Wörthersee:
Gutachter am Wort

Ein gerichtlicher Letztgutachter nahm das Unglücksboot bei einer Testfahrt nochmals unter die Lupe. Sein Bericht liegt in Kürze vor - dann wird eine über Anklage entschieden. Die Todesursache steht mittlerweile fest

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Chronik - Wörthersee:
Gutachter am Wort

Am 2. Juli ereignete sich auf dem Wörthersee nahe Maria Wörth ein tödlicher Bootsunfall. Er sorgte wegen des prominenten und politisch stark vernetzten Hauptbeschuldigten, dessen Name aus medienrechtlichen Gründen nicht genannt werden darf, für zahlreiche Spekulationen.

Jetzt zeichnen sich endgültige Erkenntnisse ab: Anfang dieser Woche hat der gerichtlich bestellte Gutachter, der den Endbericht abliefern soll, das Unglücksboot nochmals unter die Lupe genommen und damit eine Testfahrt unternommen. Das sei notwendig, um die Angaben der bisher vorliegenden medizinischen und technischen Gutachten auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen, heißt es. Beim Endgutachter handelt es sich um einen Universitätsprofessor aus Oberösterreich, der ein renommierter und international tätiger Fachmann für Schadens-und Unfallanalysen in den Bereichen Bootsport, Schifffahrt und Straßenverkehr ist.

Heikler Fall

Gegenüber News sagte er, nach der Fahrt mit dem Motorboot ergebe sich für ihn "ein relativ klares Bild", ohne angesichts des "heiklen Falles" Details nennen zu wollen. Sein Endbericht mit den Fakten werde in "ein bis zwei Wochen" bei der Staatsanwaltschaft vorliegen. Dann verbleibe noch eine "gewisse richterliche Beweiswürdigung". Verschiedene kolportierte Varianten zum Unfallhergang bzw. widersprüchliche Darstellungen seien aber auszuschließen. Das Boot sei in Ordnung gewesen, abgesehen von der in Mitleidenschaft gezogenen Schiffsschraube. Alle drei Rotorblätter waren verzogen, ist aus anderer Quelle zu hören. Es habe jedenfalls keine Hinweise auf technisches Gebrechen gegeben, so der Sachverständige.

Dies hat zuvor auch der Bootseigner, ein Kärntner Unternehmer, mit Erleichterung gesagt; das Boot sei erst drei Wochen vor dem Unglück einer technischen Inspektion unterzogen worden. Mittlerweile besitzt er das Boot nicht mehr. Er hat es einem Wasserschulbetreiber am Wörthersee weitergegeben. Er wolle damit nichts mehr zu tun haben und auch keinem seiner Angestellten zumuten, damit fahren zu müssen, sagt der Unternehmer, der mit dem Unglückslenker und Medienmanager über Jahre in beruflichem Kontakt gestanden ist -so wie mit anderen Managern des Medienunternehmens auch, wie er gegenüber News Mitte Juni betonte. Jener 32-jährige Skipper, der als seine Vertretung an Bord war und der dem niederösterreichischen Medienmanager das Steuer übergab, hatte die Herrenrunde vom In- Lokal Lakeside in Reifnitz mit dem 300 PS starken Boot abgeholt. Sie hatten dort zu Mittag gegessen und laut Lokalbesitzer "einige Flaschen Wein" getrunken. "Er war dort nicht dabei, hatte keinen Alkohol getrunken und konnte beim Unfallhergang nicht eingreifen", so der Bootseigner, dem es auch darum geht, seinen Mitarbeiter "moralisch wieder aufzurichten". Dieser sei sich zwar keiner Schuld bewusst, angesichts der Ereignisse dennoch geknickt. Wie berichtet, war bei dem Unfall nach einer rasanten Kurvenfahrt das spätere Todesopfer über Bord gefallen. Was danach genau geschah, darüber gibt es offenbar unterschiedliche Darstellungen.

Schwere Verletzungen

Klar ist indes mittlerweile, wie der Verunglückte zu Tode gekommen ist: "Als Todesursache wurden zweifelsfrei massivste, durch mehrfache heftigste, hiebartige, kantenmechanische Gewalteinwirkungen bewirkte Verletzungen des Gesichts-und Gehirnschädels mit Zertrümmerung der knöchernen Strukturen und der Weichteile objektiv festgestellt", heißt es in der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Klagenfurt.

Eine derartig massive Verletzung habe den sofortigen Tod und die sofortige Handlungsunfähigkeit der betroffenen Person zur Folge. "Eine unfallfremde schicksalshaft erkrankungsbedingte Todesursache konnte durch die Obduktion und die angeschlossenen feingeweblich-histologischen Untersuchungen ausgeschlossen werden", so die Staatsanwaltschaft, die sich über eine Anklageerhebung noch bedeckt hält: "Über einen Strafantrag und die Einleitung eines Hauptverfahrens wird nach dem Vorliegen des Endgutachtens entschieden", sagt Staatsanwältin Tina Frimmel-Hesse.

Das Ergebnis des medizinischen Gutachtens erhärtet die kolportierte Vermutung, dass es nach dem Unfall einen Fahrfehler des Bootslenkers gegeben haben könnte. Dass es zu einem Gerichtsverfahren kommt, davon ist angesichts der vorliegenden Fakten aber auszugehen: Sollte es dazu kommen, dürfte jedenfalls der 44-jährige Medienmanager, der das Boot zum Unglückszeitpunkt gesteuert hatte, vor Gericht stehen. Gegen ihn wird wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen und wegen des Verdachts der Gefährdung der körperlichen Sicherheit ermittelt. Er hatte bei der Ausfahrt 1,2 Promille Alkohol im Blut. Auf dieses Delikt steht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren Haft. Aber auch gegen den Skipper wird wegen fahrlässiger Tötung ermittelt: Der springende Punkt ist wohl, ob er die Alkoholisierung des Managers erkennen hätte müssen. Ihm droht eine Strafe von bis zu einem Jahr Haft oder 720 Tagessätzen.

Dass gegen beide Männer ermittelt wird, obwohl nur einer der beiden Männer am Steuer saß, liegt daran, dass zuerst die Schuldfrage geklärt werden müsse, so der leitende Staatsanwalt Josef Haißl gegenüber dem ORF. Wenn es wie in diesem Fall unterschiedliche Aussagen zu einem Unfallhergang gibt, seien die einzelnen Beweisergebnisse in der Verhandlung zu prüfen, um zu klären, wie wahrscheinlich oder unwahrscheinlich ein Unfallhergang ist.

Insgesamt hat der tragische Unfall, bei dem vier Freunde aus Niederösterreich - sowie der Kärntner Skipper -an Bord waren, bei allen Beteiligten tiefe seelische Spuren hinterlassen: Der Medienmanager muss um seine berufliche Zukunft zittern; die zwei Freunde, die den Unfall unbeschadet überstanden haben, wurden angesichts ihrer Erschütterung erst Wochen nach ihrer Rückkehr in Niederösterreich einvernommen. News hat mit ihnen Kontakt aufgenommen, doch keiner wollte über das Geschehene sprechen. Ebenso wenig der Vater der Witwe, ein Hotelier aus der Wachau. Der Witwe wurden zudem, wie von News exklusiv berichtet, von der Gemeinde Maria Wörth rund 10.000 Euro an Bergekosten in Rechnung gestellt. Es ist davon auszugehen, dass sie (bzw. ihre Versicherung) die Kosten vom Medienmanager einfordern wird. Ebenso ist ein Zivilprozess, bei dem sie Unterhalt für ihre minderjährigen Kinder einklagen dürfte, wahrscheinlich.

Klar ist indes, dass ein etwaiger Strafprozess auf jeden Fall in Klagenfurt stattfinden wird: Spekulationen über eine Verlegung nach Niederösterreich wurde seitens des Justizministeriums ein Riegel vorgeschoben: "Das Verfahren ist und bleibt in Klagenfurt. Ein Zuständigkeitswechsel ist kein Thema", sagte Christian Pilnacek, Sektionschef im Justizministerium. Und der Prozess würde öffentlich stattfinden - womit der bisherige Persönlichkeitsschutz des Hauptbeschuldigten fallen würde. Die Strafprozessordnung sieht keine Regelung vor, wonach die Identität eines Angeklagten geschützt werden muss.