsplatz mit Widerstand und Kritik rechnen müssen."

Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der News Ausgabe Nr. 40/21