Corona: Wie umgehen mit der Angst?

Was man tun kann, wenn man große Angst um sich selbst oder jemand anderen hat

Die Corona-Pandemie verängstigt viele Menschen - nicht zuletzt jene der sogenannten Risikogruppe und ihre Angehörigen. Wie geht man mit der Angst vor Ansteckung - oder vor Verlust eines geliebten Menschen um? Und kann man sich vorbereiten? Psychotherapeutin Nicole Trummer gibt eine Hilfestellung.

von Angst © Bild: iStockphoto

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News.at: Viele Menschen denken „Ich werde mich schon nicht anstecken“ aber viele haben auch Angst, an Covid-19 zu erkranken - nicht zuletzt Menschen aus Risikogruppen. Wie kann man mit dieser Angst umgehen? Also mit der Angst, dass es mich selbst treffen kann?
Nicole Trummer: Ansteckung ist ein großes Thema und natürlich auch selbst angesteckt zu werden. Vor allem natürlich bei Menschen aus der Risikogruppe. Es ist gut, dass es diese Richtlinien gibt wie Hände waschen, Abstand halten, etc. und dass es wenige, dafür sehr klare Richtlinien sind. Sie einzuhalten gibt Sicherheit und das ist das, was den Menschen am meisten hilft.

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Was sagen Sie jenen, die sich klar daran halten – aber dennoch Angst haben?
Man soll sich selbst klar machen, dass man sich an die vorgegebenen Richtlinien hält – und sich dadurch auch selbst ganz gut schützt. Damit sagt man sich: Ich gebe auf mich Acht, ich passe auf mich auf. Und wenn ich eben der Meinung bin, ich verhalte mich korrekt, dann habe ich Sicherheit – und komme nicht so in die Angst rein.
Es wird aber immer eine Restangst geben, allerdings ist eine „gesunde Angst“ (man kann auch Vorsicht sagen) nicht schlecht, denn die beschützt mich. Aus einer „gesunden Angst“ heraus gebe ich dem Nachbarn eben zum Beispiel nicht die Hand.

Wenn sich aber jemand trotzdem unsicher fühlt und unter Ängsten leidet, sollte man sich nicht scheuen, eine der Helplines anzurufen, da ein Gespräch über die Ängste diese bereits minimieren kann, da reden hilft!

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Ganz viele Menschen haben jetzt Angst um andere – Eltern, Großeltern,… - und davor, diese in naher Zukunft verlieren zu können. Wie geht man damit um?
Bei der Hotline, wo ich derzeit ehrenamtlich mitarbeite (Anm.: Hotline des BÖP - Berufsverband Österreichischer PsychologInnen) , rufen wirklich sehr viele an, die diese Sorge haben. Man kann diese Sorgen jedoch niemandem ausreden oder wegreden. Wichtig ist, etwa den Angehörigen, um die man sich sorgt, bewusst zu machen, dass es ernst ist. Die meisten wissen das aber eh und bleiben daheim.

»Nicht immer über das Coronavirus sprechen! Andere Themen suchen!«

Das heißt, es könnt mich schon beruhigen, wenn ich weiß, dass die Person, um die ich mich sorge, zuhause bleibt?
Ja genau. Und ich rate auch, dass man etwa ausmacht, wann man telefoniert und wenn möglich auch mit Video zu telefonieren, damit man sich auch sieht. Ganz wichtig: Wenn man miteinander spricht, nicht immer über das Coronavirus sprechen! Sondern im Gegenteil: Dass man wirklich schaut, was es Positives gibt, über das man sprechen kann; Ein bisschen ein anderes Thema suchen.

Aber auch Gefühle anzusprechen ist notwendig. Ebenso wie Mut zu machen und immer wieder zu sagen: Es wird vorüber gehen! Das ist ein ganz wichtiger Satz: Es ist jetzt zwar so, aber es bleibt nicht so.

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Sollte ein Angehöriger dann tatsächlich betroffen sein – und im schlimmsten Fall sogar auf der Intensivstation liegen, wo man ihn nicht besuchen darf: Wie geht man damit um? Was kann man zuhause tun, um nicht „wahnsinnig“ zu werden?
Das ist natürlich ziemlich belastend. Wichtig ist natürlich, dass man weiß, was los ist, also etwa eine Vereinbarung mit dem Krankenhaus zu treffen, dass man einmal am Tag anruft (nur einer aus der Familie, nicht alle) und sich auf dem Laufenden hält.

Ansonsten ist es aber ganz wichtig, sich eine Tagesstruktur zu überlegen und diese aufrecht zu erhalten. Sonst sitzt man nur zuhause und kommt in eine Gedankengrübelfalle hinein. Und das hilft niemandem, im Gegenteil, die ganze Energie, die ganze Kraft geht auch noch verloren, weil Grübeln einfach Stress verursacht – und das ist nicht hilfreich.

»Rituale und Routine geben Halt und Sicherheit«

Das kann etwa so aussehen, dass man sich an fixe Aufstehzeiten hält, am Vormittag Sport macht, sich dann etwas kocht,… etc. So eine Struktur, Rituale und Routine geben Halt und Sicherheit. Und das muss man sich selbst schaffen.

Nicole Trummer stellt auf ihrem Blog interessante, kurze Übungen bereit, um aus der Gedankenfalle auszusteigen.

Besteht die Gefahr, sollte man beim Kochen, Sporteln, etc. Spaß haben, während ein geliebter Mensch leidet, ein schlechtes Gewissen zu verspüren? Und ist dies gerechtfertigt?
Wir Menschen sind nicht von einem einzigen Gefühl permanent begleitet. Es kann natürlich vorkommen, dass jemand, wenn er sich freut, plötzlich ein schlechtes Gewissen bekommt. Aber das darf auch sein, der Spaß! Ich darf trotzdem mehrere Gefühle haben. Ich darf mich freuen. Das darf trotzdem da sein. Das wäre ja fürchterlich sonst.

»Das ist das Positive: Ich bereite mich in guten Zeiten auf schwierige Zeiten vor – und nicht umgekehrt. «

Kann man sich mental irgendwie auf so eine Situation vorbereiten?
Ich glaube, das hat grundsätzlich etwas mit Resilienz zu tun, also der eigenen Widerstandskraft, schwierige Situationen gut zu meistern. Davon hängt viel ab.
Zu Resilienz zählen etwa soziale Kontakte, die in so einer Zeit sehr hilfreich sein können oder auch der Glaube, also einen Sinn in etwas zu erkennen. Sprich, die eigenen Energietankstellen.
Auf diese Resilienz bereitet man sich im Vorfeld vor. Das ist das Positive: Ich bereite mich ja in guten Zeiten auf schwierige Zeiten vor – und nicht umgekehrt.

Wann wird die Angst zu groß? Gibt es Anzeichen, dass die Angst nicht mehr gesund ist und ich mir Hilfe holen sollte?
Übertrieben oder krankhaft ist die Angst, wenn Menschen eben etwa in diese Grübelfalle reinkommen; nur noch grübeln über die Situation, wenn sie schon Stresssymptome entwickeln, nicht mehr schlafen können, sich nicht mehr über andere Dinge freuen können, sich beim Lesen nicht mehr konzentrieren können, keine Ablenkung mehr gelingt, sie nicht mehr kochen wollen, sich nicht mehr dem Haushalt widmen können, sich mit Medien vollschütten und immer mit diesem Thema konfrontiert sind. Wenn das der Fall ist, dann muss man sich dringend Unterstützung holen.

© Privat

Zur Person: MMag. Nicole Trummer ist Psychotherapeutin, klinische Psychologin, Gesundheitspsychologin und Arbeitspsychologin mit Schwerpunkt u.a. auf Depression, Stress, Ängste, Zwänge und Phobien, traumatische Erlebnisse sowie Gefühle von Sinn- und Hoffnungslosigkeit. Hier geht es zu ihrer Website.
Derzeit arbeitet sie ehrenamtlich bei der Hotline des BÖP (Berufsverband Österreichischer PsychologInnen) mit.